Synopse
Drei Chinesen in Bukarest. Sie kamen in den Neunziger Jahren, um auf dem dortigen China-Basar Geschäfte zu machen. Um in der Fremde zu bestehen, braucht es Lebenskunst. Zwischen chinesischer Community und rumänischer Umgebung leben sie ihren Alltag – geprägt von der Verschiebung kultureller Muster.
Protokoll
Immigration / Fremdsein / Integration / Sprache / Beibehaltung der eigenen Identität: Stichworte des Diskussionsauftaktes zu einem Film über chinesische Einwanderer an einer binneneuropäischen Außengrenze zu Asien auf einem Marktareal in Bukarest. Dieser Marktplatz ist der „Grund“, über den sie alle gehen: Fast alle Chinesen in Bukarest haben damit zu tun, es ist der Handelsplatz für die Waren ihres alltäglichen Bedarfs und zugleich der größte Umschlagsplatz für chinesische Waren auf dem Weg ins restliche Europa.
Drei Protagonisten, die kämpfen und sich „durchwurschteln“, um an dieser Randzone Europas einen Fuß auf den Boden zu kriegen: Sie gehören der ersten Exil-Generation an, aber sind keine „Stellvertreter“ für die Millionen von Chinesen, die sich auf den Weg machen, sondern bislang Ausnahmeerscheinungen – Brückenbauer, die den langen Weg des Scheiterns und Neubeginns immer wieder wagen und sich so mühsam ihren Weg bahnen:
– Chen, ein Allroundvermittler mit brüchigem Lebenslauf, in diversen Geschäften unterwegs und involviert,
– eine Chinesin, die von der Pekingoper und chinesischer Mythologie begeistert ist, aber gleichzeitig Ostereier bemalt (mit Drachenfratzen) und deren Wohnung über und über mit Kruzifixen bestückt ist,
– ein Journalist, der sein Leben aufs Spiel setzt, um mafiaartige Machenschaften in den Netzwerken und Unternehmen der Exilchinesen aufzudecken.
Die Bild- & Ton-Ebene dieses Films folgt keinem vorher ausgearbeiteten stringenten Konzept, sondern ist eher Folge einer intuitiven Entscheidung beim Schnitt: In einem ersten „Block“ wurden Interviews gedreht, deren Ton transkribiert und übersetzt wurde und als Ideengeber für die gezielte Suche nach Bildern und Tönen beim zweiten Dreh diente.
Fragmente / Ausschnitte sind andere Stichworte, die in dieser Diskussion fielen: Die Gratwanderung, genug von solchen Fragmenten (in Bild & Ton) zu finden, genug Andeutungen, damit der Film zu einem „Ganzen“ wird. Menschen, die unglaublich viel (sogar ihr eigenes Leben) riskieren, um in fremden Welten zu vermitteln (der Journalist), oder sich dauernd neu erfinden, um anderen eine Zukunft im vielversprechenden „Markt Europa“ zu öffnen (Sprachschulen für Neuankömmlinge).
Die Kameraarbeit in diesem Film ist dipolar: Eine bewegliche, flinke Handkamera folgt den Protagonisten, konterkariert von statischen Aufnahmen von Markteingängen, Privatwohnungen und deren Balkonen, oder einem märchenhaften Casino. Offenbart sich hier eine tiefere Struktur? Abend- & Nachtaufnahmen, die das „Undurchsichtige“ und das „Undurchschaubare“ illustrieren (wie die eigentlichen Strukturen dieses Marktes, die weitgehend „im Dunklen“ bleiben) und taghelle Aufnahmen, die den „bewegten“ und relativ übersichtlichen Alltag zeigen.
Sprache als Form der Integration: Wir sehen einen der Protagonisten auf der Suche nach passenden Räumen für Sprachkurse, später sehen wir das Mühen, aus bislang unbekannten Schriftzeichen fremdartig klingende Laute zu formen, und dann wie ein in Rumänien geborenes chinesischstämmiges Kind sich sträubt, die sonderbare Sprache ihrer Vorfahren zu üben.
Das Feuerlegen auf schon bestehenden Märkten ist nicht dem Rassismus à la Rostock oder Hoyerswerda zuzuordnen, sondern einfach nur der erbarmungslose Kampf chinesischer Konkurrenten, die die „abgebrannten“ Mieter von Verkaufsständen auf ihre eigenen, neu geschaffenen Marktplätze mit diesen „heißen Mitteln“ holen wollen: Ein Bedrohungsaspekt, der hier zu Tage tritt, von einem Netzwerk von Leuten, die die „Macht“ auf diesen Märkten haben, und anderen, die dagegen anarbeiten bzw. versuchen, Strukturen und Machtmissbrauch offenzulegen.
Katharina Copony wiederholt ihre Verwunderung darüber, dass sie mit ihrem Team auf diesen Märkten überhaupt drehen durfte: Normalerweise kommen sofort securities, sobald man dort eine Kamera auch nur auspacke. Vermittelt durch ihre beiden chinesisch- und rumänisch- s prechenden Dolmetscher, ohne die auch diese „Nähe“ zu den Protagonisten nicht zustandegekommen wäre, gelangte sie aber an eine Drehgenehmigung, ausgestellt von einem der „Bosse“ dieser Märkte – dem wohl klar war, dass dieser Film nichts wirklich „aufdecke“ oder ihm selbst wirklich schaden könne.
Oceanul Mare (Großer Ozean): „In den Ozean tauchen“, eine chinesische Metapher für das „in die Fremde gehen“ – und das Fressen oder gefressen werden.