Film

Yugodivas
von Andrea Staka
CH 2000 | 62 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 24
09.11.2000

Diskussion
Podium: Andrea Staka
Moderation: Volker Heise
Protokoll: Hilde W. Hoffmann

Synopse

Fünf junge New Yorker „Diven“ in Nahsicht. Sie sind Malerinnen, Musikerinnen und Schauspielerinnen und begabt, selbstbewußt und schön. Was sie neben ihrer Freundschaft noch verbindet, ist ihr Heimatland: das ehemalige Jugoslawien, das sie alle bereits vor dem Krieg verlassen haben. Aus der Distanz wird die Sicht zum Satellitenblick, der eine überraschend andere Perspektive auf das Thema öffnet.

Protokoll

„Ein Film über fünf Künstlerinnen aus Jugoslawien; an dem einzigen Ort wo man den großen Traum von der Vision Jugoslawien noch träumen kann – New York“ (Volker Heise)

Andrea Staka „wollte einen Film über Frauen machen“, „über Frauen in der Kunstszene von New York“. Die Schauspielerin Mirjana Jokovic habe sie gekannt, die anderen für ihr Vorhaben bewußt gesucht.

Widerstände

Weiter geht’s mit einer Frage, die alle Wohlmeinenden im Kinodunkel schon umgetrieben hatte: „waren die Protagonistinnen wie große Schwestern für Dich“(Heise)? Beruhigend dann: „es war eine sehr intensive Zeit. Wir sind Freundinnen geworden“ von Staka zu hören. Und dennoch spürte Heise „eine Widerständigkeit zwischen Filmemacherin und den Yugodivas. „Die Künstlerinnen hätten gerne mehr über ihre Kunst erzählt. Aber du wolltest die Wunden“. Und wo wir schon bei Wunden sind – wird die Filmemacherin dann auch gefragt, wie sie sich bei den Dreharbeiten gefühlt habe: „Ich habe mich gefühlt, wie auch gegen Ende des Filmes zu sehen ist (der Zusammenbruch). Ich bin an meine Grenzen als Freundin und als Filmemacherin gekommen“. Die Filmemacherin erzählt, daß man vielleicht schon ein zu vertrautes Verhältnis gehabt habe und sich die Divas nicht von ihr haben provozieren lassen, und wie wir alle gesehen hätten, seien sie zusätzlich auch Selbstdarstellerinnen. Auf die Publikumsfrage, warum diese emotionalen Widerstände überhaupt eine so große Rolle spielten, hatte Staka Unterschiedliches parat: „Wegen der geographischen Distanz konnte viel verdrängt werden. Nach den Bombardierungen spielten die Schuldgefühle gegenüber den Menschen, die in Belgrad geblieben sind, eine große Rolle. Ausserdem gab es eine generelle Angst, sich klar auszudrücken, die auch mit der Frage: wie finden die, die daheimgeblieben sind,was ich sage. Vielleicht war es aber auch ein Schmerzstopp“. Heise meinte der Kern, den die Frauen nicht freigeben wollten, würde durch ihre Kunst freigelegt.

Kunst

Ja, die Kunst spiele für Staka von Anfang an eine wichtige Rolle im Film. An diesem Punkt erlag auch Heise der Begeisterung: „Ich habe den Film jetzt viermal gesehen, ich warte immer auf diesen einen Punkt… dieses letzte Bild – was für ein Triumph!!!“ Schwelgend und voller Hingabe spürt der Saal diesem Bild nach. Stille senkt sich.

Bevor „er die Fassung verliert“, frage er lieber, ob Staka nicht Angst habe, einem New York- Klischee zu erliegen. Nach der Antwort „ich mag Sirenen“, wurde die Diskussion dann wieder aufgenommen.

Gegenpositionen

Staka habe „bewußt eine ästhetische Reform gewählt, um einen Gegenpunkt zu den Medienbildern über ‚Ex-Jugoslawien‘ zu setzen“. Obwohl Yugodivas komplementär zu dem vor zwei Tagen gezeigten The Punishment von Goran Rebic stehe (Heise), gehören auch die Yugodivas nach Stakas Empfinden zu der von Rebic beschriebenen ‚verlorenen Generation‘, „da sie die Erinnerung an eine Vergangenheit in einem noch ganzen Jugoslawien haben“. Diese Vergangenheit hole sie in ihrer Kunst wieder ein. Ob es die Ethnoeinflüße in den Stücken der Musikerinnen seien, die religiös bestimmte Malerei oder die Schauspielerin, die sich mit der jugoslawischen Vergangenheit auseinandersetze. „Der jugoslawische Traum trägt sie weiter“ (Heise).

Die Dualität der Wahlheimat New York und die emotionale Heimat, die an einem anderem Ort liege, kehre in den Bildern New Yorks in den Farben der „Jugo-Nostalgie“ wieder. Von Staka wird auch dieses als Gegenposition zu der Medienberichterstattung verstanden. Ebenfalls die Tondramaturgie soll einen Bogen zwischen den Geräuschen New Yorks und den Tönen, die mit Yugoslawien verbunden werden, spannen.

„Anstatt schießender Männer“ wollte sie „Frauen, die was schaffen“ zeigen.

„Es ist so schwierig geworden, etwas Persönliches zu sagen, weil alles politisch konnotiert ist“

Politik

Auf die Frage eines Diskutanten, ob jenseits der Schuldgefühle auch Wut auf die USA als Nato- Land bestanden habe, erzählt die Regisseurin von der Ratlosigkeit ein Jahr nach dem Nato- Bombardement, als die Yugodivas sich eingestanden hätten, daß sie in diesem Land lebten und diese Sprache sprächen. Besonders bei der Malerin habe es Impulse gegeben ’nach Hause‘ zu reisen, aber da „war die Heimatkunst wichtiger als die Heimat“ (Heise). Auf eine Demo gegen die Bombardierung Jugoslawiens sei man gemeinsam gegangen. Der Name Milosevic falle jedoch nie. Staka war zwar selbst erstaunt darüber, wolle aber auch keinen Film machen, in dem sich eine Person politisch erklären müsse. Heise fand, „er wäre präsent“. Ihm käme es „so vor, als sollte man den Teufel nicht rufen, sonst komme er“.

Schluss

Ein Gast fühlte sich von der Programmankündigung geneppt, er habe „mehr erwartet als einfach nur einen Film über Künstlerinnen aus Jugoslawien in New York“. Ein anderer sagte, „von der Atmosphäre sei alles rübergekommen, nichts sei offengeblieben“. Zum Schluß fand ein Teil des Publikums und die Filmemacherin selber ihren Zusammenbruch wichtig. Und Volker Heise plazierte noch einen Produkthinweis auf die CD der Yugodivas, die bei Gefallen käuflich zu erwerben sei.