Protokoll
„Zeitgeister“ sei Teil eines noch nicht vollendeten Films, der als Tagebuch den realen Umzug von Barbara Teufel von Kreuzberg zum Prenzlauer Berg aufzeichnet. Dabei seien für sie die kleinen Veränderungen im Gegensatz zur öffentlichen Medienrealität wichtig gewesen. Der Film beginne in der Fabriketage der alten West-WG und ende in der neuen Wohnung im Osten. Der hier gezeigte Teil sei das Ende des Films.
Dietrich Leder entschuldigte sich später. daß der Film nicht als Fragment und work in progress ausgewiesen gewesen sei. Die Statuten von Duisburg verlangten eigentlich fertige abendfüllende Filme, aber Regeln seien dazu da. sie entsprechend übertreten zu können. Nachdem Klaus Kreimeier die Wort- und Bildsprache im Kontext eindringlicher Sprachlosigkeit und der Gleichwertigkeit der Dinge und Dietrich Leder die Toncollage, die genauen Schnittübergänge und die Beiläufigkeit, in der das Fundstück der Stasi-Handakte auftauche, gelobt hatte bemerkte letzterer. durch Werner Ruzickas diesjähriges Motto inspiriert, in diesem Film fänden auch Begegnungen von Blicken statt.
Barbara Teufel ergänzte, daß nach oberflächlichen Gemeinsamkeiten schnell die grundsätzlich anderen Erfahrungen, die den West/Ost-Biographien zu grunde lägen, spürbar würden. Sie habe sich als Vertreterin der westlichen Welt ähnlich wie in der Dritten Welt gefühlt. Der West/Ost-Umzug zwinge sie, ihre Identität neu zu überprüfen.
Die Frage Dietrich Leders, ob die Film-blicke mit ihrer s/w-Ästhetik und Hinterhofidylle nicht typisch westliche seien wurde von zwei eingesessenen Bewohnerinnen des Prenzlauer Berges verneint.
Eine andere Diskutantin hatte allerdings die Tonspur genervt; sie könne die Reflexionsebene des Textes nicht ernst nehmen. Der kurz aufglimmende Disput über schichtenspezifische Ästhetik wurde von Klaus Wildenhahn mit dem Hinweis auf Wolfgang Hilbig als Mann der Arbeiterklasse, der eine ähnlich gebrochene Sprache benutze, schnell beendet.
Die Bemerkung Barbara Teufels, der Text sei morgens zwischen drei und vier Uhr morgens entstanden, war Dietrich Leder dann noch Anlaß zur abschließenden Bemerkung, daß dies auch in Duisburg die Stunde der richtigen Worte sei.
Peter Badel ergänzte zum Film von Barbara Teufel, er habe selber in diesem Haus bis 1984 gewohnt.
Dietrich Leder beschrieb dann „Im schönsten Wiesengrunde“. Der Film beginne mit einer Abschweifung und mache diese zum Thema, allerdings überstrahle die Szene mit dem „Walroß“ die anderen Szenen: insgesamt löse der Film Erstaunen und Mitleid aus.
Peter Badel erzählte dann, das Dorf sei ihnen im Vorbeifahren von der Autobahn aus aufgefallen. Zum Baumblüte hätten sie sich dann eine Kamera geliehen und den Film an einem Wochenende abgedreht. Dieter Chili ergänzte, viele Leute dort wohnten allein, seien einsam; der Dialog mit der Kamera sei eine Art Therapie für sie. Sonst würde in diesem Dorf auch niemand anhalten. Auch hätten es die Bewohner für nicht möglich gehalten, daß die Filmemacher aus dem Osten kämen. Die soziale Situation nach der Vereinigung sei so stark als Niederlage empfunden worden, daß es unvorstellbar sei, jemand aus dem Osten könne selber aktiv werden. Eine Diskutantin empfand die Szenen als inszeniert, obwohl sie der Film sehr beeindruckt hatte. Darauf entschuldigte sich Peter Badel. sie kämen vom Spielfilm und würden deshalb Figuren in der Bildmitte mit dem Licht von vorn nur schwer ertragen; das sei eine Art Schulzwang.
Die Einschätzung des Publikums reichte im Folgenden dann noch von „harmlose Inszenierung“, „Folklore“ bis „echtem Erstaunen“.
Zum Thema Rechtsradikalismus sagte Dieter Chili, soziale Erklärungen seien sehr schwierig. Man müsse das auch dialektisch betrachten, der Film könne darauf keine Antworten geben. Jedenfalls gebe es die Traditionswand mit Naziemblemen schon länger.
Die Diskussion ging nach dem Exkurs über rechtes Wählerpotential in der DDR und der Weimarer Republik und einigen statistischen Angaben zum Ort zu Ende.