Synopse
Das Leben des Berliner Bandleaders Hans Narva ist geprägt von Musik, der Familie und vom Aufbegehren. Da wäre die Geschichte vom Geldtransporterüberfall, der x-te Prozess wegen Auffälligkeiten im Straßenverkehr. Für Narva zählen andere Dinge. Ein Streifzug, auch durch die ostdeutsche Vergangenheit.
Protokoll
Zuerst möchte Hans, dass die Zuschauer näher an das Podium kommen. Peter Ott ist überrascht, dass das funktioniert, denn es gibt ja in Duisburg gewisse Bräuche und Traditionen, die eigentlich nicht gebrochen werden.
Claudia Lehmann und Hans sind schon einige Jahre befreundet. Auslöser für die Filmarbeiten war ein Geburtstagskonzert zu Hans’ 40ten im Babylonkino in Berlin.
Peter Ott spricht von abgebildeter DDR-Geschichte und von den Eigenheiten eines Rückblicks. Durch den Film wird eine Person hergestellt. „Was nützt dir dieser Film, Hans?“
Vordergründig nützt es Hans, dass er so das „charmante Umfeld“ der Duisburger Filmwoche kennen lernen darf. Bisher hat er den Film auch nur einmal, nach durchzechter Nacht, mit dem Kopf auf der Regisseurinnenschulter in einem Kino der Berlinale gesehen. Außerdem sieht er sich oft im Spiegel. Das reicht ihm. Zusammengefasst: „Außer Duisburg bringt mir der Film nix!“
Peter Ott stellt eine „Standardfrage“: Was war dann dein Interesse, gab es keine Konflikte?
Hans erzählt von der Freundschaft zwischen Regisseurin und Protagonist. Sie mögen sich aus verschiedenen Gründen. Da geht es um Sehnsucht nach Hamburg oder Erlangen, um Eintrittskarten und vor allem um Musik. Und dann kommt irgendwann die Idee: „Spitze, det müssen wir mal in ne Bildfolge bringen!“ Plötzlich standen dann Marc und Claudia vor seiner Wohnungstür und es ging los. Hans nahm den Film nicht ernst. Weil er nie etwas ernst nimmt. Als ihm dann gesagt wurde, in zwei Wochen liefe der Film auf der Berlinale, wurde er schon „panisch“. „Ich dachte, ich rede mit Claudia“. Nun wartete ein großes Publikum und „vielleicht hab ich das ja alles nicht so gemeint!?“
Peter Ott fragt sich, wie sich so ein Film finanziert? Reichte das Geld des ausgeraubten Blumenhändlers? Oder gibt es „Freundschaft als Produktionsorganisation“ als ein Zukunftsmodell? Acht Wochen vor dem Konzert war erst klar, dass sie den Film machen wollten. Daher gab es laut Produzent Minneker keine andere Wahl. Alle Beteiligten (Kamera, Schnitt) arbeiteten nebenher, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Hans im Glück war eine besondere Art der Freizeitgestaltung. „Andere Leute gehen Kegeln“ (Minneker).
Da fällt Peter Ott Fellini ein: „Wenn das Geld zu Ende ist, ist auch der Film zu Ende.“ Das heißt, wenn das Geld grundsätzlich verschwindet, wenn der Kapitalismus verschwindet, dann verschwindet auch Film. Dann gibt es nur noch die „Ökonomie der Freundschaft“. Es erinnert ihn an das Musik machen. Minneker stellt fest, dass Film immer durch Leidenschaft entsteht. Das Modell „Ökonomie der Freundschaft“ ist leider schwierig, weil man „davon nicht leben“ kann.
Ein Diskutant fragt, ob es „Module“ gab. Themenbereiche und Orte, die die Dreharbeiten abdeckten. „Oder biste einfach mit der Kamera mitgegangen?“
Lehmann erzählt, dass sich das entwickelt hat. Erst beim Drehen bemerkte sie, dass Hans besser erzählen kann, wenn er geht. In das Gelände des früheren Gefängnisses Rummelsburg wollte Hans sicher nicht unbedingt zurück, das habe sie „schon forciert.“
Der Diskutant spricht von „guerilla“-Filmemachen und möchte wissen, wofür die rechtliche Beratung, die er im Abspann entdeckt hat, nötig war?
Lehmann spricht von Bankraub, korrigiert sich dann aber, und meint den missglückten Überfall auf einen Geldtransporter. Da musste man sich schon absichern, bevor es gezeigt wurde. Laut Hans wurde der Film eben durch den Bankraub finanziert. Für Peter Ott schließt sich ein Kreis: Daher musste die Eingangsgeschichte mit dem Blumenverkäufer erfunden werden.
Der Film ist „episodenhaft“, laut einem Diskutanten. Wie kam die Auswahl zustande?
