Film

Controlled Demolition
von Jörg Siepmann
DE 1997 | 30 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 22
1998

Diskussion
Podium: ?
Moderation: ?
Protokoll: Diana Ebster

Protokoll

Im Grunde konnte sich das Publikum hier nur einig sein, und so flogen in der Diskussion zu Controlled Demolition niemandem die Fetzen um die Ohren, noch drohte der Gegenstand in sich zu wackeln oder gar einzustürzen, sondern Siepmanns dokumentarisches Erstlingswerk erntete einstimmig respektvolles Lob. Dafür bedankte sich der Regisseur mit allerlei bunten Zusatzinformationen zum Projekt.

Was ursprünglich im Rahmen einer Förderung durch die Hans Böckler Stiftung und in Coproduktion mit der Kunsthochschule für Medien in Köln als Projekt zum Thema ‚Mensch und Arbeit am Ende des 20. Jahrhunderts‘ geplant ist und eher trocken klingen könnte, entwickelte sich in Siepmanns unmittelbarer Arbeit vor Ort, wie Georg Janett bemerkt, zur gelungenen Dokumentation, die in seltener Weise Humor und Ironie mit Ernsthaftigkeit verbinde und sich zudem durch eine Form konzentrierter Reduktion auszeichnet.

Der Weg führte Siepmann, auf der Suche nach dem gewünschten Titelhelden, der ein Sprengmeister sein sollte, mehr oder weniger aus Mangel an Exemplaren, von Deutschland nach Großbritannien, und so gibt es eine ganz pragmatische Antwort auf Volker Heises einleitende Frage, ob man nach England fahren müße um Typen, wie sie der Film nun zeigt, zu finden.

Was zunächst also scheinbar ganz banale Gründe hat, wächst sich zum Glücksfall aus, und da der gewünschte Sprengmeister die ersten Tage nicht zur Verfügung steht, drängt sich die skurile Situation vor Ort mit ihrem gegebenen Personal, auf das der Regisseur trifft, immer weiter in das Projekt. Die vom Lärm der Preßluftbohrer begleitete tatsächliche Demontage eines Hochhauses gerät dabei, wie Thomas Rothschild bemerkt, angenehm sparsam eingesetzt in den Hintergrund, ohne daß die Dramatik der sich nähernden Sprengung dadurch schwächer würde – im Gegenteil.

Und nicht nur die inhaltliche Dramatik der Sprengung, auch ihre Technik schien so verlockend, daß sich die Herren Rothschild und Siepmann im Rahmen der Diskussion in ein amüsant fachtechnisches Gespräch im Rangstreit zwischen Preßluftbohrer, Abrißbirne und Dynamit zu verstricken drohten.

Auch das knappe Format des Filmes stieß auf glückliche Übereinstimmung und bot in seiner eben mal 30-minütigen Fassung einmal mehr deutlichen Anlaß, sich über die nötige Länge oder Kürze eines Dokumentarfilmes zu unterhalten. Volker Heise führte dazu ein mit der Überlegung, daß eben Controlled Demolition ein gutes Beispiel dafür sei, daß man auch dieses Format sehr ernst nehmen könne und müsse. Dem folgte auch Werner Schweizers Lob der Dichte der Dokumentation, die trotz der schwierigeren kurzen Form, Komplexität andeute und gleichzeitig die Verdoppelung erfolgreich vermeide. In der Verweigerung der häufig für den Dokumentarfilm eingeforderten Pflichtübung eines umfassenden Blickes, liege die Qualität dieses Filmes, der sichtbar macht, daß er dadurch, daß er gerade eben nicht umfassend zeigen will auch die anderen Perspektiven als mögliche andeute.

Übrigens, auch das noch vom Künstler als Information zum Format: Controlled Demolition gibt es gleich in 3 Ausführungen, als 15-, 30- und 45-minütige Fassung, so daß sowohl die Bedürfnisse des Förderers als auch die eigenen zu befriedigen waren.

Natürlich bildet der Tag X, die Sprengung des Hochhauses, den dramatischen Fluchtpunkt der Dokumentation, auf den sich sowohl der Filmschnitt spannungsvoll hin entwickelt, wie auch die gesteigerte Emotionalität seiner Figuren. Siepmann selbst beschrieb die Entwicklung der Situation, den herannahenden Abriß, metaphorisch mit dem Bild einer vernichtenden Krake, die sich langsam über den Hügel schiebe, und dem entspricht der Film in seiner bildlichen Konfrontation von Parklandschaft und Hochhaus, von grünem Idyll und erwarteter Zerstörung, die mit der Detonation alles in ihrem dichten Steinnebel verhüllen wird. Ironie des Schicksals, daß trotz erhöhtem Materialeinsatz – von 2 Kameras an den vorhergehenden Drehtagen, auf 6 Kameras am Sprengungstag -, kein Bild des ursprünglichen Helden der Dokumentation, dem Sprengmeister Mick, existiert.

Dafür gerät aber die emotionale Spannung der beiden weiteren Hauptdarsteller Linda und Toni, die die Gegenperspektive liefern, immer stärker ins Bild. Während, so Werner Schweizer, Lindas wachsende Zweifel ob der Standfestigkeit ihres Häuschens, sich langsam auch auf den Betrachter übertragen, liefert der in die Jahre gekommene Elvis-Fan Toni das Motiv für die Schlußeinstellung des Filmes. Denn nach dem erlittenen und mitgeteilten Gefühlsdoppel aus Trauer und erotischer Spannung, mit dem er dem gewaltsamen Akt der Zerstörung entgegensieht, erkennt er schließlich als positiven Aspekt den Gewinn einer freieren Aussicht auf den Horizont. Ob ihm das soviel bringt, will Volker Heise allerdings bezweifeln, denn er ahnt in diesem Blick auf das Nichts den sozialkritischen Kommentar, die Kritik an der unproduktiven Destruktion, die nicht Leerraum für Neues schafft, sondern sich mit der Produktion von Löchern begnügt.

Toni wird das gelassen nehmen, denn er hat seine Glühbirne dabei.