Film

Mein Vater Frau Hiller
von Till Passow
DE 1998 | 32 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 22
1998

Diskussion
Podium: ?
Moderation: ?
Protokoll: Hilde Hoffmann

Protokoll

Publikum und Moderation zeigten sich vom langen Abspann des Films, einer ungewöhnlichen Liste von Institutionen, Psychologen und Sexualwissenschaftlern, die das Projekt mit kleinen Zuschüßen möglich gemacht haben, beeindruckt.

Till Passow berichtete über den Glücksfall, durch eine Bekannte, die in derselben Rheumaliga töpfert, Frau Hiller kennengelernt zu haben. Es hätte ansonsten keine Möglichkeit gegeben, da Frau Hiller, wie im Film gezeigt, sehr zurückgezogen, fast ausschließlich auf ihre Wohnung beschränkt lebt, und sich auch innerhalb des Hauses große Teile des Tages in den Keller zurückzieht.

Die Verschiebung des filmischen Fokus macht schon der Titel Mein Vater Frau Hiller deutlich. Durch die beklemmende familiäre Situation, die der Autor vorfand, wurde „die Tochter genauso wichtig wie Frau Hiller selbst“, die geplante Hauptperson. In Szenen wie dem gemeinsamen Kaffeetrinken von Vater/Frau Hiller und Tochter offenbarten sich Schwierigkeiten und Unstimmigkeiten, die nicht verbalisiert wurden. Die Berührung des Vaters war durch ihre Beiläufigkeit besonders präsent, ein „häufigeres oder offensichtliches Zeigen“ des Unwohlseins der Tochter, äußerte sich eine Stimme aus dem Publikum, wäre plakativ gewesen. Das schnelle Wegschieben, Überspielen und Weitergehen Passows/der Kamera nimmt die Art der Tochter durch den gesamten Film auf.

Einstimmig fand man die Thematik „unpeinlich dargestellt“. Dennoch wurde der Wunsch laut, das eigentliche Thema des Films, die Beziehung zwischen Frau Hiller und ihrer Tochter intensiver mitzuerleben. Ein Diskutant zeigte sich beeindruckt von dem Drama, das Passow hat zeigen können, das „Frivolität immer wieder abfangen konnte.“ Die technische Perfektion erschien einigen Diskussionsteilnehmern uninteressant. „Das Thema ist im ‚Homemoviematerial‘ in der ‚Homemovieästhetik‘ gut aufgehoben“.

Vorbereitung und Drehweise beschrieb Passow als gemeinsames Kaffeetrinken in sehr familiärer Atmosphäre, gefimt wurde, wenn die Situation sich ergab. Jutta Doberstein mutmaßte, daß die Filmemacher an einer Tasse Kaffee zuviel litten; der Film transportiere eine Enge in der ‚gemütlichen Stube‘, sei ein Familienfilm, ein Homemovie geworden. „Keiner bricht aus oder fällt aus der Rolle und dennoch gibt es unübersehbare Spitzen, z.B. als Frau Hillers Enkel nicht mehr zuhören kann und geht.“ Passow erklärte, er hätte über dieses nicht hinausgehen wollen, er „wollte nicht weiter einbrechen“.

Innerhalb des Publikums sieht man im Film einen ‚Generationenvertrag‘ eingelöst. „Etwas über das Klima der Gesellschaft, in der die Familie lebt, wird verständlich.“

Volker Heises Kompliment, wenn er „einem Freund, der Deutschland nicht kenne, etwas über deutsche Kleinbürgerlichkeit zeigen wolle“, werde er diesen Film zeigen, steht für die athmosphärische Dichte des Films, läßt jedoch einen kleinen Raum der Erinnerung, daß die gezeigte Umgehensweise der Familie dennoch eine außergewöhnliche ‚Toleranz‘ in der deutschen Gesellschaft darstellt.

Auch wenn Heise die Kontinuität der Glücksvorstellungen des deutschen Biedermeiers der drei Generationen in einem Haus als politisch empfand, hätten Teile des Publikums gerne mehr über die Umstände in den dreißiger und vierziger Jahren erfahren. Frau Hillers erstes ‚Coming Out‘ 1948 werde nur erwähnt, die Reaktionen seiner/ihrer Umwelt im Nationalsozialismus und der DDR wurden nicht thematisiert. Passow verwieß auf den für ihn zentralen Konflikt zwischen Vater und Tochter, der ihn mehr als andere Themenbereiche interessiert hätte. Er hätte die „vorgefundenen Widersprüchlichkeiten so stehen lassen“ wollen, und keinen längeren Recherche-Film machen wollen.

Bilder der nähenden Frau Hiller, um Stereotypen zu zeigen oder zu thematisieren sowie die in diesem Bereich häufig gesehenen, konventionellen Bilder „eines Transsexuellen beim Rasieren, beim Make-up-Auflegen, oder bei dem gemeinsamen Blick in den gemeinsamen Blick in den Kleiderschrank“, wurden innerhalb der Diskussion weder angesprochen noch kritisiert.

Vielleicht verloren diese kritischen Punkte auch ihre Gewicht angesichts des vom Autor gesetzten Focus auf die Beziehung zwischen Frau Hiller und Tochter. Eine Entscheidung, eine familiäre Situation erfahrbar zu machen, die fast paradigmatisch für eine gesellschaftliche Atmosphäre steht, und dem bewußten Auslassen der gesellschaftlichen Reaktionen außerhalb des Hauses Raum zum Entsetzen und eigenen Bildern gibt.