Synopse
Das Leipziger Gewandhausorchester spielt die 1. Symphonie von Johannes Brahms. Der Komponist wollte eigene Wege gehen, der Dirigent einmal Lokführer werden. Wie macht man einen Film über Musik? Man hält sich die Ohren zu und hört, was man sieht. Ein Dialog der Ungleichzeitigkeit. Nehmt Euch selbst an die Hand und lasst Euch nicht verführen!
Protokoll
Josie Rücker sucht nach „dem Wunder“ und versucht eine Reise. Sie wollte nicht immer nur Pop hören, kam auf den Jazz, war fünfmal in klassischen Konzerten – flupps war die Idee zum Film geboren.
Die Anti-Haltung dieses Films wird von vielen gesehen; das Zeigen, dass sie „anders“ sein will, was „anderes machen“ will: ein gewollter Dilettantismus, verdoppelte Negationen, absichtliche „Fehler“ im Film, hand made, Materialmangel, eine Insert-Politik mit Schreibmaschine. Josie Rücker wollte damit die Faktoren des Filmemachens und die Elemente der Verführung aufzeigen. Die Diskutanten empfanden das als aufgesetzte Form: „ich sah die Absicht, aber ich durfte sie nicht ersehen“. Wenn man sich zwei Jahre mit einem Film beschäftigt, wird die behauptete Spontaneität, die Rumexperimentiererei und der Duktus des Erstauntseins zum Kalkül und zur aufgesetzten Pose.
Die Analogie zum Filmemachen (Regie führen statt dirigieren), wo ein Team mit guter Laune unter Leitung des Regisseurs sich die Bilder und Töne unterordnet… bleibt behauptet.
Zur Stellung des Dirigenten bzw. Gewandhauskapellmeisters Herbert Blomstedt:
Wenn es heißt „… spielt unter Leitung von …“, dann ist das für Frau Rücker falsch: „mit Leitung“ müsse es heißen,
es gibt hier keine Hierarchie im Orchester, alle sind gleich, nur steht der Dirigent etwas höher. Er hat keine autoritäre Funktion sondern gibt den „Harmonisierer“ und bringt zusammen was die einzelnen Musiker nicht hören können
(deren Arbeit es ist, den Komponisten am Leben zu erhalten).
Vehementer Widerspruch von Diskutanten: Erst der Dirigent interpretiert die schriftlich niedergelegten Noten und formt aus dem Orchester seine Version des Stückes. Man sieht ihm im Film doch auch bei seiner Arbeit zu, wie er während des Spaziergangs die Musik liest und diese sich in seinem Kopf zu etwas Eigenem formt.
Dieses „mit / unter Leitung von“ bleibt eine Behauptung, die der Film nirgends einlöst. Die autonome Unterwürfigkeit der Musiker und ihre nach oben gerichteten Blicke sprechen nicht von einem „Miteinander“. So entpuppt sich dieses „mit“ wieder zu einer Anti-Pose Josie Rückers: Der gewollte Versuch demokratisch zu sein, wo es gar nicht darum geht, demokratisch sein zu müssen.
Ein anderer ärgerte sich zu Beginn sehr über den Film, über zu spät einsetzende Schwenks auf die dann „falschen“ Musiker, aber mit der Zeit wurde es „charmant, ehrlich und frech“: Eine Brahms-Partitur zu einem Rap zu verfremden oder zu versuchen, mit einer einzigen Kamera ein ganzes Orchester zu filmen. Ein Film, der es sich erlaubt als Film mit Musik umzugehen, und dabei nicht kongenial sein will.
Irgendwie etwas zu viel „wollen“.