Film

3 zu 4, 7 zu 8, es wird ein kleiner Schritt gemacht
von Herbert Fell
DE 1995 | 45 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 19
10.11.1995

Diskussion
Podium: Herbert Fell
Moderation: Werner Ružička
Protokoll: Christian Steinhauer

Protokoll

„Wo ist der Florian? Hier ist der Florian! / Wo ist die Mechthild? Hier ist die Mechthild!“

Musizierende Kinder am frühen Morgen sind nicht jedermanns Geschmack, doch vielleicht hatte diese Morgenstund Gold im Mund (auch wenn Vögel, die morgens fröhlich singen, am Abend vom Kater gefressen werden).

3 zu 4, 7 zu 8, es wurde ein schöner Film gemocht, so befand das Podi-Auditorium im Gleichklang über Herbert Fells Variationen- eine kontroverse Diskussion stand also nicht zu befürchten. In den 20 Minuten des konzertierten Nochsinnans ging man kurz auf Motivation, Schnitt-Technik, einzelne Szenen des Films ein- eine Auseinandersetzung über Kommunismus , kurz erwogen, fand dann doch nicht statt. Herbert Fell, nach eigenen Aussogen selbst nicht sonderlich musikalisch , hatte früher einen Film über alte Menschen gedreht und wollte nun etwas über Kinder und Musik machen- inspiriert durch H. Jennings „Listen to Britain“.

Zunächst ohne Kamera recherchierte Fell in München, suchte noch Spuren musizierender Kinder und wurde an den unterschiedlichsten Orten fündig. Dabei ist dem Flaneur Fell eine Art unzusammenhängendes Sammelsurium gelungen, wobei sich viele Szenen erst beim Drehen ergaben. Der Film wirke wie ein Raster, das alle Facetten des Themas Kind/Musik ohne „Niedlichkeitsfalle“ abzudecken versuche, befand Werner Ruzicka. 3 zu 4, 7 zu 8 gebe gleich zu Beginn das Rötsei auf: Was will der Film eigentlich? und lege damit den Zuschauer nicht auf erwartbare Vorstellungen fest, wecke Neugier beim Zuschauer. Ruzicka gestand, er möge den Alltag verrätselnde Filme und lehne solche ob, die gleich mit (musik-)pädagogischer Justierung des Themas oder antikommerziellem Gestus daherkommen- das brachte Zustimmung von allen Seiten.

Lob fand die nonchalante Kameraführung: diese wirke, als ob die gefilmten Kinder die Anwesenheit der Kamera nicht bemerkt hätten oder schon seit Wochen daran gewöhnt worden waren. Fell führte das auch auf die benutzte Hi-8 zurück, die einfach gucke, was passiere und fast alles selbst mache. Trotz soviel charmanter Bescheidenheit wurde dann die zweite Kameraeinstellung der Unterrichtsszene als unnötig kritisiert. Diese Szene gefiel besonders gut, weil die Darstellung des Mädchens in der vormodernen Unterrichtung ihrer Stofftiere einen deutlichen Kontrast biete zu ihrem devoten Verhalten im Oboen-Unterricht. Schön auch die Sequenzen des angehenden Musikprofessors Johannes (Alter: ca 1 0), der ohne Druck aus der Erwachsenenwelt unheimliche Vorträge über das Leben romantischer Komponisten hält. Der Wechsel von Musikszenen und Textvortrag sei denn auch die einzige bewußte Strukturierung des Films, so Fell: eine Mischung/Parallelisierung musikalischer und filmischer Struktur sei nicht seine Absicht gewesen.

Nur an zwei Stellen wird der Eindruck der Nicht-Reflexivität der Filmsituation durchbrechen: Die Oboenbläserin wischt während der Stofftierunterrichtung eine Kamera von der Tafel, und zum Schluß, den Ruzicka „doppelt genial“ nennt, blickt ein besonders kleines Kleinkind während eines Konzerts der Kleinkindgruppe „Siim-Line“ auffallend ernst und ertappt in die Kamera.

Der Applaus der „Siim-Line“-Kinder-Fons reichte in den Abspann des Films, setzte sich zwangsweise im Publikum der Duisburger Filmwoche an diesem Freitagmorgen fort und fand seinen Nachklang in einer musikalisch-heiter gestimmten Diskussion. Alle Fragen, auch die nach dem Aufenthaltsort von Florion und Mechthild, konnten geklärt werden.