Protokoll
Übermütig spielt Wybomys Film in Untertitel auf Goethes Autobiographie an. Die Welt als Jahrmarkt, wo man sich erlebnisdurstig von einem Ereignis zum nächsten drängt, so werden hier Goethes stürmische Jugendbeschreibungen gelesen: vor allem die Sexgeschichten. Bei Wybomy eine Dame namens Luise, die, glaubt man an die Wahrheit des Filmgedichts, sich gerne auf Pyramiden ficken läßt. Während sich der Autorficker auch für die schrägen Linien interessiert, sagt er, und die findet man nicht‘ bei Frauen, sondern bei Pyramiden. Da kippt mit der Kamera der Horizont. Und darum macht man Filme. Schönes Spielzeug Kamera. Mon kann von Kunstlicht auf Tageslicht umschalten und durch den Rotfilter rot sehen.
Und dann gab es noch Norma und Patricia, in Barcelona oder Rimini.
Fremde Städte, Frauen, Sex.
Ich, Ach, Ich.
Jedenfalls immer wieder zum Meer, und sei es auch nur der Hamburger Hafen, wo zwei Jünglinge Philosophie parodieren.
Am Mittelmeer verrenkt sich später eine nackte Blondine. Ist es Aphrodite? Oder eine Hysterika, die kunstvoll ihren Bogen vorführt? Ist ja auch egal.
Die sexuellen Akrobatiken klangen jedenfalls so glaubwürdig, daß der Abspann mit den vielen Frauennamen als erotisches Notizbuch gelesen worden ist.
Wieviele waren es nun in den letzten dreizehn Jahren?
Die Frauen röchen sich mit häßlichem Ausfluß und einige finden es dann wieder geil sich mit Tripper ficken zu lassen. So ist die Welt, die auch manchmal erschüttert wird, was man sehen kann, wenn die Metaphernreihen hemmungslos vorangetrieben werden. Vielleicht ist der rote Baum der Blutkreislauf oder wie ein Rhizom, irgendwie filigran und irgendwie anders als der Rest des Kosmos.
Bäume, Wasser, Luft.
Ach, Ich, Ach.
Ein gutgemeinter Rat des Regisseurs: Traue keinem Film.
Waren es denn nun tatsächlich Flamingos in Afrika, oder nur roteingefärbte Störche? Wybomy schwört, da gibt es Flamingos in Afrika, glaubt mir, auch wenn ihr Störche seht. Und wo standen die Bäume? Gibt es die auch wirklich? Ja, im Hamburger Stadtpark.
Mit dem Autorenaugenzeugen bleibt der „Dokumentarfilm“ bei der Wahrheit, auch wenn das Bild nicht mehr als Garant funktioniert.
Es bleibt der Autor, seine Elegie, sein Sex, sein Humor. Wer den teilt hat Glück. Oder kriegt einen hoch, wie ein Zuschauer munter beteuerte.
Eine fühlte sich an ihren letzten Campingurlaub erinnert, wenn sie aus dem Zelt zum Himmel starrte um den Wasserkanister zu suchen, der da irgendwo zwischen den Bäumen hing.
Meine Nachbarin im Kino wußte es schon nach fünf Minuten: Diesen Film findet man entweder beschissen oder toll. Sie nahm ihr Bier und ging.
Gibt‘ s noch mehr zu sagen?
Die Frage noch dem Ursprung bleibt noch übrig, die sich mit der Autobiographie stellt. Am Anfang waren hier weder Wort noch: Bild, sondern die Mutter. Und wann wird ein Mann ein Mann? Wenn er sie verläßt. Die Mutter sagte dem Jungen immer, die Erinnerung sei die einzige Hölle, der man nicht entkommt. Stimmt nicht, kann der Mann jetzt sagen, hat er mit seinen Bildern ‚rausgefunden. Denn was bleibt, sind verlassene Orte, die kein Gedächtnis mehr sein können. Nur Steine, licht, Ruinen.
Ist das ein Glück?
Die nächste Filmreise Wybomys geht nicht zu den Pyramiden, sondern ins antike Rom. Man sagt, der Diktator Sulla hätte um 80 vor Christus den Beton erfunden.
Kann man auf Beton gut ficken?