Film

Balifilm
von Peter Mettler
CA 1997 | 28 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 21
14.11.1997

Diskussion
Podium: Peter Mettler
Moderation: Jutta Doberstein
Protokoll: Torsten Alisch

Protokoll

Die Tanzszenen

Das Boot

Restfilmmaterial im Kühlschrank

Die Schnecke

Der touristische Blick

Eine komplexe Struktur in Bild & Ton. Der Blick auf etwas ganz Fremdes wird durch die Kamera bestimmt. Dem Film haftet etwas sehr Fragmentarisches an. Das Instabile und das Unkontrollierte.

Die Tanzszenen:

Wenn man Bewegungen bis ins Detail erkennt oder filmt, erkennt man dann mehr? Erkennt man dann Realität? Beim Dasein in Bali ein Gefühl für die gesamte Kultur gehabt, ein Ineinanderfließen von Musik, Sozial-Bild und Natur. Eine percussion in Musik & in Bildern. Die Tänze als Ausdruck von Kult & Religion in Bali, aber muß man ein Bewußtsein davon haben?

Der Film wurde mit überlagertem Restmaterial gedreht. Im Kühlschrank gefunden. Gucken, was damit passiert. Tagebuchartig. Es gab (noch) keinen Auftrag. Privat. Wäre der Druck da gewesen, einen Film machen zu müssen, hätte Mettler recherchiert. So hat er versucht, mit der Kamera zu verstehen, aber es ist kompliziert: Jeder sagt etwas anderes über die Bedeutung (von Dingen & Tänzen). Ball als intellektuelle Baustelle.

Später kam jemand in Toronto und wollte einen Film zur Musik haben. Die Bilder ganz grob geschnitten zur Musik des Evergreen Club Gamelan Ensembles. Eine Kassette lief im Schneideraum. Später erst wurde der Film live vertont.

Die Bilder sind eine einzige Improvisation, die die Tänze wiedergeben. Die Musik hängt rituell mit dem Land zusammen. Haben die Tänzer bei den Dreharbeiten zu moderner oder traditionalistischer Musik getanzt? Was ist der Unterschied? Balinesische Musik erfuhr in den 20er Jahren durch einen deutschen Russen eine Wiedergeburt, die Balinesen haben diese Musik integriert. Was ist traditionell?

Ein Zuschauer kann eine kurze Frage nicht klar formulieren, sagt er. Die Moderatorin übersetzt minutenlang flüsternd ins Englische. Niemand versteht etwas, aber auch niemand beschwert sich. Peter Mettler sagt: „JA“. Alle staunen.

Die Schnecke:

Wenn man das große Fremde verläßt und in die Details guckt, beginnt das Assoziieren.

Unterscheidet sich Mettlers Blick vom Blick der Touristen vielleicht nur durch das Material? Auch hier ein „JA“ Eine Pause. „Ich habe einfach geschaut, durch die Kamera. Das bin ICH in dieser Kultur.“ Dies ist überhaupt keine touristische Art der filmischen Aneignung. Es ist keine Erzählung, und es ist auch kein Habenwollen im Film. Die Mittel fangen an zu tanzen. Eine Art Anverwandlung, eine lyrische Aneignung. Der Film hat etwas Ekstatisches. Daß man sich so gehen läßt, ist im Dokumentarfilm eigentlich verpönt. Peter Mettler als Fremder in balinesischer Kultur, und das Bild einer Balinesin im Film, die Touristen anschaut. Etwas Österreichisches ärgert sich „waahnsinnich“: „Touristische Bilder … Bilder der Werbung … Was soll mir hier erklärt werden?“ In jeder Einstellung in diesem Film bin ICH der Tourist (Peter Mettler).

Die Topographie gerät durch die Farben ins Wanken. Der moralische Gestus so vieler anderer Filme in Duisburg unterbleibt hier. Aber warum erst zu so später Stunde?

Das Boot:

Das Boot ist kein Boot. Das Boot ist Weiß & Blau. Das Boot ist Schatten & Licht. Das Boot ist für manche aber ein Problem. Das Boot ist auch Kitsch. Und das Boot hat die Tür aufgemacht (in eine andere Dimension?).

Der Anfang des Films: Ein fast heiliger Moment. Wie kann man Fremdheit in die Montage einfließen lassen? Eine Art von Kosmos der Konnotationen des Fremdartigen. Zyklische Prinzipien von Ordnung. Keinen Essay-Film drehen, keine Hypothese an den Anfang stellen. Die strenge Ordnung der Reisfelder hat eine abstrakte Struktur. Und Bindfaden aus Regen stehen vor der Landschaft. Der Tourist fängt als Tourist an. Von klaren westlichen Sehgewohnheiten wird ausgegangen. Dann verschiebt sich der Blick, dann verschwimmt der Blick, aber er verliert sich nie in irgendeiner Extase, es ist immer noch der Blick auf das Verschwommene. Ein schon fast klassischer Einstieg in eine Thematik, die sich dann in etwas anderes verwandelt.

Werner Ruzicka: Es gibt viele schöne Sachen im Film. Da will ich nicht drüber reden. Als Geheimnis behalten. Eine wache Trance, in der man selbst illuminiert wird.