Film

Schlagen und Abtun
von Norbert Wiedmer
CH 1999 | 90 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 23
04.11.1999

Diskussion
Podium: Norbert Wiedmer
Moderation: Volker Heise
Protokoll: Heimo Schirgi

Synopse

Kennen Sie „Hornussen“? Das eigenwillig anmutende Schlagspiel aus der Schweiz? Es erinnert vielleicht ein bißchen an Golf und ein bißchen an Baseball. Jedenfalls mag das der unwissende Betrachter denken. Doch „Hornussen“ ist mehr als nur ein Spiel – es ist ein eigenes Handwerk, ja eine eigene Lebensphilosophie.

Protokoll

Schlagen und Abtun, Hauptprinzipien des eidgenössischen Volkssports Hornussen. Eigenwillige Abschlagkonstruktionen, Präzision und schwer zu bändigende Schläger auf der einen, beschilderte Abtuer, die plötzlich losrennen, um das Flugobjekt zu stoppen, auf der anderen.

sport.

Ob der Schweizer Meister denn auch Weltmeister sei, will Volker Heise wissen. Norbert Wiedmer antwortet, daß das Hornussen auch im Ausland, von Auslandsschweizern natürlich, gespielt würde. Ebenso habe eine Dorfgemeinschaft aus Süddeutschland die Sportart aus alljährlichen Urlauben importiert. Sie seien auch im eidgenössischen Hornusserverband, der relativ liberal sei, aufgenommen worden.

schweiz.

Heise meint ob die Vielzahl an Widersprüchen, die im Film thematisiert werden, für die kulturelle Eigenheit des schweizer Selbstverständnisses charakteristisch sei. Der Filmemacher erklärt, der Film sei eine „Mogelpackung“, der Sport sei nur Mittel zum Zweck. Ihn haben die Widersprüche und der Symbolcharakter des Sportes interessiert. Einzeln zuschlagen und gemeinsam abwehren, sei ein urschweizer Grundsatz mit historischer Dimension.

Wie kämen die Leute mit dem Aufeinanderprallen von Tradition und Moderne zurecht, will Heise wissen. McDonald`s als Sponsor einer Hornussermanschaft. Wiedmer meint, national- konservatives Gedankengut stehe in keinem Widerspruch zur Moderne. Die Schweizer Volkspartei mit ihrem Multimillionär, der sein Geld im Ausland verdient habe, sei ein gutes Beispiel dafür. Die Folk Watch Sequenz, beinhalte doch eine „Horde von Widersprüchen“ merkt der Diskussionsleiter an. Blocher als Folk Watch? Darauf eine Anekdote des Filmemachers, der sich sichtlich wohl fühlt: Nach Fertigstellung des Filmes sei er vom Geschäftsführer angerufen worden, der ihm zum großartigen Film gratuliert habe („ich dachte, er will mich verarschen“). Sogar eine Uhr habe er zum Dank geschenkt bekommen. Soviel zur Lenkbarkeit von Rezeption.

film.

Heise spricht die filmische Struktur an, die er mit dem Aufziehen kleiner Fähnchen vergleicht, aus denen sich langsam größere Strukturen und Zusammenhänge entwickelten. Wiedmer erläutert, er arbeite an seinen Projekten an die drei Jahre, was ihm ermögliche, Formen zu entwickeln, die Fernseharbeit nicht bieten könne.

52 Kurzsequenzenseien seien so entstanden, die alle eine innere Handlung haben und einen Beitrag zur Gesamtdramaturgie leisten.

Was die Schwarzblenden betrifft, habe er damit die 52 Teile stärker voneinander abgrenzen wollen. Er sei kein Formalist, was man auch daran sehen könne, daß die Blenden nicht gleich lang seien. Geschlossene Miniaturen habe er erzeugen wollen, Filme, die ohne Interviews und Kommentare auskommen. Er habe eine Mission, den Dokumentarfilm von seinem Fluch zu befreien. Die filmischen Möglichkeiten seien noch nicht annähernd ausgeschöpft. Die Beziehung zu seinen ProtagonistInnen bestehe auf Vertrauensbasis, er wolle den Abgebildeten Bestimmungsrecht geben, da sie jederzeit aussteigen könnten. Die Hornusser, mit denen er noch immer in engem Kontakt stehe, haben Interesse gezeigt, den Film auf einem ihrer Jahrestreffen zu zeigen. Seine Ironie sei subtil, was viele ex-68er noch lernen müssten.

ironie und utopie.

Aus dem Publikum wird Kritik an Wiedmers Ironiebegriff geübt: Ironie sei ein opressives Mittel und schon längst Teil eines positivistischen Weltbildes. Technologie und Tradition seien sich in ihrer Utopielosigkeit sehr ähnlich. Wiedmer meint, er müsse das zur Kenntnis nehmen, für ihn sei die Ironie etwas sehr persönliches, ein kleines „Schlupfloch“. „Unironisch Schweizer zu sein“ sei für ihn unmöglich. Ich verstehe, was er meint.y