Film

Der chinesische Markt
von Zoran Solomun, Vladimir Blazevski
DE 2000 | 93 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 25
07.11.2001

Diskussion
Podium: Zoran Solomun
Moderation: Jutta Doberstein
Protokoll: Roman Fasching

Synopse

Die Budapester Josefstadt: Ein „Kleinhandelsplatz“, auf dem ein entlassener Professor aus Sarajewo, ein Agronom aus Tetovo, eine rumänische Krankenschwester und eine ungarische Rentnerin Teilnehmer eines halblegalen Marktes sind. Der Film gibt eine ökonomische Lektion: Wer leben will, muß handeln.

Protokoll

Im Endeffekt ging es dem Regisseur im Film um Emotionen, die Diskussion hingegen wurde ohne gröbere Gefühlsausbrüche geführt. Dafür gab es von Solomun viel Informationen zu den Drehbedingungen und zur Arbeit am Film.

Die Diskussion wird mit der Frage nach den Kriterien zur Auswahl der Protagonisten eröffnet. Solomun erzählt, dass er während der Drehzeit in Budapest versucht hat, möglichst viele Menschen zu treffen, um so Protagonisten zu finden, die emotional bewegen. Die Osteuropäer sind die “Loser” (Solomun) im weltweiten Markt, und die erste Idee zum Film war, genau das zu zeigen. Daher suchte er in Budapest gezielt nach Leuten aus der Mittelschicht, die alles verloren haben, und jetzt von dieser Art von Handel leben.

Die unklar bleibende Legalität des Handels und der Protagonisten wird angesprochen. Solomun meint, alles im Film Gezeigte ist legal, wenigstens zu 90%. Die chinesischen Händler sind legal in Budapest, und die Protagonisten sind “mehr oder weniger” legal. Die Leute sind keine Schmuggler, sie leben vom Kleinhandel. Die Zollbeamten werden bestochen, um weniger Zoll zu bezahlen. Für das, was sie tun, schämen sich die Leute im Film nicht, sie akzeptieren ihre Lage mit Gelassenheit.

Danach die Frage, warum sich der Film dann doch nicht so sehr auf den Markt in Budapest konzentriert und eher den Protagonisten folgt. Der Regisseur erklärt, dass ihn ein Film über das Funktionieren des chinesischen Marktes nicht so interessiert hat. In seinem Film bleibt der Markt ein Rahmen für die Protagonisten. Vor dem Film wurde eine Entscheidung getroffen: Wir machen was uns emotional bewegt – und das waren nun einmal die Menschen aus Osteuropa.

Kurz wird Penny, die chinesische Ladenbesitzerin in Budapest, angesprochen. Für Solomun ist sie wie ein Kind: Sie redet offen und sagt die Wahrheit. Im emotionalen Sinne ist sie repräsentativ, da sie den Widerspruch zwischen unrealistischen Träumen und der Realität verkörpert. Ihr Weg, von China in die USA und danach nach Ungarn, repräsentiert die heute weltumspannende Verknüpfung, bzw. Mobilität von Menschen und Märkten.

Sie steht für eine Ideologie, deren Ziel ist: Geld haben und kaufen. Penny formuliert und lebt diese Ideologie, hat ja auch schon eine kleine Kapitalismus-Karriere geschafft. Für die Filmemacher war die Arbeit mit Penny am leichtesten, sie wurde nie gesteuert. Man brauchte nur “Penny ein Thema geben und sie redet sofort.”

Penny und der albanische Junge, der in den letzten Minuten seinen Job im chinesischen Markt verliert, verkörpern für Solomun die Botschaft, dass viel mit dem Alter zu tun hat. Die meisten anderen Protagonisten sind um die 60 Jahre alt, können nicht mehr viel erwarten, sind pessimistisch oder haben resigniert. Ihnen bleiben nur mehr Erinnerungen. Solomun hat versucht, eine neutrale Aussage zu machen: So sind die Emotionen dieser Menschen.

Bei den Dreharbeiten hatte das Team oft Glück, aber natürlich war es nicht immer einfach. Durch den Kontakt zu einem Landsmann von Solomun, dem Besitzer der Markthalle am chinesischen Markt, hatte das Team, zumindest dort, freie Hand. An anderen Stellen wurde teilweise mit einer versteckten Mini-Kamera gedreht. Diese Bilder, meist Totalen, wurden auch im Film verwendet.

Kurz vor dem Ende noch eine Kritik aus dem Publikum: Der Film leidet unter dem formalen Einfluss einer Fernsehsprache. Er ist teilweise “visuell geschwätzig.” Solomun antwortet, ihm ist die Unterscheidung zwischen Kino- und Fernsehsprache egal. Er weiß nicht was genau Fernsehsprache bedeutet, allerdings hat er sich schon für eine recht dichte Sprache entschieden, um die Heterogenität des Marktes, die Enge, die vielen Leute zu zeigen. Beim Drehen wird aber oft einfach instinktiv reagiert, und man will einfach näher irgendwo hin. So entscheidet sich dann auch die Sprache, mit der man seine Motive zeigt. Der Regisseur räumt ein, dass die Bildsprache teilweise natürlich damit zu tun hat, dass man auf Video gedreht hat. Mit Film wäre Der chinesische Markt so nicht möglich gewesen.

Die Redakteurin des Films, Kathrin Brinkmann, fügt hinzu, dass der Film hauptsächlich erst beim Schnitt aus dem Material entwickelt wurde das vorhanden war. Die Schwierigkeit dabei war, eine Dramaturgie für den Film, für die Protagonisten zu entwickeln. Dadurch akzeptierte man beim Schnitt einige offen bleibende Fragen im Film. Oft musste man den Markt einfach “abbrechen”, da man bei den Protagonisten und den Leuten aus Osteuropa bleiben wollte.

Die letzte Frage drehte sich um die Musik im Film. Antwort: Mehr als die Hälfte der Musik im Film stammt von den Drehorten. Ein Belgrader Musiker und Komponist hat die chinesisch anmutende original Filmmusik gemacht. An einigen wenigen Stellen hört man Volkslieder.