Film

Und vor mir die Sterne…
von Ulrike Franke, Michael Loeken
DE 1998 | 90 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 22
1998

Diskussion
Podium: Ulrike Franke, Michael Loeken, Jörg Adams (Kamera)
Moderation: ?
Protokoll: Judith Keilbach

Protokoll

Das Leben der Schlagersängerin Renate Kern lautet der Untertitel des Films, zu dessen Vorführung tatsächlich ein Kern-Fan nach Duisburg angereist war. Anfangs skeptisch ob des jungen Alters der Regisseurin, die er richtigerweise nicht als Gleichgesinnte einschätzte, gewann sie mit ihren Antworten sein Vertrauen. Zu Recht, denn Ulrike Franke reagierte sehr sympathisch und äußerst souverän auf die Wortmeldung des Fans, die den Rest des Auditoriums die Augen verdrehen ließ. Er jedenfalls stand schließlich mitten in der Diskussion auf und vertraute ihr einen Sammler-Preiskatalog o.ä. an.

Ulrike Frankes und Michael Loekens Interesse, so war zu erfahren, sei durch die Zeitungsnotiz über den Tod von Renate Kern geweckt worden. Über den Widerspruch zwischen tröstenden Liedern und Selbstmord hätten sie sich dem Leben der Sängerin genähert – und in diesem Zusammenhang, so Ulrike Franke, natürlich auch begonnen, Schlager zu hören. Sie habe inzwischen zahlreiche Platten und Autogrammkarten und kenne viele der Texte auswendig.

Nicht unbedingt als Generationenfrage möchte sie das Phänomen der ʻidentitätslosenʼ, fremdbestimmten Frauen, die um 1945 geboren wurden, verstehen. Immerhin hätten sich 1968 viele aus den Strukturen befreit. Die Lebenswege der Anderen (= Nicht-68er) würden hingegen kaum thematisiert werden. Sie stellte uns Renate Kern damit als eine Frau vor, die sich aus der Fremdbestimmung nicht lösen konnte, deren Mutter beispielsweise immer noch auf der Bühne stehe, während sich für die Tochter nur eine suizidäre Notlösung geboten habe.

Die Diskussion war dementsprechend an inhaltlichen Fragen orientiert: So wurde die Rolle des Ehemanns von Renate Kern problematisiert. Über die Frage, ob denn nicht seine Mitverantwortung am Selbstmord der Kern genauer hätte untersucht werden müssen, herrschte in der Diskussionsrunde Uneinigkeit. Die Filmemacher hielten die ʻseltsameʼ (Markt- und nicht persönliche) Beziehung zwischen den Eheleuten jedenfalls als aus ihrem Film herauslesbar, expliziter wollten sie nicht werden.

Formale Fragen richteten sich an das Bildmaterial: Zum Schluß, so die Auskunft, habe sich das bereitwillig von allen Beteiligten zur Verfügung gestellte Material zum Fluch entwickelt, so viel sei es gewesen. Warum sie nicht bei den Blicken auf Kerns Gesicht geblieben sondern immer wieder nach außen gegangen seien, wollte eine Diskussionsteilnehmerin wissen. Zu häufig seien Bilder, die eine verharrende Kamera erforderten, geschnitten worden.

Seltsam fremd sei die Kern einem geblieben, so ein anderer Diskutant. Genau dieser Eindruck der ʻNicht-Faßbarkeitʼ der Sängerin habe sich bei den Recherchen auch für die Filmemacher eingestellt, so die Antwort. Das Anliegen sei außerdem nicht gewesen, ein Porträt zu drehen, sondern vielmehr, auch nach den gegenwärtigen Spuren der Kern, z.B. im Schlagergeschäft und bei den Fans zu fragen. Ein Diskussionsteilnehmer ärgerte sich über die stereotypen (selbstgedrehten) Bilder, mit denen der Selbstmord illustriert werde. Die Kamera, die durch Renate Kerns Augen zu blicken vorgibt, würde genau auf die kritisierte Fremdbestimmung einsteigen, sie reproduzieren. Er habe damit versucht, den Klischees der Schlager eine Form zu geben, war Jörg Adams etwas schwache Antwort darauf.

Zum Schluß gab es noch Informationen über die Zusammenarbeit der Regisseure, die schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt den Kameramann miteinbezogen haben. Es gebe kein festes System, keine klar zugeordnete Arbeitsteilung. Und zum Schluß bedankten sich die beiden (die sich übrigens – das sei lobend erwähnt – auf dem Podium nicht in die sonst oft zu beobachtende aggressive Verteidigungshaltung begaben) für die tolle Teamarbeit während der Produktion. Eine sehr nette Geste.

 Jörg Adams, Michael Loeken, Ulrike Franke v.l. © Ekko von Schwichow
Jörg Adams, Michael Loeken, Ulrike Franke v.l. © Ekko von Schwichow