Film

Asmara
von Paolo Poloni
CH/DE 1993 | 80 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 17
10.11.1993

Diskussion
Podium: Paolo Poloni
Moderation: Didi Danquart, Klaus Kreimeier
Protokoll: Lothar Leininger

Protokoll

Asmoro sei nicht ein Film über die Suche nach den eigenen Spuren, sondern der Film sei die Suche nach den eigenen Spuren: dieser von Klaus Kreimeier eingangs aus dem Programmheft zitierte Satz war neben einigen moralischen Exkursen der Punkt, um den die Diskussion rondohaft kreiste; dieses Wort benutzte jemand, um den von Paolo Poloni auch eingestandenen fragmentarischen Stil des Filmes zu beschreiben, der sich auch in den Fünf Schlüssen des Films spiegele, von denen Poloni nur drei zugab. Ein anderer Drehpunkt war der letzendlich nicht in die Endfassung des Films übernommene Schlußsatz, er (Poloni) habe im Laufe der Dreharbeiten den Vater kennengelernt, den er gekannt habe.

Daraus ergab sich die Frage, wieviel (auch im Hinblick auf die Beantragung der Mittel für einen solchen Film) vom Regisseur programmiert, wieviel bei dieser Suche erst entdeckt worden sei. Dabei zerfiel für Martin Schaub der Film eher in diese beiden Pole (einerseits pe.orativ als bloße Absolvierung eines Programms und andererseits enthusiastisch a s Geschenk charakterisiert); Poolo Poloni bestätigte, er habe natürlich gewisse Drehorte im Kopf gehabt, ohne genau zu wissen, was der Vater dort sagen würde. Didi Donquart dagegen sprach von einem Spannungsverhältnis, welches sich während der Reise entwickle, und von einer Dynamik im Verhältnis von Vater und Sohn.

Das Unbehagen Werner Ruzickos gegenüber dem Unbehagen des Vaters vor der Kamera versuchte der Sohn auf dem Podium zu zerstreuen: Er habe seinem Vater mit diesem Film einen großen Dienst erwiesen, ihre Beziehung sei glücklicher und besser geworden durch die Dreharbeiten, auch wenn er den Vater manchmai ein bißchen gepusht habe, sei es ein deal des give and take gewesen. Vielleicht sei es ein Problem des Films, daß diese insgesamt geglückte Begegnung jetzt mitunter mühsam und verknarzt erscheine -zugegebenermaßen sei die Mutter nicht einverstanden gewesen. Anderen, ähnlichen Vorwürfen, persönliche Grenzen nicht respektiert zu haben, hielt Poloni die wiederholten – und nach seiner Einschätzung vielleicht im Gegenteil zu häufigen – Stellen im Kommentar entgegen, in denen er dieses Verhältnis reflektiere. Zweimal betonte er, er halte den persönlichen Stil nicht für die einzig mögliche Art, Filme zu machen; bei einem solchen Versuch, sich eine Biographie zu konstruieren, läge dieser Ansatz jedoch nahe.

Polanis These, Biographien seien nicht nur bei Angehörigen von Einwanderern der „zweiten Generation“ notwendig konstruiert, wurde von einem Gast umVergleiche mit Fellini und Ivens erweitert, worauf sich Klaus Kreimeier Freute, einen Filmemacher der Duisburger Filmwoche im gleichen Atemzug mit solchen Zelebritäten genannt zu finden. Seine Einschränkung, im Film könne das, was bei Literatur gang und gäbe sei, leicht megaloman erscheinen, erläuterte Poloni dann, er halte es auch für bescheiden, nichts anderes als die eigene Geschichte zu erzählen; mit der Abstraktion in der Bildmontage und der Beauftragung eines Schauspielers, den Kommentar zu lesen, habe er eine gewisse Verdichtung schaffen wollen. Die von Klaus Kreimeier angeregte Frage, ob sich diese Bescheidenheit auch in der Bestzung des Kommentars mit Bruno Ganz fortsetze, wurde dann nicht erörtert.

Auf Nachfrage bekräftigte Poloni, sein Vater habe die Existenz seines Halbbruders wirklich erst während der Dreharbeiten zugegeben. Der Unterstellung, daß er eine größere (historische) Schuld seines Vaters habe entdecken wollen und enttäuscht gewesen sei, lediglich auf einen (im doppelten Sinne) verschwiegenen Bruder gestoßen zu sein, stand die Wahrnehmung des Bildes der aufgehängten Afrikaner als beunruhigende Chiffre gegenüber.

Die Bilder vom gerade vergangenen Befreiungskrieg in Eritrea, so Poloni, sollten auch nicht die Sicht auf die Rolle Italiens als Kolonialmacht und Aggressor gegenüber Abessinien verdecken. Er habe im Gegenteil während der Reise sein ursprünglich rein geschichtlich/privates Interesse an Eritrea revidieren müssen. Es sei ihm auch Videomaterial von Kriegsszenen übergeben worden. Das Material habe dann aber in Europa nicht den ersten starken Eindruck behalten, sondern sei ihm unter den Fingern in anonyme Kriegsbilder zerbröselt.