Film

Kampf der Königinnen
von Nicolas Steiner
DE/CH 2010 | 70 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 35
12.11.2011

Diskussion
Podium: Nicolas Steiner
Moderation: Till Brockmann
Protokoll: Ann Katrin Thöle

Synopse

Welche Kuh ist am stärksten? Im Wallis treten die kräftigen dunklen Tiere vor großem Publikum gegeneinander an. Dies führt einen Bauern mit seiner Dominga, einen Radioreporter aus Zürich und eine Motorrollerclique zusammen. Jeder ist unterwegs mit eigenen Motiven, im Zentrum ein Kräftemessen von großer Dramatik. 

Protokoll

Ein Kampf ist diese Diskussion nicht. Im Gegenteil: man ist beseelt, so scheint es. Der Filmemacher allemal, wo ihm so viel Lob zuteil wird, und die Analysen endlich mal mit dem übereinstimmen, was er zum Ausdruck bringen wollte. In Duisburg versteht man ihn.

Für seinen Drittjahresfilm an der Filmakademie Baden-Württemberg gab es keine inhaltlichen Vorgaben, man musste lediglich in Deutschland beziehungsweise im Heimatland drehen. Nicolas Steiner reiste daraufhin in die Schweiz, wo er geboren und aufgewachsen ist. Haben wir es also mit einem Heimatfilm zu tun?, fragt Till Brockmann. Da ist sich der Filmemacher nicht so sicher. Aber vielleicht schon, irgendwie. Die Tradition des Kuhkampfes kannte er natürlich früher schon, hat sich dafür aber nie wirklich interessiert. Er musste erst einmal fortgehen, um die anderen, spannenden Aspekte seiner Heimat zu entdecken.

Brockmann kommt auf das beeindruckende dokumentarische Figurenpersonal zu sprechen. Hier lassen sich drei unterschiedliche Gruppen ausmachen: die Kuhzüchter sind Traditionalisten, sie sind Kenner und Teil des Rituals. Der Journalist und Städter (Andreas) repräsentiert Außenstehende, die mit dem Ereignis nichts zu tun haben und der Veranstaltung mit einem gewissen ungläubigen Staunen beiwohnen, und dann gibt es die drei Dorfjungs, die sozusagen dazwischen stehen. Steiner begründet die Auswahl der Protagonisten mit dem Wunsch, verschiedene Generationen und Perspektiven zu integrieren. Im Vorfeld hat er sich rund 200 Züchter angeschaut. 30 sind in die engere Auswahl gekommen und mit sieben bis acht hat er dann gedreht, wobei sich das im Schnitt noch mal reduziert hat. Andere Protagonisten ergaben sich eher zufällig. So war es die Kuhzüchterin Déborah, die ihn auf die Mopedgang aufmerksam machte. Deborah übrigens spielt insofern eine ganz besondere Rolle, weil sie sich als junge Frau entgegen gängiger Klischees ganz selbstverständlich in dieser Männerwelt bewegt. Es war ihm wichtig, die Stimmung des Events einzufangen. Dafür mussten Situationen zum Teil nachgedreht bzw. günstig eingestielt werden, zum Beispiel die Mopedfahrt zum Kuhkampf. Auch Andreas hat kleine Hinweise oder Anleitungen erhalten; Steiner hat ihm im Vorfeld Fotos gezeigt, damit er sich für seine Interviews ein wenig an den Protagonisten des Films orientieren konnte. Wobei sich inszenatorische Eingriffe und klassisch dokumentarisches Vorgehen insgesamt die Waage hielten: Der Züchter Beat etwa hat eher ihn, also den Regisseur, geführt.

Der „Zeitlupen-Bolero“ (Brockmann) – die fulminante Schlusssequenz des Films – wurde mit einer Phantom-Digitalkamera gedreht, die sonst u. a. bei großen Fußballspielen zum Einsatz kommt. „Ballett“, „Brutalität“, „Schönheit“ – das sind die Assoziationen, die der Bildraum hier eröffnen sollte. Die zweite formale Besonderheit – das Schwarz-Weiß des Films – ist ebenfalls Thema: ein Diskutant führt RAGING BULL von Scorsese als Referenz an. Auf mögliche filmhistorische Vorbilder geht Steiner allerdings nicht näher ein. Das sei rein intuitiv gewesen, erklärt er, die zeitlose Wirkung der Bilder habe ihm gefallen. Man sollte dem Film sein Entstehungsjahr nicht unbedingt ansehen. Gleichzeitig war es ein technisches Hilfsmittel, ein Trick. Denn er wollte nur diesen einen Tag erzählen, hat aber an mehreren Tagen gedreht. Unterschiedliche Wetterbedingungen ließen sich über das schwarz-weiße Bild ganz gut kaschieren.

Werner Ružička findet das Schwarz-Weiß auch gut. Es sei eh das „nobelste Kinoformat“ und vermittle eine ganz bestimmte Sinnlichkeit. Er spricht Steiner nicht nur für den Film ein Kompliment aus, sondern auch für die Art und Weise, wie er ihn hier vertritt. Und kommt aus dem Schwärmen gar nicht mehr raus: Bilderqualität und dramaturgische Entscheidungen seien zu loben, die Protagonisten toll, allen voran Andreas, und überhaupt erzähle der Film vieles und lasse doch Leerstellen zu. Nur: Angesichts des „symphonischen Endes“ könnte der Nachwuchsregisseur Gefahr laufen, auf den falschen Weg zu kommen. Aber, weiß er in fast väterlicher Manier hinzuzufügen, „wir sorgen dafür, dass das nicht passiert“.

Steiner kontert gekonnt. Man müsse sich keine Sorgen machen, er werde als nächstes sicherlich keinen Film über Schafe in High-Speed machen.

Der Regisseur fühlt sich sichtlich wohl und freut sich über die Kommentare. Aber nun ist langsam gut. Er wolle nicht alles zerreden. Zur Tonspur nur soviel, dass alles, was die Klangwelt rund um den Kuhkampf zu bieten hatte, die Richtung in der Musik vorgab.

Nach diesem vorsichtigen Rückzug steht es Brockmann zu, ein paar abschließende Worte zu sprechen. Er kehrt noch einmal zum Ende des Films zurück. In der Endlos-Zeitlupe finde eine Sublimierung statt; es entstehe so etwas wie Magie, etwas Kosmisches. Die extreme Ästhetisierung lasse sich rückkoppeln an alle Protagonisten und schaffe zugleich eine neue, poetische Realität. Dass man mit bescheidenen Mitteln etwas Großartiges leisten kann, dafür sei der KAMPF DER KÖNIGINNEN der beste Beweis.