Es gab ein Drehverhältnis von 1:15 oder 1:150. Am Ende hatten sie 120 Stunden Material. allerdings kam Claudia Lehmann manchmal nach einigen Stunden Aufnahmen im Proberaum zurück und wusste bereits, dass sie die Aufnahmen nie benutzen wird.
Ins Finanzamt durften sie nicht hinein, erzählt die Regisseurin. Es war zwar alles ausgemacht, aber als sie dann vor Ort waren, durften sie doch nicht filmen. Man ist sich auf dem Podium einig, dass das wieder mit dem Bankraub zu tun haben muss.
Ein Diskutant zitiert Heinrich von Kleists Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden. Hans goutiert das und erzählt, dass er auch Kleist gelesen hat. „Ich bin nicht ganz dumm!“ Es gibt Lob für die Darstellung des Musikers. Der Film beschäftige sich zuerst mit dem Menschen und nur nebenbei mit dem Musiker. Wie viel ist hier „Performance“?
Hans besteht darauf, dass er sich nicht vorbereitet hat. Das macht er nicht. Auch auf Duisburg hat er sich nicht vorbereitet. Es ist ihm egal, was das Plenum, die Zuschauer oder wer auch immer denkt. „Ich tue dummerweise immer das, was ich empfinde (…) So funktioniere ick!“
Peter Ott fühlt sich an Döblins Franz Biberkopf genauso erinnert wie an Hiob. Biberkopf wird in Berlin: Alexanderplatz ebenfalls als „herzensgut“ beschrieben. Er tut auch, was er denkt. Hiob stürzt immer mehr ins Unheil. Es ist ein klassisches Element der „Rockumentary“ (Ott). Der Absturz des Rockstars. Hans meint, er verstehe nichts von Form. Er hätte nie an Franz Biberkopf gedacht, obwohl er den Roman sehr mag. Er stellt lieber einen Bezug zu Schranken her, der vorher gezeigt wurde. Es geht ihm um den Umgang mit dem Ende der DDR. Er beschreibt den Ist-Zustand als ein Dilemma. Der Jetzt-Zustand darf scheiße sein. Das muss man sagen dürfen, denken dürfen. Der Penetranz gewisser Dinge darf entgegengetreten werden. Ohne falsche Demut. Ohne zu sagen: „In mein Wohnzimmer ist jetzt Coca Cola eingezogen.“ Daher ist er so stolz auf Claudia und Marc und freut sich für die beiden. Sie haben einen Film „ohne finanzielle Konsequenz“ gemacht. Peter Ott beschreibt freudig die „objektive Beschissenheit der Dinge“. Hans empfiehlt ein Buch, es heißt „Die Beschissenheit der Dinge“ und ist von einem Belgier.
Claudia Lehmann: „Hans ist, wie er ist“. Während sich Berlin-Mitte um ihn herum über die Jahre komplett verändert habe, sei er dort und derselbe geblieben.
Ein Diskutant möchte wissen, ob Hans rückblickend auf sein bisheriges Leben Dinge anders machen würde. Hans fallen „ungefähr 200000“ Dinge ein, die er lieber nicht hätte machen sollen. Konkret sagt er, er hätte früher Bassspielen lernen sollen und sonst „…würd’ ich alles wieder genauso machen.“ Bis auf den Raubüberfall auf den Blumenverkäufer.
In den Augen eines Diskutanten wird die Diskussion Hans nicht gerecht. Für ihn ist Hans ein ruhender Pol in einer sich verändernden Welt. Er ist ein schlauer Mann in einer bürgerlichen Existenz. Die laufende Diskussion empfindet er von Taktlosigkeit und Impertinenz geprägt. Es gibt kurzes, undefinierbares Gemurmel.
Hans hat kein Problem damit, durch den Film so öffentlich zu sein. Immerhin ist er jeden Abend Hauptdarsteller einer Band. Dort gibt er Dinge Preis, er verheimlicht nichts. So ein Film ist ein guter „Spiegel“, um „’rauszufinden, bin ich scheiße, bin ich lustig?“
Ein Diskussionsteilnehmer fragt, ob der Film nicht eine späte Genugtuung für Hans sei. Sozusagen: „Früher keinen Plattenvertrag bekommen – jetzt im Kino“. Hans stand die ganzen 90er Jahre „in Handschellen“ unter Vertrag bei BMG Ariola…
Claudia Lehmann teilt daraufhin ihre Freude mit. Als es Versuche zur Finanzierung gab, sagten Förderinstitute oft ab, weil Hans ihnen zu wenig berühmt war. Ein Bassist, dessen Bands man nicht kennt. Insofern ist der Film nun eher für die Regisseurin eine Genugtuung und sie freut sich für Hans. Hans wiederum freut sich für Claudia und Marc. Er freut sich, dass er „dein beiden ein bisschen helfen konnte.“ – Ökonomie der Freundschaft.