Film

Zwei, drei Standorte
von Martina Müller
DE 2010 | 35 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 34
04.11.2010

Diskussion
Podium: Martina Müller, Ulrich Esser (Kamera, Ton)
Moderation: Andrea Reiter
Protokoll: Nadine Voß

Synopse

Herr Noll steht in der Landschaft. Er ist zuständig für die leerstehenden Industrieanlagen der RAG Montan im Ruhrgebiet; oft ist nur noch Brachland übrig. Es wuchert, es leckt, es rostet. Der in den 90er Jahren gelegte Grundstein für ein Gewerbegebiet auf Ickern 3 ist unauffindbar, überall „bauliche Herausforderungen“.

Protokoll

Ungenutzte Industriebrachen, stillgelegte Produktionsorte, einstmals gelegte Grundsteine, die ihr Versprechen nie eingelöst haben. Flächen, die schon so lange brach liegen, dass sich ihre ursprüngliche Funktion nur noch erahnen lässt: Hans-Peter Noll ist Spezialist für solche Stätten der Niederlage, ein „Leichenbestatter“ für Orte jener Art: Jeder geschlossene Industriestandort im Ruhrgebiet geht in die Verwaltung der RAG Montan Immobilien und in seine Hände über, um zu etwas Neuem zu werden. Früher oder später – oder auch gar nicht.

Im Wilden Westen des Verfalls, in dem nach der Eroberung durch die Industrialisierung der Reichtum nun der Leere weichen musste, ist Noll geboren und aufgewachsen, ein Kind des Ruhrgebiets, aber auch ein Vorsitzender Geschäftsführer. Die Zerrissenheit zwischen professionellem Umgang mit den industriellen Scherbenhaufen auf der einen und der Verbundenheit zur Region auf der anderen Seite ist ihm anzumerken. Vor allem aber ist er jemand, der den Glauben an die Zukunft des Ruhrgebiets nicht verliert, auch und vor allem dann nicht, wenn er die stillgelegte Zeche verwalten muss, in der sein Vater gearbeitet hat.

Müller wusste, was sie filmen wollte: Orte, an denen noch etwas passiert. Das sind dann meistens die Orte, die Niederlagen einstecken mussten, aber auch erfolgreich umgedeutete Industriebauten wie der Hammerkopfturm der Dortmunder Zeche Minister Stein. Ohne formales Konzept ging Müller an den ersten Drehtag und schnell war klar, welche Bilder der Film braucht: Noll in und mit der Landschaft, vor allem in Totalen, tableauartig, mit flexibler Kamera, zurückhaltend und abwartend, so dass Nolls Geschichten und Anekdoten Raum zum Wachsen haben. Freiheiten gab es genug: ohne Dritten produktionstechnisch verpflichtet zu sein, hatten Müller, Esser und Noll keinerlei Druck, abzuliefern. Trotzdem brauchte es nie mehr als eine Einstellung – jede Wiederholung hätte die situative Spontaneität zerstört. Auch Proben gab es keine.

Der Film lebt von den drei filmischen Grundinteressen Müllers: Region, Landschaft und Person. Jemand merkt an, einige Szenen seinen clownesk, im Sinne eines Gesellschaftsspiegels, den Noll in tragikomischer Manier hoch hält – vor dem Hintergrund, dass die mehr oder weniger strukturwandelnd vor sich hin liegenden Standorte einstmals Arbeitsstellen für Tausende waren.

Gesponsert hat die RAG ZWEI, DREI STANDORTE übrigens nicht.