Film

Reise nach Mostar
von Klaus Wildenhahn
DE 1995 | 98 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 19
09.11.1995

Diskussion
Podium: Klaus Wildenhahn, Inge Bohmann (Schnitt), Frank Groth (Kamera)
Moderation: Stefan Reinecke
Protokoll: Lars Henrik Gass

Protokoll

Die Diskussion gilt beiden Filmen von Klaus Wildenhahn – der „Dritten Brücke“ und der „Reise nach Mostar“. Moderotor Stefan Reinecke, vor diese Aufgabe gestellt, wirft daher die Seile des Vergleichs aus und widerspricht Wildenhahns Selbstbekenntnis, die „Dritte Brücke“ sei ein “ ilm ohne Anfang“; denn hier sei die narrative Verklammerung doch eindeutig; ober wie es denn zu zwei Filmen komme, will er auch noch wissen. Wildenhohn beruft sich bescheiden auf „zufällige“, ja „pragmatische Entscheidungen“ hinsichtlich des ursprünglichen Auftrags des NDR, einen Film über Hans Koschnick in Mostor zu machen. Mon habe also die Entscheidung gewissermaßen vor Ort und am Material getroffen. So stehe im „ersten“ Film (fortan für: die „Dritte Brücke“) noch das Ereignis des Attentats sehr im Zentrum, während der „zweite“ Film (fortan für: Die „Reise nach Mostor“) dem Rhythmus von „Kalenderblättern“ folge und eine Gleichwertigkeit seines Materials herstelle, das dem Zuschauer eine Freiheit zum Abdriften (zur langweile) und zur Konzentration erlaube (Vorschreibe). Dies also ein Film über die Problematik der Berichterstattung im vorhergehenden Film, eine Reflexion über die eigene Situation. Die Cutterin Inge Bohmann ergänzt, es handele sich im zweiten Fall vielmehr um eine „Novelle“. Außerdem sei die zweifache Verwendung des Materials eine für olle Beteiligten (der Sendeanstalt NDR) neue Erfahrung.

Reinecke, dem die Darstellung der Arbeit und des politischen Alltags im Film gefallen hat, zeigt sich besorgt, ob Wildenhahn sein Objekt, das ihm als Typus aus früheren Filmen Wildenhahns bekannt vorkomme (dem Film über Brandenburg vor ollem), nicht zu herorisieren drohe. Wildenhahn beschwichtigt, nö, er habe zunächst einmal Kaschnick nicht „zu Tode recherchiert“, sondern vielmehr die Dinge auf sich zukommen lassen, womiter-voll des „formalen Ehrgeizes“ – schließlich die Möglichkeiten eines Cinemo Verite habe demonstrieren wollen. Er habe ein stets großes Interesse für die Ausdauer politischer Arbeit und einen bestimmten Typus der Sorte „Sozi-Funktionäre“ gehegt, ein Interesse, das er als „Östhetischen Ehrgeiz“ bezeichne im Umgang mit diesen Leuten im C&A-Anzug, die er, ohne ihnen „auf die Pelle zu rücken“, in Schutz nehme gewissermaßen und die seinen linken Freunden, er wisse es, mißfallen. So enTstünden dann auch die für ihn- wie alle wissen- so bedeutsamen „Pausen“ in seinen Filmen, in die man- Beispiel Pressekonferenz nach dem Attentat- schon „etwas hineinlesen“ könne.

Dietrich Leder meldet sich mit lob zu Wort, Wildenhahn nehme Koschnick in seiner ganzen Inszenierung von Professionalität ernst, doch habe er auch ein Problem mit dem „ersten“ Film, den er in seinem „elliptischen“ Charakter – gegenüber dem „zweiten“, mehr geradlinigen Film- widersprüchlich finde, wenn er die Arbeitsweise Wildenhahns betrachte. So fehlten im „ersten“ gerade jene ausführlichen Gespräche wie mit den Polizisten im „zweiten“. Guter Rot aus dem Publikum empfiehlt sogleich, die Abfolge der Filme zu ändern: der „zweite“ zuerst, der „erste“ als zweites. Wildenhahn, sichtlich erleichtert, begrüßt diese Anregung. Er habe, und das müsse er jetzt auch noch sogen, keinen Film über den Bosnien-Konflikt, sondern einen Film über die Konflikte der Bosnien-Helfer machen wollen. Und er wisse, daß die positive Besetzung der Uniformierten im Film seinen linken Freunden ebenfalls Schwierigkeiten mache. Ja genau, das sei eben auch ein Film über Wildenhohn, ergänzt Werner Schweizer, ein Film über die Ratlosigkeit und Hilfslosigkeit des Berichtens.

Wildenhahn, der die erneute Durchsicht des gedrehten Materials als sehr mühsam empfand, sagt, er habe sich so etwas, das er gor nicht mal „selbstreflexiv“ nennen würde, da schließlich alles irgendwie „subjektiv“ sei, erst am Ende seiner Zeit beim NDR einmal erlaubt, weil das sehr schnell manieriert zum Schnickschnack werden könne. Darüber entspinnt sich eine langwierige Meinungsfindung des Auditoriums zur Frage, ob der „erste“ dem „zweiten“ vorzuziehen sei oder nicht doch umgekehrt usw. Dem Kameramann zumindest hat der „erste“ besser gefallen, Wildenhahn der „zweite“. Reinecke interveniert mit Sachlicherem: Die Qualität des Films sei, Politik als und in seiner Arbeit zu zeigen. Und er schiebt die Frage noch- ahnungslos, was er damit heraufbeschwört- ob die Arbeit mit Video gegenüber 16mm sehr stark abweiche. Wildenhahn schwärmt von den neuesten Technologien- von denen er freilich nichts verstehe -, kassiert nebenbei noch einen Locher für seinen Umgang mit den „Platten“ des Avid-Schneidesystems und warnt vor einem „Surrealismus des Warenhauskatalogs“, der mit solcher Technik sich verselbständige. Des Abwägens noch nicht überdrüssig, beurteilt ein- offensichtlich fachkundiger- Zuschauer die Kameraarbeit des „ersten“ Films als „Zu sauber“; da sei kein Platz für das Nebensächliche mehr. Die Cutterin bleibt unerhört mit ihrem Hinweis auf den völlig verschiedenartigen Rhythmus der Filme. Wildenhohn äußert grundsätzlich, er wolle dem Kornermann „nicht in die Einstellung reinquatschen“. Und im übrigen seien die Dokumentar-Kameraleute hoffnungslos unterschätzt in ihrer Sensibilität. Es mache aber vor allem keinen Sinn sensationsgeil „reinzupowern“ in die Szene; die Kiste (das Fernsehen) sei eh voll von Spektakulärem; da komme es eben in der Tat auf die Nebensächlichkeiten der Orte und Geschehen an. Finales Crescendo allgemeiner Affirmation.