Film

Winternachtstraum
von Andres Veiel
DE 1992 | 81 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 16
1992

Diskussion
Podium: Andres Veiel, Hans Rombach (Kamera), Bernd Euscher (Schnitt)
Moderation: Didi Danquart, Gerd Kroske
Protokoll: Judith Klinger

Protokoll

Motto der Diskussion: schön, schön, schön… mal die Tränen kommen spüren und dann wieder lachen… (eine Zuschauerin)

Inka Köhler–Rechnitz, „Diva“, Zentrum des Films, diese „Darstellerin einer Darstellerin“, deren Ausstrahlung allseits Resonanz gefunden hat, beherrscht das Gespräch, obschon abwesend.

Um das Verhältnis des Regisseurs zu seiner Hauptdarstellerin, des Dokumentaristen zum Objekt seines Interesses geht es, und damit auch um das Verhältnis von Inszenierung und Dokumentation. In einem Satz Veiels fällt beides zusammen: „Inka ist am meisten Inka, wenn sie spielt“ Mit der Frage nach der Differenz – „was spielt sie, was ist sie ?“ – benennt der Regisseur das Thema seines Films, begründet damit auch die gewählte Methode, stellenweise erlebte Situationen. nachzuinszenieren. Verpasste Momente (Kummer aller Dokumentaristen) können so noch Eingang in die Erzählung finden: Diese Mischung– „mal zu inszenieren, sieb mal an Entwicklungen ranzuhängen“ –, glaubt Kameramann Hans Rombach, mache die Leichtigkeit des Materials aus.

Mancher mußte da nachfragen, sich der Grenzen versichern. Der Jubel am Görlitzer Bahnhof? Der war echt, erläutert Andres Veiel, die Ankunft eines Filmteams (ZDF!) sei in der Stadt als Beginn lang erwarteter, großer Veränderungen in einem „schon zu DDR–Zeiten vergessenen Ort“ gefeiert worden: „Jetzt wird hier alles anders!“ hieß das in der lokalen Tageszeitung. Und die Rivalität unter den Schauspielerinnen? Da mußte der Regisseur mit einer erbarmungslos verschleppten Nachtprobe nachhelfen, um auch für den Film sichtbar zu machen, was sonst offen zutage lag: „Intriganz und Haß“ der alten Damen, deren vorige „Harmlosigkeit“ sich allein der Anwesenheit einer Kamera verdankte.

Mit dieser Mischung aus Inszenierung und Dokumentation wurde es aber vor allem möglich, die „Wechselbäder“ in der Beziehung Veiels zu seiner Hauptdarstellerin zu integrieren, auch ihre Abwehr und die steten Zweifel, das abrupte Umschlagen vom Strahlen in die Todesangst Da gab es auch eine Abmachung zwischen beiden, den Film in jedem Fall zu beenden, selbst wenn die 84jährige Schauspielerin zuletzt gescheitert wäre, WINTERNACHTSTRAUM im Krankenhaus geendet hätte. In diesem Sinne erläutert Veiel die letzte Einstellung, jenes Bild einer leeren Theaterbühne, das manchem Zuschauer unverständlich blieb: Dieses Bild drücke aus, was Inka noch vor Drehbeginn fürchtete, die „innere Wüste“ nach der Bühnenarbeit, nach Spiel und Feuerwerk Ein „metaphorisches Abtreten“ also. Diebe fürchtete Bitterkeit sei inzwischen tatsächlich eingetreten, am Telefon sagte die Schauspielerin: „Jetzt ist mir bewußt geworden, was ich das ganze Leben hätte haben können. Ich habe falsch gelebt.“

An dieser Stelle wurde die Frage nach der Verantwortung des Regisseurs formuliert (Didi Danquart) darüberhinaus regt sich ein erster Anflug von Kritik: Welches gesellschaftliche Bedürfnis, beglücktes Leben zu sehen, erfüllt WINTERNACHTSTRAUM? Eine Zuschauerin sah den Film „knapp am Kommerzialisierbaren“, konnte sich kommerzielle Auswertung und Zuspitzung des Themas („gerade weil es so wenig gelungenes Leben gibt“) als Rudi Carell-Show vorstellen: DAS WÄRE IHR LEBEN GEWESEN ! Im „Optativ“ wollte Werner Ružička den Film verstehen, als „Wünschform“, die ein nicht gelungenes Leben fiktional umdrehe, insofern eine Ermutigung. Und zuletzt tröstete Andres Veiel das Publikum: Inka setze ihr Leben in gewohnter Dickköpfigkeit fort, ihr „Absturz“ sei nur ein vorübergehender gewesen.