Film

Ich gehe jetzt rein…
von Aysun Bademsoy
DE 2008 | 72 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 32
05.11.2008

Diskussion
Podium: Aysun Bademsoy
Moderation: Werner Ružička
Protokoll: Aycha Riffi

Synopse

Rund 10 Jahre sind vergangen seit Bademsoys „Mädchen am Ball“. Die Mädchen von damals sind in der Erwachsenenwelt angekommen. Konfrontiert sind sie mit den Tücken des Arbeitsmarkts, den festgefügten Verhältnissen, dem Leben als Deutschtürkin. 

Protokoll

ICH GEH JETZT REIN ist der letzte Teil einer Trilogie – vielleicht aber auch noch nicht zu Ende. Es ist eine Langzeitdoku, vielleicht auch ethnografisch. Wer weiß. „Nennen wir es einfach einen Dokumentarfilm“, sagt Werner Ruzicka.

Nach MÄDCHEN AM BALL (1995) und NACH DEM SPIEL (1997) hat Aysun Bademsoy ihre Protagonistinnen für ihren neuen Film wieder zusammengeführt. Viel Überzeugungskraft war notwendig; besonders bei den Zwillingen, oder genauer, bei den Männern der Zwillinge. Der Mann der jüngsten Schwester blieb bei seinem „Film-Verbot“ und stritt im nachfolgenden mit den anderen Männern, die inzwischen überzeugt waren.

Aber auch die Frauen hatten ihre Schwierigkeiten und Grenzen, erneut vor die Kamera zu treten. Die Nähe (Beziehung) zu den Frauen – die von „der großen Schwester“ Aysun Bademsoy noch immer „Mädchen“ genannt werden – war Voraussetzung für den Film: „Sonst würden sie sich nicht öffnen. Ich musste sie überzeugen, dass der Film ihnen nicht schaden wird.“ Die Frauen berichten offen, aber es gibt ein ‚bis hierhin und nicht weiter’. Und da sind diese Blicke der Frauen in die Kamera, die den Zuschauer einbeziehen und ihm sagen: „Ihr versteht doch, dass ich das nicht erzählen kann“. Das ist für eine Zuschauerin unbefriedigend, weil der Film nicht erzählt, was war. Aber, auch wenn sie die Neugier versteht, “wir sind kein Reality-TV“, sagt Bademsoy. Und sie bekommt durch das Lob, „keinen Enthüllungsjournalismus“ betrieben zu haben, von einem anderen Diskutanten recht.

Dass der Film sehr in die Breite und nicht in Tiefe geht, wird angemerkt; und als Beispiel die Bilder über den Marathonlauf oder von der Hochzeit genannt. Für Bademsoy sind das wichtige Seitenblicke auf wichtige Orte für die Protagonistinnen: Arzu, die ewig für den Marathonlauf trainiert hat und dann doch verzichtet, weil ihr das Fasten zu Ramadan wichtiger ist. Und Türkan, die für sich und ihre Tochter alleine sorgen muss und auf dieser Hochzeit im knallroten Kleid gelöst tanzt. (Vielleicht schwingt hier der beschriebene Hauch von Erotik im Film, der so oft im Dokumentarfilm fehlt?) Argumentiert wird auch, dass gerade die „schweifenden Blicke“ filmische Angebote sind, die gerne angenommen werden, eben weil der Film nicht auf nur einen Punkt zu läuft.

Bevor sich die Frauen im Film als (Fußball-)Team wieder treffen, hat Bademsoy sie einzeln mit Bildern aus den vorherigen Filmen konfrontiert. So sieht der Zuschauer zuerst den Frauen zu, wenn sie die alten Ausschnitte betrachten, bevor dann die Ausschnitte in den Film montiert wurden: „Du konfrontierst deine Protagonisten mit bereits montierten Wirklichkeiten“, so beschreibt ein Diskutant ihr dokumentarisches Konzept. Die Filmbilder sind auch Zeugnisse einer Generation von Frauen mit türkisch-deutschem Background, die zwischen zwei oder auch drei Stühlen sitzen, sagt Bademsoy. Dass diese Frauen aber keinesfalls Repräsentantinnen einer ganz bestimmten Generation – und schon gar nicht der zweiten oder dritten Generation (Türkinnen?) – sein können, wird in der Duisburger Diskussion von einer Diskutantin erklärt. Auch kann sie „nicht verstehen, dass für die Ziellosigkeit der Frauen und ihre Sprachlosigkeit“ eine gewisse Empathie entwickelt wird. Doch das „nicht sprechen wollen“, kann auch ganz anders eingeschätzt werden: „Man kann nicht nicht kommunizieren“, wird Watzlawick zitiert. Und vielleicht steckt in den „Aussparungen“ auch eine weibliche List, die diesen Spagat zwischen ‚Deutschsein’ und ‚Türkischsein’, möglich macht.

Es ist etwas sehr Trauriges in diesem Film: die Kämpfe der letzten Jahre, die privaten Rückschläge und der ausbleibende berufliche Erfolg. Auch Aysun Bademsoy war erschrocken, dass keine der Frauen ihre Ausbildung beendet hat. Wäre der Druck auf sie nicht so stark gewesen, wäre eventuell aus ihnen etwas anderes geworden, überlegt sie.

So bleibt „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ (wie zitiert wird) nur der Fußball (das Team als soziales System und emanzipatorischer Raum, der auch als Bedrohung empfunden werden kann) und das Wiedersehen, um sich die alten Träume zu vergegenwärtigen. „Die ganze Zeit schwebt das so im Film, dass sie sich wieder treffen“, sagt die Regisseurin. Das letzte Bild ist nicht unbedingt ein Schlussbild. Aysun Bademsoy hält ein weiteres filmisches Wiedersehen für möglich: „Vielleicht wenn die Kinder größer sind.“

Auf besonderen Wunsch sei noch gedankt Lucas Schmid (Redaktion) und dem kleinen Fernsehspiel, die solche Filme möglich machen.