Film

Mein Halbes Leben
von Marko Doringer
AT/DE 2008 | 93 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 32
07.11.2008

Diskussion
Podium: Marko Doringer, Johannes Schmelzer-Ziringer (Ton), Klaus Charbonnier (dramaturgische Begleitung)
Moderation: Lars Klostermann, Andrea Reiter
Protokoll: Judith Funke

Synopse

Regisseur Doringer hat soeben den ersten Backenzahn verloren und ist mitten angekommen in der Lebenskrise 30+. Wie kommen nur die Anderen damit zurecht? Auf der Suche nach Antworten besucht er Freunde im kritischen Alter.

Protokoll

Als Marko Doringer sich nach seinem 30. Geburtstag an eine Bestandsaufnahme seines bisherigen Lebens wagt, sieht er sich mit einer niederschmetternden Erkenntnis konfrontiert: Obwohl er – pessimistisch kalkuliert – bereits die Hälfte seiner Lebenszeit hinter sich hat – erreicht hat er in all den Jahren eigentlich gar nichts. Kein vernünftiger Job, keine Freundin (geschweige denn eine Frau), der bloße Gedanke an Kinder, wie Vater Doringer schonungslos feststellt, „ein Wahnsinn“. Auf einmal erscheint Marko die Vorstellung beunruhigend, weiterhin unbedarft in den Tag hinein zu Leben. Und selbst der vermeintliche Garant des bürgerlichen Seelenfriedens, seine Lebensversicherung, löst bei Marko Unbehagen aus, denn: die zahlt Papa.

Was folgt, benennt Doringer in der Diskussion als „einschneidendes Erlebnis“, eine „starke persönliche Erfahrung“. Er beschließt, seine Krise filmisch zu dokumentieren, und begibt sich für die ungewisse Dauer seiner Sinnsuche in die Doppelrolle des Regisseurs und Protagonisten.

Markos Freunde, bemerkt Klostermann, seien „tolle Protagonisten“, die den Film tragen. Sie fungieren als Spiegel seiner selbst, sollen an seiner Stelle vor der Kamera stehen und ein Bild von ihm vermitteln, so Doringer.

Dass sowohl die eigenen Eltern als auch die der Freunde mit einbezogen werden, lässt sich, wie Reiter richtig vermutet, auf eine These Doringers zurückführen: Die Forderungen der Gesellschaft werden für ihn vor allem durch die Eltern repräsentiert, und folglich auch der Druck, auf dem seine Zukunftsängste beruhen. Dieser Zusammenhang, der sich in Markos Fall im Konflikt mit dem Vater manifestiert, habe sich erst im Laufe der Dreharbeiten erschlossen; die Gespräche mit dem Psychologen haben wesentlich dazu beigetragen.

Darüber hinaus beschreibt Doringer die Funktion der (wie betont wird: nicht gestellten) Sitzungen mit dem Psychologen als sehr wichtig für den Film. Die Therapiesituation habe ihm geholfen, sich selbst in der Rolle des Protagonisten zu verstehen; in Analogie zur Drehsituation, in der er als Regisseur seine Freunde ins Bild setzt und befragt, habe hier der Psychologe die Position des Fragenden und Lenkenden übernommen.

Ružičkas Erwartung, die Ambition „sich selbst als künstliches Ich darzustellen“ müsse mit „skrupulösen Überlegungen“ einhergegangen sein, findet so keine Bestätigung. Beim Drehen sei Marko einfach er selbst gewesen, er habe sich nicht verstellt, so der „dramaturgische Begleiter“ des Projekts, Klaus Charbonnier (der keinesfalls als „Berater“ bezeichnet werden könne, dafür sei Marko zu stur gewesen). Beim Schnitt allerdings habe Charbonnier beobachtet, dass Marko von sich selbst in der dritten Person gesprochen habe. Um einen „Schritt zurück zu treten“ und zu einer ironischen Distanz zu gelangen, die Reiter vor allem in den fiktionalen Elementen des Films ausmacht, sei Charbonnier sehr wichtig gewesen, betont Doringer.

„Wie es halt beim Dokumentarfilm so ist“ (Doringer), habe sich während der Dreharbeiten eine starke Eigendynamik entwickelt, die den Verlauf und die Dauer der Filmhandlung bestimmt hat: So gab es unerwartete Ereignisse wie die ███████████████[1] Kathas oder die durch den Film bestärkte Entscheidung Martins, seinen ███ zu ████████ („Er wusste ja: wenn er es nicht macht, dann hat er eben die Rolle des Typen, der es nicht schafft, zu ████████“). Auch bei der Entwicklung der persönlichen Beziehungen hatte der Film eine „Katalysatorfunktion“ (Reiter).

Widersprochen wird der nicht ganz abwegigen Vermutung einer Diskutantin, einem krisengebeutelten Regisseur könnte es schwer fallen, die Ausdauer für ein so umfangreiches und langwieriges Projekt wie dieses aufzubringen. Es sei schließlich eine „persönliche Entscheidung“, so Doringer, so lange zu drehen, bis man meint, ein schlüssiges Ende gefunden zu haben. Die wesentlichen Etappen in diesem Prozess seien für ihn die beiden letzten Sequenzen zum Vaterkonflikt gewesen, sowie die Begegnung mit Marlene. Danach habe der Film zu Ende geführt werden können.

Und auch die Krise selbst scheint damit abgeschlossen: „Ich bin jetzt drüber weg“, beruhigt Doringer einen Diskutanten. Wie die Zukunft der im Film beschriebenen „Generation von Egoisten“ aussehen wird, kann Doringer dem Publikum leider nicht beantworten. Immerhin müsse sich seine Generation aber mit gewissen (materiellen) Fragen nicht befassen, erklärt er: „Wir haben ja das Haus unserer Eltern“. Ansonsten sei das ja auch „das Spannende am Leben, dass man’s nicht weiß“. Ganz in diesem Sinne die Aussage Charbonniers, Marko habe zu Beginn des Projekts mutig auf „volles Risiko“ gesetzt und den Film angefangen, ohne ein Ende vor Augen zu haben. Mut, der sich gelohnt hat, resümiert Klostermann.

[1] Auf besonderen Wunsch von Marko Doringer wurden Spoiler aus dem Protokoll entfernt.