Film

Pachamama – Unsere Erde
von Peter Nestler
DE 1995 | 90 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 19
11.11.1995

Diskussion
Podium: Peter Nestler, Michael Busch (Ton), Rainer Komers (Kamera)
Moderation: Stefan Reinecke, Werner Ružička
Protokoll: Lars Henrik Gass

Protokoll

Den Film selbst als einen Panoramaschwenk zu verstehen, schlägt Stefan Reinecke vor. Auffällig an der Montage sei vor allem der Wechsel zwischen realer Arbeit und alter Kultur. Peter Nestler sagt, das habe er einfach so empfunden und könne es nicht weiter erklären; er sei aber – und das wolle er vorab mal sagen – ganz schön sauer über die miese Projektion und Tonqualität Nach Beteuerungen zur Besserung seitens des Festivalleiters spricht Themas Rothschild uneingeschränktes Lob für den „universalistischen Blick“ des Films aus; es handele sich da nicht um den gewöhnlichen partikularen Blick auf die Wirklichkeit; es werden Zusammenhänge sichtbar. Das alles erscheine ihm auf eine sehr angenehme Weise altmodisch, wie etwa die Ungleichzeitigkeiten von Technologien gezeigt sind, oder daß die Menschen nicht beim Reden und Musizieren unterbrochen werden. Altmodisch sei auch der Programmplatz der Matinee, den er, Werner Ruzicka, für den Film vorgesehen habe, weil dieser ihn so sehr an jene früheren Fernseh-Matineen mit den „Straßen der Welt“ erinnere, in dem Gestus der Reise, dem hoch und runter. Altmodisch sei zudem, von einem Film noch behaupten zu können, man habe von ihm etwas gelernt.

Ludwig Metzger will als Freund auch etwas gegen den Film einwenden, obwohl er die Vorredner unterstütze. Der Blick gelange in die Tiefe der musikalischen Kultur und den Bruch in dieser Kultur gor nicht hinein. Die gespielte Musik entspreche nur dem Phänomen der Folklore. Ausgespart bleibe hier, wenn er einmal die Sequenz mit den Banken davon ausnehme, eine neue, moderne Realität der Großstädte. Da sei was dran hinsichtlich der Musik, gibt Nestler zu. Ruzicka findet den Film jetzt nicht nur altmodisch, sondern auch „pessimistisch“, weil er ein Stück Archivarbeit vornehme. Nestler ist gar nicht einverstanden, denn diese Arbeit habe für ihn Freude bedeutet. Reinecke findet den Film sogar optimistisch, ja utopisch, besonders in der Sequenz des Kanalbaus. Zwei weitere Beiträge bestätigen diesen Eindruck, der Film stelle immerhin auch die Frage der Perspektive seines Befundes.

Rothschild hält den Film für „ungeheuer reichhaltig“, weil das oben und unten nicht nur im geographischen, sondern auch im sozialen Sinne zu verstehen sei. Der Film beginne bei den Armen, oben in der der Stadt, und bewege sich runter zu den Reichen. Im übrigen erlaube der Film auch, den eigenen Eurozentrismus zu bedenken. Nestler beantwortet Rothschilds Frage nach den Venus-Figuren, die nicht aus der Inka-Zeit stammen und nur einfachheitshalber mit der Venus in Verbindung gebracht werden. Ruzicka fühlt sich mißverstanden und erinnert an Cocteaus Wort, Filmen bedeute, dem Tod bei der Arbeit zuzusehen. Der Film entwickle eine Idee davon, daß man selbst einmal eine Schicht sein wird, die ausgegraben werden muß.

Ruzicka will von Rainer Korners wissen – der Nestler sagt ja eh nix –, wie die Kameraarbeit vor sich gegangen sei. Korners sagt, Nestler, der früher immer die Kamera selbst gemacht hat, habe das Stativ immer schon aufgestellt gehabt, bevor er selbst hinkam. In 95 Prozent der Fälle hätte er diesen Platz auch gewählt, wenn Nestler ihm nicht bereits zuvorgekommen wäre. Ruzicka spricht von der bemerkenswerten Tonarbeit Michael Buschs- damit der sich nicht mehr über den beschissenen Ton im Saal ärgert-; diese wolle er mit einem „akustischen Zoom“ vergleichen. Busch erklärt geduldig seine Arbeit des Mitschwenkens und Mitlaufens, um eine Variabilität des Tons zu erreichen. Ruzicka glaubt sogar, einen „Grundton der Ruhe“ und „saubere Geräusche“ vernommen zu haben.

Ein Zuschauer stellt in diesem Film ein „verzweifeltes Bemühen“ fest, „dieses Land so aufzunehmen, daß jedem seine Würde gelassen wird“. Das entspreche nicht dem Klischee von der heilen Welt, wenn es auch sehr melancholisch sei. Eine Zuschauerin bemerkt, daß im Film die Leute niemals ins Plaudern kommen beim Sprechen. Reinald Schnell geht dann gleich noch weiter und sieht darin die humanistische Qualität. Die Sprache des Films sei der Mensch in seinen Verhaltensweisen. Ruzicka überlegt (es ist noch früh am Tage und die Zeit ist rum), wie man zum Schluß kommen könne und gräbt dafür die Bezeichnung „ein wunderschöner Kulturfilm“ aus; man geht freiwillig.