Synopse
Russische Kinder im ehemaligen Ostpreußen, Oblast Kaliningrad. Sie leben in ihrer zeitlosen Welt und wünschen sich eine bescheidene, hoffnungsvollere Zukunft. Was erinnert noch an die Geschichte dieser Landschaft? „Leute, ihr redet: Vergessen – / es kommen die jungen Menschen, / ihr Lachen wie Büsche Holunders.“ (Johannes Bobrowski, Holunderblüte)
Protokoll
Koepp, der von Ruzicka als langjähriger Gast herzlich begrüßt wurde, konnte anfangs in wenigen Worten beschreiben wie er ursprünglich als Student an der TU Dresden zu Bobrowski und der Lektüre zum Film gekommen ist, wie sich sein Interesse zu Ost-Preußen über die Jahre entwickelte und viele seiner Filme beeinflusste. Neu war an diesem Projekt, dass diesmal Kinder die wichtigste Ebene im Film bilden und er ergänzte: Der Spruch, dass wenn man älter wird, auch die Protagonisten älter werden, stimmt also nicht ganz. Er habe immer mit Leuten gedreht, die ihm gut gefallen haben und die er anderen vorstellen wollte. Dieser Satz fällt gegen Ende der Diskussion noch einmal.
Koepp beschrieb danach ein wenig die Situation in der Gegend um Kaliningrad, den allgegenwärtigen Alkoholismus, das fehlende Heimatgefühl der Leute dort, die große Fluktuation. Er konnte manche Protagonisten nach einiger Zeit einfach nicht mehr finde, um sie noch mal zu filmen.
Man merkte in diesen Momenten, wie in weiten Teilen der Diskussion, dass er an der Frage die ihm beim Schnitt beschäftigte. „Worin soll der Optimismus im Film bestehen?“, noch immer ein wenig nagt. Auch daran, dass er nicht weiß, wie es seinen jungen Protagonisten nach dem Abschied weiter gehen wird. Es gibt schon so viele triste Filme über diese Gegenden, er wollte einen Film machen über Kinder – da wo auch noch Hoffnung da ist. „Hoffnung ist ja gut.“ Holunderblüte war als Abschluss „meines Ost-Preußen-Zeug“ gedacht, aber Koepp denkt auch am Podium darüber nach, doch noch mal dort hin zu fahren.
Länger dreht sich dann die Diskussion mit Publikumsteilnahme um das Verhältnis zwischen Dokumentarfilmer und Protagonisten. Koepp meint, dass er immer „die Geschichten“ glaube, von den Leuten die er filmt. Vielleicht erzählen sie ihm nicht alles, aber „sie haben uns bestimmt nicht belogen, in dem Moment in dem sie mit uns sprachen.“ Die Leute merken schnell, ob man an ihrem Leben interessiert ist, oder nur mal etwas rauspicken will.
Die Aufsteh- und Zähneputz-Sequenz: Wurde den Kindern im Moment der Filmaufnahme bewusst, dass genau das ihre Welt ist, will eine Diskutantin wissen. Ist die Sequenz inszeniert, hakt eine andere nach? Den Unterschied zwischen Schamgefühl der Protagonisten beim Ankleiden vor der Kamera im Gegensatz zum Schamgefühl wegen ihrer Lebenssituation die gefilmt wird differenzierte Koepp darauf dem Publikum nicht wirklich aus. Aber: Nein, sie haben sich nicht geschämt. Man kann ja mal fragen, nach Tagen des Zusammenseins, ob man das Aufstehen filmen darf, meint er. An Fragen der Inszenierung beteiligt er sich aber schon lange nicht mehr. Der Dokumentarfilm lebt ohnehin von unfertigen Zuständen in der Welt, und er wundert sich manchmal, dass Zuschauer erschreckt sind wenn sie so etwas sehen.
Auch Ruzicka hätte noch gerne weiter mit Volker Koepp geredet, über Ton, Musik, Romantik und Natur, musste aber aus Zeitgründen an der Stelle das Gespräch beenden.
Werner Ružička, Volker Koepp v.l. © Duisburger Filmwoche, Foto: Simon Bierwald