Film

Exposed
von Heidrun Holzfeind
AT/US 2005 | 39 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 29
04.11.2005

Diskussion
Podium: Heidrun Holzfeind
Moderation: Fred Truniger
Protokoll: Aycha Riffi

Synopse

Das Portrait einer jungen Frau, in großen Teilen von ihr selbst gezeichnet. Nervlich am Ende, sieht sie sich überall Chemikalien ausgesetzt. Multiple Chemical Sensitivity (MCS) nennt man dieses Syndrom, das sie zum Abbruch ihrer Tanzkarriere zwang. Um Körper und Geist zu erholen, hat sie nur eine Möglichkeit: Flucht in ein abgelegenes Waldgebiet, beinahe völlig abgeschottet von der Außenwelt.  

Protokoll

Wie auch im Katalogtext zu lesen ist, wurde Heidrun Holzfeind über eine Bekannte aufmerksam auf die Umweltkrankheit MCS (Multiple Chemical Sensitivity). Sie gab ihr auch den Tipp, Kontakt mit Katherine aufzunehmen: Erst über E-Mail, später reiste Holzfeind dann mehrmals zu Katherine und wohnte mit ihr in ihrem Haus. Zwischenzeitlich erreichten Holzfeind ein „Stapel kopierter VHS-Kassetten“: Katherine filmte sich beim Tanzen, und mehr und mehr ihren Weg mit der Krankheit oder zur Krankheit. Diese Aufnahmen sind nicht einfach nur Selbstbeobachtungen. Die Kamera wurde zu einem Spiegel, zu einem Gesprächspartner und zu einem Zeugen. Dass die Protagonistin geübt ist mit der Kamera – das kann jeder sehen.

Für Holzfeind galt es nun, das bereits durch Katherine vorgefilterte Material zu sichten und auszuwählen.

Die erste Frage in der Diskussion bezieht sich auch auf Katherines Videobänder. Wie hat Holzfein dieses Material ausgewählt, was hat sie gesucht? Für Holzfeind war es wichtig den Krankheitsverlauf darzustellen. Eine Schlüsselszene ist für sie der Moment, in dem Katherine heulend vor der Kamera sitzt und realisiert, dass sie krank ist. Wichtig waren auch die Szenen, in denen Katherine Themen wie ihre Erfahrungen mit Ärzten oder Freunden anspricht. „Was nicht ging, waren Beziehungen.“

Obwohl Holzfeind mit Katherine für Tage zusammengelebt und auch an ihrem Alltag teilgenommen hat, wollte sie einfache Alltäglichkeiten (ihre langen Schlafenszeiten, langwierige Frühstücksvorbereitungen) nicht zeigen. „Es ist schwierig, so etwas zu visualisieren, und einige Alltagsszenen sieht man ja auch“, meint Holzfeind. Dass der Film keine Ruhephasen für den Zuschauer zulässt, keine oder wenige Szenen anbietet, in denen „man einfach mal beobachten“ kann, wurde in der Diskussion noch aus einem anderen Grund bedauert. Die Inszenierung bzw. der Stil des Films hat dazu geführt, dass „mir die Frau irgendwann auf die Nerven ging“, so eine Diskussionsteilnehmerin. Und dies führt zur Frage: Glaubt man die Krankheit oder handelt es sich hierbei einfach um eine nervige und ‚neurotische’ Person?

Heidrun Holzfeind sieht das eher so: Sie sagt, Katherine sei eben eine anstrengende und eine sich selbst inszenierende Person. Aber die Krankheit ist real. Sie ist als Krankheit anerkannt. „Ich hab immer gehört: ‚Die ist hysterisch.’ Und diese Ambivalenz, die existierende Krankheit zum Einen und Katherines Auftreten zum Anderen wollte ich offen halten.“

Ebenfalls im Katalogtext beschrieben, ist Holzfeinds Verwendung von Found Footage- Sequenzen im Film. Gerade die wissenschaftlichen Informationen (die Fakten, die sie im Interview mit der Toxikologin erfahren hat) waren für Holzfeind „faszinierend und schockierend“. Die Materialen sind für sie als Kontextualisierung von Katherines Krankheit sehr wichtig; skizzenhaft und schlagwortartig wollte sie diese verwenden.

Ob es nicht etwas schulmeisterlich oder umgekehrt pseudowissenschaftlich daherkommt, wie die Fakten im Film arrangiert werden, sind die daran anschließenden Fragen. Denn gerade das ‚schlagwortartige’ der Informationen, führt doch dazu, dass das echte Problem nicht greifbar wird. Heidrun Holzfeind antwortet darauf, dass sie kein Interesse an einer medizinischen und wissenschaftlichen Darstellung hat. Die Informationen sind schon wissenschaftlich fundiert, aber sie verzichtete bewusst auf Statements (männlicher) wissenschaftlicher Autoritäten. Der Kontext sollte heißen: Die Krankheit gibt es, sie hat einen Grund, es sind oft Frauen, die diese Krankheit haben, Katherine ist nicht allein.

Fasst schon am Ende, der bis dahin etwas schleppenden Diskussion, wird von einem Diskussionsteilnehmer gefragt, warum denn kein Raunen durch das Publikum geht, wenn hier die ganze Zeit Katherine als „hysterisch“ und „neurotisch“ beschrieben wird? „Diese Zuschreibung an die Protagonistin ist einfach nicht hinnehmbar.“ Innerhalb des Films ist die Frage, was passiert mit dieser Frau, mit ihrem Körper in dieser Welt, zu wenig kontextualisiert. Trotzdem habe er versucht den Film feministisch zu lesen, und als ein Angebot, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, dass die Krankheit eine psychische ist und dass das körperliche und psychische Schicksal Katherines ein Zeichen von Machtverhältnissen ist.

Eine andere Teilnehmerin kann den Film einfach nicht feministisch lesen, da der Film das nicht als Angebot öffnet. Für sie wirkt Katherine eher so ‚post-psycho-therapiert’: Nach der psychologischen Therapie gehen wir nun zur ‚chemikalischen Therapie’ über.

Am Ende der Diskussion gibt es noch Statements, dass aus eigener Erfahrung, das Krankheitsbild gut dargestellt ist, dass Ursache und Wirkung, also physische und psychische Effekte nicht voneinander zu trennen sind, und dass der Regisseurin vielleicht die Distanz zur Protagonistin fehlt. Leider wurde auch weiterhin der Begriff der ‚Hysterie’ nicht reflektierter benutzt.