Synopse
Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit: Die Firma möchte investieren, die Risikokapitalgesellschaft muss überzeugt werden. Nervenstärke macht sich bezahlt, denn für jedes Argument gibt es den richtigen Augenblick. Ein Bilderbuch der emotionalen Intelligenz, Farocki darf dabei sein – und wir auch.
Protokoll
Keine sozialen Brennpunkte oder entlegenen Welten sind Gegenstand von Farockis Werk „Nicht ohne Risiko“ und doch wagt er sich damit in eines der exotischsten und uneinblickbarsten Felder unserer Gesellschaft: das des Venture Capital-Geschäfts. Und die von Farocki in seinen Filmen gerne auch immer wieder übernommenen und eingefügten nüchternen Animationsfilmchen sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass er auch diesmal mitten im Sturm sitzt, im Auge des Orkans die Kamera auf den Punkt hält, in dem Zukunft berechnet wird, wo Geld gemacht wird.
Farocki, langjähriger Duisburg-Gast und filmischer Programmdenker, kann da auch die etwas zähe Einstiegsfrage von Öhner nicht die gute Laune und die Begeisterung für sein Thema rauben: „Wenn man die Filme der letzten 10 Jahre ansieht, gibt es eine Form, die immer wieder auftaucht. Was interessiert dich daran?“
„Es ist ja fast eine Form von Verführung“, so Farocki. Er hatte sich für „Venture Capital“ interessiert, für das Geschäft mit hoch verzinsten Risikofinanzierungen. So wie er nun aussieht war der Film ursprünglich nicht geplant, dann aber hat er sich quasi von alleine gemacht. „Es ist wirklich wahnsinnig einfach“, antwortet Farocki, nach den formalen Entscheidungen und den Verdichtungen der Gespräche im Film gefragt, „der hat sich quasi selbst gedreht und selbst geschnitten und es war leicht zu entscheiden was spannend war und was nicht.“
Dass jemand anmerkt, die Schrift im Film folge keinem strengen Konzept, und manche Begriffe würden erklärt, andere nicht, kommentiert Farocki lachend: Ja, es ist kompliziert, aber nicht festnageln bitte, „icing on the cake“ habe ich jetzt zum Beispiel nicht übersetzt.“
Davor aber gab es doch noch einiges an Arbeit auf der Lauer nach dem, was sich schließlich als das flüchtige Überzeugende sehen ließ, das Undarstellbare, das sich selbst spielt.
Nachdem es anfänglich schwierig war in den Bereich von Venture Capital erst einmal hineinzukommen, gab es eine „große Überraschung über das Personal. So viel Bildung, so viel Sprachvermögen“ so Farocki amüsiert, „haben wir selten in einem Recherchefeld gefunden… Plötzlich ging es um diese Firma, die eine sehr knappe Sprachführung hat, sehr reduzierte Verhandlungsräume, in der Öde von Unterhaching bei München, einer optisch ja stark abstiegsgefährdeten Gegend.“ Zwei Verhandlungstage wurden gefilmt und es war klar, dass man sie nur noch zitieren und verdichten musste.
In der Konzentration lag also die Kraft, und um das zu erklären, stichelte Farocki ein wenig gegen Klaus Wildenhahn: „Neulich habe ich wieder einmal einen wunderbaren Film von Wildenhahn gesehen, „Weihnachten in St. Pauli“, der funktioniert auch wegen des Personals. Aber kurzum, man kommt mit der Wirklichkeit nicht aus.“
Auch Öhner goutiert Farockis Entscheidung, sich auf die Gesprächsführung zu konzentrieren, auf die Tricks, die Überlegungen, die Reserven des Gesprächs.
„Was man nicht erzählen konnte, da man es kaum strukturieren kann, sind beispielsweise die tollen Phantasien, die in einigen Gesprächen losgingen“, so Farocki. Ausgespart, so Farocki, wurden auch „bestimmte ökonomische Dinge, die man nicht richtig vermitteln kann und im Zuge des direct cinema „war es natürlich schon auch schwierig im laufenden Gespräch schnell mit der Tonangel zu sein, bei einsetzender Dunkelheit mit dem Kameraausschnitt zu reagieren, so dass man den Raum nicht in den Fenstern gespiegelt sieht…“
Öhners fragt sich, ob es nicht die Idee eines Nachdrehs gegeben habe, etwa, als der Hinweis fällt, dass es eine interne Absprache zwischen zwei „gegnerischen“ Partnern der Verhandlung gab. „Wenn die Wahrheit“, so Farocki, „irgendwo anders herausgetropft hätte, hätte ich auch schon andere Situationen noch mit einbezogen, aber es gibt ja keinen Anspruch auf höhere Wahrheit.“
„Schrimps & Schnitzel“-Regisseurin Martina Müller erkundigt sich nach dem konkreten Prozess des Drehs. Und ein weiterer Diskussionsgast wirft ein, dass es doch erstaunlich sei wie leicht man an diese Einsichten „drankommt“, auch wenn das nicht singulär ist, was Farocki zeigt. Es gäbe mehrere Beispiele, so eine Publikumsteilnehmerin, auch vom kleinen Fernsehspiel, in denen Investmentbanker auftreten. Sie frage sich, wie Farocki sich erkläre, dass es in diesem Bereich eine so große Offenheit für Einsichtnahme gäbe, dass man sich doch wundert, wie das so einfach gehe.
Farocki: „In Amerika ist es ja viel offener als hier. Auch kleine Firmen haben dort große Überzeugung bezüglich des eigenen Handelns. In der Branche gibt es schon die Idee, dass Wirtschaft ein Kulturgegenstand ist, wenn man etwa immer auf der ersten Seite der FAZ präsent ist. Und jetzt kocht das alles wieder ab und die Wirtschaftstypen überlegen schon, was man dagegen tun kann.“
Michael Girke kommt zurück auf die filmische Arbeit und fragt, da man sehe, dass da viel im Vorfeld stattgefunden habe, das der Film selbst extrem zurücknimmt, und es aber zugleich die Idee des direct cinema gäbe – wie Farocki die Spanne zwischen den beiden Polen erklärt.
Er, so Farocki, versuche sicher auch ein Spiel z.B. mit einem Nachverfolgungsbeweis wie Wildenhahn (auch das in Begleitung eines ironischen Grinsens), der in seinen Schwenks zeigt, dass da wirklich jemand sitzt und man dem ohne Manipulation nachgeht – ein Versuch zwischen Eingreifen und Nicht-Eingreifen zu changieren.
Die sich selbst dabei so gut ins Bild setzenden Akteure rufen bei einigen im Publikum jedoch ein leichtes Unbehagen gegen die eigenen Vorurteile hervor: „Es bleibt eigentlich ein sehr seriöser Eindruck der Branche.“ Und Öhner sieht sich „da mit einer Elite konfrontiert, die sonst nicht repräsentiert wird.“ Für Girke wird sichtbar, „was Benjamin beschreibt: dass der Kapitalismus als Religion zu sehen ist und nicht alleine als hochrationales Gewerbe.“
„Es scheint“, so Farocki, „um den Kern von Gesellschaft zu gehen.“ Und was der Film für Farocki noch zeigt: „Dass es immer auch um den richtigen Riecher und Intuition geht – das ist wie bei Rowohlt oder dem kleinen Fernsehspiel … und dass die Banken völlige Schlappis sind, wenn es um solche Geschäfte geht.“