Protokoll
Strukturalismus vs. Rest of the World
Ziemlich tricky und gleichzeitig systematisch ging Hilde Hoffmann die Diskussion an: Der Thematisierung der Motive, den Film zu machen (nämlich – laut Karin Michalski – die eigene Frauenrolle im kulturellen Vergleich zu betrachten, aber dabei einen ethnografischen Blick zu vermeiden) folgte direkt die Verknüpfung von formalen und inhaltlichen Kategorien: (In wie weit) entspricht die Verunsicherung bezüglich Geschlechterrollen (z.B. ‚transvestitische’ Figuren) der Verunsicherung, die der Film mit seinen stark divergierenden ‚Materialitäten’ (Interviews, gestellte Szenen, historische Spielfilmszenen) bereitstellt? Elfe Brandenburger wollte zuerst nicht von Verunsicherung sprechen
(sondern allgemein über die „Problematik von Geschlechtszuweisungen“), tat es aber dann doch. Wie gesagt: bisschen tricky, aber ganz gut.
Und weil das so gut geklappt hatte (und ja auch einen sinnvollen Ansatz strukturalistischer Filmanalyse darstellt), versuchte es Hilde Hoffmann gleich noch mal mit der Form/Inhalt-Frage: Vier Frauenrollen (die dem religiösen Text „Kanun“ entsprechende, die des albanischen Mythos, die Frau der kommunistischen Ära und die ‚aktuelle’ Frau der postkommunistischen Epoche) seien auch als Schichten im Material repräsentiert. Eigentlich keine Frage, sondern eine analytische Feststellung. Dachte sich vielleicht auch die Regisseurin Karin Michalski und beschränkte sich auf einen kurzen Abriss, in dem sie darstellte, wie der Kanun (inklusive solcher Phänomene wie der Blutrache) nach dem Zusammenbruch des Kommunismus wieder belebt worden ist, es allerdings auch weiterhin Erinnerung an die kommunistischen Verhältnisse gebe, was zu einem „gebrochenen Umgang mit dem, was an Tradition zurückschwappt“ führe.
Exkurs: Die Feststellung von Hilde Hoffmann, dass der Spielfilm als kulturelles Gedächtnis genutzt werde, bestritt Elfe Brandenburger zwar nicht explizit, verhielt sich allerdings auch nicht zu ihr, sondern berichtete, dass es sich bei dem Spielfilmfund um einen Glücksfall gehandelt habe. – Das mag sein, aber irgendwie erschwert eine solche Perspektive kulturwissenschaftliche Fragestellungen doch ungemein.
Der dritte Versuch von Hilde Hoffmann, ästhetische und thematische Aspekte als miteinander zusammenhängend (um es mal sehr vorsichtig zu formulieren) zu beschreiben, war wie die vorangegangen überzeugend – und in gewisser Weise auch wirkungsvoll: These war, dass der Film zwar eine klare zeitliche Verortung (nämlich in der Jetztzeit, wie in der ersten Einstellung am Hubschrauber klar wird) vornimmt, aber bewusst auf eine geografische Verortung verzichtet. Die Filmautorin und ihre Cutterin bestätigten diese Auffassung und sagten, dass es gerade um die universalistische Perspektive gegangen sei (‚Das Patriarchat ist überall.’), die natürlich Exotismus zu vermeiden habe.
Figuren und ihre doppelten Rollen
Die Frage, warum (trotz des Titels „Pashke und Sofia“) die junge Frau Anila so viel Raum eingenommen habe, begründete Karin Michalski damit, dass sie Anila spontan aufgenommen habe, als sie ihr mit ihren abweichenden Codes aufgefallen war. Sie repräsentiere damit eine andere Generation mit ähnlichen Problemen bezüglich der Geschlechtsrollen/-zuweisung. Gleichzeitig mag es auch so gewesen sein, dass das (nicht unbedingt geschlechtsspezifischen Stereotypen entsprechende) Filmteam allein durch seine Anwesenheit im Mikrokosmos des gefilmten Raums Reaktionen evoziert hat.
Aus dem Publikum wurde bemängelt, dass die Geschichten der drei Frauen zu knapp erzählt worden seien, besonders Pashkes Rolle in der Männerwelt und deren Verhalten gegenüber Pashke. Elfe Brandenburger berichtete, dass die Männerwelt eigentlich ziemlich ignorant sei und dass deshalb solche Szenen bewusst vermieden worden wären, während die Autorin noch anmerkte, dass soziale Situationen auch nur begrenzt auffindbar gewesen seien (z.B. vor der Kirche).
Eine Beitrag aus dem Publikum vertrat die These, dass zwei frappant unterschiedliche Arten von Bildern hergestellt und verwendet worden sind: beschreibende (vor der Kirche, Pashke mit Eimer auf dem Feld) und suggestive (Anila als tomboy, Sofia als ‚Transvestit’). Aber auch die suggestiven seien o.k. gewesen, hätten sie doch in der expliziten Frage an Pashke gemündet, ob sie sich vorstellen könne, mit einer Frau zusammenzuleben – was diese mit einem unter einem weite Interpretationsspielräume lassenden Lachanfall verneinte. Auf die Kritik an der als stark suggestiv empfundenen Zeitlupenszene des Bräutigams reagierte Elfe Brandenburger mit etwas Selbstkritik („Diese Szene wird immer kritisiert. Vielleicht ist sie auch nicht gut.“) und einer etwas banalen Volte: Das ‚Geholt-Werden’ der Frauen sei ja auch tatsächlich dramatisch.
Die Distanz zwischen der Filmemacherin und den von ihr vorgestellten Figuren thematisierte Werner Ruzicka in seiner Frage, ob Karin Michalski überlegt habe, das Bildmaterial aus ihrer eigenen Situation kommentierend zu begleiten. Nein, war die Antwort, dies entspräche nicht ihrem biografischen Horizont.