Synopse
Bis heute pilgern Menschen auf der ganzen Welt zu Heiligen- und Gedenkstätten und hoffen auf Übertragung – durch das Ritual der Berührung. Ob Teufelstritt, Ankreuzigungsaltar oder der Handabdruck Jesu, erwartet werden „Gesten der Demut“.
Protokoll
Prolog
Zürich im November 2007: Harun Farockis Übertragung soll als Installation an der Straßenbahnhaltestelle Limmatplatz eingeweiht werden. Der Reinigungsdienst der Stadt kommt herbei und spritzt die Haltestelle mit einem Hochdruckreiniger ab. Die Schweiz ist ein sehr sauberes Land. Ein Gast der Vernissage/Premiere beginnt, die Prozedur zu fotografieren. Ein Streit entbrannt, bei dem die Reinigungskräfte auch ihr Arbeitsgerät, den Wasserstrahl, als Argument benutzen. Der Flachbildschirm wird geflutet, das Wasser läuft aus allen Geräten. Die Stadt Zürich bezahlt den Schaden, den sie an einer von ihr mitfinanziert Installation verursacht hat und ein neuer Bildschirm wird zwischen Bank und öffentlicher Toilette aufgestellt.
Die aneignende Kamera
Bei den Recherchen zum Film wird Farocki bald klar, dass die Orte der Übertragung besonders und aus dem Alltag herausgestellt sein müssen. Temporäre oder nur beiläufig in den Alltag der Menschen integrierte Orte, die wenig Aufladung erfahren, sind für seinen Film nicht als Drehorte geeignet (etwa das Pralinenmädchen in Köln).
Das Filmen mit der Kamera begreift Farocki im Laufe der Dreharbeiten immer mehr auch als fast haptische Aneignung. Zettel, die in Säulenritzen gesteckt werden und Fotos, die von den Orten der Übertragung gemacht werden gelten auch unter den Pilgern als eine mit der Berührung gleichwertige Aneignung. Filmen, so Farocki, wird zur Kontaktaufnahme.
Erinnerung ohne Ort
Die Aufnahmen des Jom haScho’a, dem israelischen Gedenktag für die Opfer des Holocausts, in Tel Aviv zeigen ein temporäres Modell der Erinnerung, das, so Hüser, von einem Ort losgelöst ist. Farocki versteht die Sequenz auch als Abstraktion, als Gegenbild zu den magischen Praktiken.
Übertragung an der Haltestelle
Die Struktur des Films, so Farocki, sei auch dem Ort des Screenings geschuldet: eine Haltestelle, an der die meisten Menschen nur kurze Zeitintervalle verbringen. Ein Ort, der in den Alltagswegen vieler Menschen vorkommt. Wege, die gar nicht so weit weg von magischen Praktiken anzusiedeln sind. Trotzdem, eine Aneignung des Bildschirms durch Berührungen der Fahrgäste habe nicht stattgefunden.
Im ersten Kapitel des Films, so Farocki, sind nur die aufgeladenen Orte ohne weitere Erklärungen genannt. Im zweiten wird der den Orten zugrunde liegende Mythos erläutert. Das dritte Kapitel liefert anhand von drei Beispielen andere Auslegungen aufgeladener Orte, z.B. die Verführung der sich spiegelnden Hand am Vietnam Memorial in Washington.
Magische Praktiken
Hüser identifiziert zwei Szenen, die aus dem Film herausstechen: den Kommentar am Ende der Sequenz zum Durchkriechfelsen (“Wann wird das gesendet?“) und der Filmausschnitt aus Roman Holiday. Sind alle anderen Szenen des Films als Interpretation des Filmausschnitts zu lesen? Eine schöne Lesart, antwortet Farocki, aber er habe mit dem Ausschnitt zeigen wollen, wie ein Film den Touristenbrauch am Bocca della Verità gestiftet hat.
Überhaupt, Medien: Die Orte der magischen Bräuche sind selber immer schon medial vermittelt worden. Das rote Licht am Fußabdruck des Teufels – kein im Ort inhärenter Special Effect sondern der Entfernungsmesser einer Kamera.
Magische Rituale, an denen das „fließbandmäßige“ Farocki fasziniert. Hände, Füße, Augen und Ohren – serielle Übertragungen.
Zum Schluss noch eine Übertragung in den Alttag: Kellner/innen, die ihre Gäste bei der Arbeit anfassen, bekommen, laut Privatfernseherecherche, mehr Trinkgeld.