Film

Golda & Roza
von Katja Pratschke
DE/HU 1995 | 50 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 19
10.11.1995

Diskussion
Podium: Katja Pratschke, Kathrin Brinkmann (Redakteurin bei ZDF/ARTE), Sabine Bubeck (Redakteurin bei ZDF/ARTE)
Moderation: Elke Müller
Protokoll: Dietrich Leder

Protokoll

Als die Diskussion um 1.10 Uhr von Elke Müller eröffnet wurde, herrschte unter den anwesenden Zuschauern, von denen knapp die Hälfte aus dienstlichen Gründen präsent war, eine aufgeräumte Stimmung. Sie sollte in den nachfolgenden 52 Minuten nicht verfliegen. Es schien, als klänge der heitere Grundton des Filmes, der von einer geglückten Familienzusammenführung erzählt, im Gespräch noch. Und selbst die Rhetorik des Nachtgespräches sollte vom Thema des Filmes bestimmt sein, da über den aus beruflichen Gründen abwesenden wie entschuldigten Filmregisseur Gusztav Homos so geredet wurde, als säße er gleichsam mit am Tisch. So war stets von ‚Gusztav‘ die Rede, wenn vom Verantwortlichen des Filmes die Rede war- selbst von jenen, die Homos eingestandener Maßen nicht kannten.

Vollends kehrte Familienstimmung ein, als die Moderatorin eingestand, sie habe einst in ihrer Funktion als Redakteurin des Kleinen Fernsehspiels (ZDF) das von ‚Gusztav‘ eingereichte Konzept an die beiden ebenfalls auf dem Podium sitzenden ZDF I ARTE-Redakteurinnen unter wohlwollender Befürwortung weitergegeben. Katja Pratschke berichtete auf Bitten der Moderatorin von der Entwicklung des Projektes: ‚Gusztav‘ habe als er von den Reiseplänen seiner Großmutter gehört habe, beschlossen, sie mit der Kamera in die USA zu begleiten. Eine Filmidee stand noch nicht dahinter. Vom Presse- und Fernsehrummel bei der Landung in Los Angeles sei er wie seine Oma Goldo gleichermaßen vollkommen überrascht worden. In den nachfolgenden Togen habe er immer mal wieder die Annäherung und Mikrophon beobachtet. Gleichzeitig habe er die Neugier der Massenmedien dokumentiert, die sich mit Verve auf die Herz-Schmerz-Geschichte der beiden Schwestern gestürzt hätten. Noch Hause zurück-gekehrt habe er das Projekt erst dem Kleinen Fernsehspiel angeboten, das es an die ZDF /ARTE-Redaktion (s. o.) weitergereicht habe, die es für einen (mittlerweile ausgestrahlten) ARTE-Themenabend ‚Familienbilder‘ habe realisieren wollen.

Bei der Montage seien zu der Chronologie der Begegnung zwei weitere Strukturmomente hinzugetreten: zum einen die Präsenz und Neugier der Massenmedien, die die Geschichte der Schwestern auf eine grobe Schlagzeile (Durch Holocaust getrennt) reduziert hätten, zum anderen die reale und ungleich kompliziertere Allgemeingeschichte, wie sie die Schwestern aus ihrer unterschiedlichen Perspektive wahrgenommen haben. Diskussionsteilnehmer lobten den Film und priesen seine Mischung aus Versöhnung, die märchenhaft anmute, und Verstörung, die aus der sieht- und hörbaren Unfähigkeit der Schwestern, sich einander verständlich zu machen, erwachse. Schön sei auch, daß eine Reihe von Geheimnissen bestehen blieben, also die Geschichte der beiden nicht vollends und en detail erzählt würde.

Ein weiterer Diskussionsteilnehmer lobte besonders den ‚hervorragenden‘ Schnitt (die Cutterin oder den Cutter würde ich sofort engagieren), um dann die Problematik der unterschiedlichen Biographien anzusprechen: Während Roza durch die frühe Trennung von der Familie enormes Glück in ihrem leben erfahren konnte, das in das Hollywood-ldyll einer sympathischen Groß-Familie mündete, in deren Mittelpunkt der Film sie zeige, habe ihre Schwester Golda ‚auf der falschen Seite der Geschichte gestanden‘, habe Verfolgung und Unterdrückung überstehen müssen und lebe allein (die Mitarbeiterin präzisierte: ‚mit einem ihrer Söhne‘) in Osteuropa. Angemerkt wurde, daß die Schwestern nicht nur Opfer der Massenmedien seien, sondern (Roza mehr als Golda) ihrerseits mit den Medienapparaten spielten, indem sie den Journalisten (Roza) und dem Film gegenüber (Goldo) ihre Anekdoten als authentische Geschichte vermittelten.

Kritisiert wurde stellenweise die süffige Eleganz, mit der ‚Gusztov‘ die Allgemeingeschichte zu einem eleganten Bilder-Potpurri habe zusammenschnurren lassen. Mitunter seien die Übergänge zur Individualgeschichte der Schwestern subtil und feinsinnig, an anderen Stellen allerdings eher plump und nur ungelenk behauptet. Gegen diese (eher vorsichtige) Kritik wurden Gegenstimmen laut, noch ehe sie sich entfalten konnte. Der Film sei doch alles andere als hermetisch, im Gegenteil: er sei durch eine enorme Offenheit der Form gekennzeichnet, so werde die Geschichte der Schwestern mehrfach in Varianten wiederholt, die dem Zuschauer eine eigene Leseart (einer rief dazwischen: ‚Sind sie wirklich Schwestern?‘) erlaube. ein anderer gestand großzügig ein, daß der Film bei seinem Versuch, Individual- und Allgemeingeschichte zu parallelisieren, durchaus eine Gratwanderung unternommen habe, nehme man den Film, als das, was er sei- ein Feuilleton-, dann sei ihm die gelungen.

Mit einer Gesangseinlage beendete der Leiter der Filmwoche, der zuvor noch oberlehrerhaft den ‚launigen Ton‘ der Diskussion moniert und präzise Argumentation eingeklagt hatte, um 2.02 Uhr das Gespräch und lud zu einem Nachttrunk – auf ‚Gusztav‘ vermutlich – ein