Film

Kapusta – ein Bewegtbildportrait
von Bozena Leschczyk
DE 2005 | 30 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 30
06.11.2006

Diskussion
Podium: Bozena Leschczyk
Moderation: Fred Truniger
Protokoll: Roman Fasching

Synopse

Schlesien – eine Rückkehr in die Heimat nach 17 Jahren. Eintauchen in die polnische Provinz, in der die Uhren langsamer ticken. Ein Portrait des alltäglichen, familiären Landlebens. Geprägt vom gegenseitigen, latenten Misstrauen zweier Volksgruppen, gekehrt unter den Mantel der Zeit.

Protokoll

Eingangs erkennt und benennt Fred Truniger in Kapusta die Ingredienzien des Heimatfilms, Bozena Leschczyk aber will ihren Film doch lieber als Portrait ihres schlesischen Heimatdorfes bezeichnen. Heimat ist schwierig, ein hochgehängter Begriff, und Kapusta sollte ja durchaus auch witzig sein.

Die Jungen im Dorf wollten meistens nicht gefilmt werden oder sie sind weg und arbeiten woanders, meist in Deutschland. Deswegen sieht man fast nur ältere Leute im Film, meist Familienmitglieder oder Bekannte, Freunde. Diese wiederum konnten mit dem Filmprojekt nicht viel anfangen, verstanden nicht ganz, warum es wert ist, aufgezeichnet zu werden. Teilweise waren die Bewohner auch misstrauisch, weil vor einigen Jahren schon einmal ein Film in dem Dorf gemacht wurde, der den Bewohnern dann in schlechter Erinnerung blieb. Leschczyk war es wichtig, die Protagonisten nicht vorzuführen, ihnen auch eher keine direkten Fragen zu stellen, sondern einfach zuzuhören. Es gab Anweisungen in der Art „Back mal einen Kuchen“, „Rupf doch bitte eine Gans für mich.“ Das Bedürfnis der Leute zu reden reichte oft schon aus. Annäherung über Familienbande, Dreharbeiten am Küchentisch. Leschczyk interessierte „Was passiert, wenn man nicht da gewesen wäre?“ Sie wollte zufällige Dinge auffangen wie sie sind, anstatt einen Gesprächsverlauf zu provozieren.

Das Gespräch in Duisburg dreht sich auch um die Frage nach der Zeit. 40 Stunden Material aus einem Monat Drehzeit wurden erst auf 2 Stunden gekürzt, dann auf 30 Minuten – vorgegeben vom Diplomarbeitsbetreuer. Als erstes flogen im Schnitt Wiederholungen raus, zum Beispiel wartende Leute. Die Regisseurin beschleunigte Sequenzen in denen Protagonisten viel reden, setzte dabei Akzente um die Neugier zu erhalten, wie zum Beispiel bei dem Mann mit der verletzten Hand, während Wartezeiten oft lange und ohne Schnitt gezeigt werden. Zeit in zwei Variationen. Sie wollte aber auch bestimmte andere Themen abarbeiten, die ihr für das Portrait des Dorfes wichtig waren, Glaube und Religion zum Beispiel.

Der wiederholte Versuch, Demut und ein Existieren scheinbar ohne Ziele im Gespräch etwas tiefer zu thematisieren gelingt leider nicht mehr ganz. „Tja, so ist das Leben“ wird im Film immer wieder geseufzt. Im Sinne ihrer Protagonisten erkennt darin auch Leschczyk, anders als Truniger, eine durchaus klare, definierende und im Endeffekt positive Sicht auf das Leben und die Welt. Dennoch meint sie, kann sie die Demut dieser Menschen schwer objektiv beschreiben, weil sie ja selber von dort kommt.