Film

DIENSTAG und ein bißchen mittwoch
von Susanne Mi-Son Quester
DE/KR 2007 | 40 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 31
09.11.2007

Diskussion
Podium: Susanne Mi-Son Quester
Moderation: Birgit Kohler
Protokoll: Aycha Riffi

Synopse

Diese Schultage: Wecker, Aufstehn, Gähnen, U-Bahn, in Englisch die Vokabel „Score“, Koreanische Literatur, beim Schulsport heißt es „Führ’ dich nicht so individualistisch auf“, Essensausgabe, mathematische Gleichungen, in Französisch die Vokabeln „beau-belle“, der Zeichenlehrer mahnt zur Eile. In einem Jahr sind die Abschlussprüfungen! Frei sind wir nur im Schlaf.

Protokoll

Ich möchte V for Vendetta sehen. Ich möchte Comics lesen.

Ich möchte Marshmellows essen. Ich möchte massiert werden.

Ich möchte eine Katze haben. Ich möchte eine Comiczeitschrift herausgeben.

Ich möchte Comics zeichnen.

Sieben Wünsche – gefunden auf der Homepage der Protagonistin Suzie – strukturieren Susanne Mi-Son Questers Film. Suzie wollte so wenig wie möglich von sich im Film preisgeben und da war das Gedicht gerade so noch in Ordnung.

Die Regisseurin wusste auch, dass sie sonst nicht viel aus Suzie „rauskriegen kann“, und dass andere Mädchen vielleicht leichter zugänglich sind. „Aber ich wollte sie“: 17 Jahre, interessiert an Comics und auf keinen Fall ein ‚süßes’ Mädchen.

Die gemeinsame Verabredung beschreibt sie so: Jede hat ihr Ding gemacht und wir haben uns so wenig wie möglich belästigt.

Aber, betont Quester in der Diskussion, der Film ist kein Porträt, sondern ein Stundenprotokoll.

Ein Stundenprotokoll eines ganz normalen Schulalltages. Zwei Wochen betrieb sie hierfür die Vorrecherche. Gedreht wurde an zehn Tage auf drei Wochen verteilt. Auf die Frage, wie es Quester geschafft hat, dass die Mädchen vor der Kamera so ‚natürlich’ sind, erzählt die Regisseurin, das ihr Filmteam nur aus Frauen bestand, auch um sich so uninteressant wie möglich zu machen. Den Tagesablauf und Schulalltag der Mädchen, den sie in dieser Zeit gefilmt hat, nennt Quester „normal und moderat“.

Werner Ruzicka zieht in einem Diskussionsbeitrag die Parallele zu dem Film ZUOZ: Die Filme beschreiben ein System. Ein Schulsystem, das die Aufgabe hat, den koreanischen Nachwuchs zu formen und brauchbar zu machen. Ein ‚Bildungs-Sience-Fiction’ der bereits Gegenwart ist. In einem solchen System hat Anarchie keine Chance.

Es ist nicht ihr Anspruch, Schule oder gar Korea so (wie beschrieben) zu zeigen, antwortet Quester. Natürlich ist es ein System, auch ein System von Zwängen, aber „wie mein Leben ja auch“, das ja genauso 22h, 23h usw. kennt. Und es gibt innerhalb des Systems auch Widerstand: Ich möchte eine Comiczeitschrift herausgeben.

Bemerkenswert aber ist, und darin sind sich Regisseurin und ein Diskutant einig, dass es an der Kunsthochschule scheinbar nicht um die Entwicklung einer individualistisch ausgebildeten Kreativität geht, sondern, wie Quester es bereits im Katalogtext beschreibt: Alle sind „gleich gut – also sowohl gleich, als auch gut“.

Das doch was ganz Eigenes, Individuelles bleibt – das sieht man im Film und hört man am Ende der Diskussion. Die Schlussworte des Filmgesprächs gehören Suzie – der Hauptprotagonistin des Stundenprotokolls.

In einer E-Mail vom 25. August 2007 schreibt sie an Susanne Mi-Son Quester:

„Die DVD’s habe ich vor ein paar Tagen erhalten. Heute einen DVD-Player gekauft und gleich angesehen.

Davor hatte ich ein bisschen Angst.

Es hätte peinlich werden können… Ich dachte, dass ich in dem Film vielleicht komisch aussehe… aber ich habe deiner Regie vertraut und den Film zusammen mit meinen Eltern angeschaut.

Entgegen meinen Befürchtungen hat mir dein Film sehr gut gefallen. Wie soll ich sagen – jede Szene scheint mir als Kunstwerk für sich zu stehen… Insgesamt vermittelt der Film ein friedliches Gefühl.

Am meisten gefällt mir, dass du mein Inneres so genau erfasst hast. Komisch, dass das möglich ist. Obwohl ich nichts extra gespielt habe, sind doch alle meine Gedanken in dem Film ganz deutlich sichtbar.

Dass meine einmal achtlos hingekritzelten Worte durch die Bilder des Films führen, fand ich ein bisschen peinlich. Das mit den Comics. Oder das mit den Marshmellows.

Du hast mir zu einer Erfahrung verholfen, die nicht jeder machen kann und ich danke dir dafür.

Ich bin glücklich, dass mir von dieser Zeit nicht nur die Erinnerung, sondern ein ganzer Film bleibt.

Auf jeden Fall ist es ein Film, der ein gutes Gefühl hinterlässt. Ich werde ihn mir immer wieder ansehen, wenn ich mit der Aufnahmeprüfung kämpfe. In 80 Tagen ist Abschlussprüfung. Bis dahin steht eine ganze Reihe von grauenhaften Tagen bevor.

Da hat man nicht mal Zeit zum Heulen. Aber ich werd’s schon schaffen.

P.S. V for Vendetta habe ich immer noch nicht gesehen. Der einzige von den Wünschen, der zur Zeit erfüllbar wäre, ist der mit der Massage.“

 Birgit Kohler, Susanne Mi-Son Quester v.l. © Duisburger Filmwoche, Foto: Simon Bierwald
Birgit Kohler, Susanne Mi-Son Quester v.l. © Duisburger Filmwoche, Foto: Simon Bierwald