Film

Zuoz
von Daniella Marxer
FR/AT 2007 | 71 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 31
08.11.2007

Diskussion
Podium: Daniella Marxer
Moderation: Hilde Hoffmann
Protokoll: Torsten Alisch

Synopse

Lyceum Alpinum, Internat im Schweizer Engadin. Elfenbeinturm für den Elitenachwuchs von morgen. Es geht um Zeitmanagement und Disziplin. Keine leichte Aufgabe für die Pädagogen, denn auch hier gilt: Regeln wollen überschritten werden. Dazu sorgfältigste Vorbereitungen auf die Welt da draußen, dort wo die Verhältnisse ja soviel härter sind. 

Protokoll

Nicht denken, nicht fühlen, nicht träumen. Wer im Lyceum Alpinum Zuoz untergebracht ist, soll lernen zu funktionieren und verlernen, jemals zu sich zu kommen. Liberale Repression des Geistes und permanente Körperkontrolle. Reale Sexualität ist tabuisiert, dafür strahlen gut geölte Hochglanz-Pin-Ups von allen Wänden.

Hinter der Kamera stand immer ein gutes Dutzend dieser Nachkömmlinge. Sie blickten auf den Monitor, und wenn sich eine Gelegenheit zur Selbstdarstellung bot, betraten sie den filmischen Raum.

Die Kamera wankt & wabert und entwirft aus der klaustrophobischen Atmosphäre der Gänge und Räume ein labyrinthisches System. Die enge cadrage des Bildes vermischt sich mit dem mystisch beklemmenden Level der Musik.

Die herrschende Vorstellung von Elite-Internaten wird in ZUOZ mit der Realität konfrontiert: Eine Realität, die wirklich gezeigt wird, auf die man blicken kann, und in der sich jede weitere Erklärung erübrigt.

Daniella Marxer zeigt das System dieses Internats, wo Kinder einflussreicher (oder einfach nur reicher) Familien untergebracht sind: Der Schicksalssphäre einer griechischen Tragödie gleich, können die Protagonisten diesem System nicht entfliehen oder werden beim Rauswurf aufs nächste Internat verschoben. Die Zurückgebliebenen kontrollieren sich gegenseitig und erscheinen anästhesiert. Sie verbringen ihre Tage mit sportlichen Ablenkungen, die sie endlich müde machen oder hängen emotionsfrei plappernd in den Büros der Internatsmitarbeiter herum. Wenn ihr Leiter ein Wochenende frei hat, sind sie verwirrt.

Die Außenwelt erscheint unerreichbar.

Die zukünftigen Verwalter des weltweiten Kapitals sind vollständig kontrolliert

– und sie mögen das.

Was sie überhaupt nicht mögen, ist ihr Spiegelbild: Dieser Film sei unmenschlich stand in hunderten von Zuschriften der Old Boys, dem weltweiten Netzwerk der „Ehemaligen“, die nach der Fernsehausstrahlung beim Sender eintrafen. Der kleinste Blick über den Tellerrand hinaus wird zu einem Wagnis auf Leben und Tod. Eine weltweite Armada von Rechtsanwälten aber war machtlos angesichts der juristisch abgesicherten Einwilligungserklärungen aller Protagonisten, die diese vor Drehbeginn abgegeben hatten.

Der Direktor der Schule, dessen Mutter in einem großen Filmverleih gearbeitet hatte, war mit Bergman und Fellini groß geworden und forderte vor Drehbeginn von Daniella Marxer: Keine Manipulationen, und „einen künstlerischen Film, bitte“.