Film

Ins Land der Erfüllung – Zu Genosse Stalin
von Wolfgang Bergmann
DE 1990 | 135 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 15
16.11.1991

Diskussion
Podium: Wolfgang Bergmann
Moderation: Klaus Kreimeier, Karl Saurer
Protokoll: Edith Jud

Protokoll

„Ursprünglich plante ich eine grosse Dokumentation‚ mit Georg Becker im Mittelpunkt, in die ich auch andere Schicksale verwoben hätte. Seine Geschichte schien mir, von den rund dreissig, die ich recherchiert habe, besonders tragisch aber auch spannend.“ Doch die problematische Geldbeschaffung veränderte das ganze ursprüngliche Projekt. Die drei mitproduzierenden Fernsehstationen NDR, WDR und ORF drückten dem Film ihren Sonderaster auf und so entstand diese Trilogie. Spuren dieser Bedingungen sind nach Meinung des Regisseurs auch im Film direkt spürbar, insbesondere bei der Wahl eines Sprechers, gegen dessen Einsatz er sich im Fertigstellungsstress nicht mehr wehren konnte. Üblicherweise spricht er seine Filme selbst, doch der verantwortliche Redakteur, Klaus Liebe, wollte das nicht, insgesamt sei aber die Zusammenarbeit gut gewesen.

Motivation für die Arbeit war eine Einladung von Generalsekretär Gorbatschev an die die deutschen Kommunisten, die Archive in der UdSSR durchzuforsten. Auf eine entsprechende Frage von Karl Saurer nach den dortigen Arbeitsbedingungen erzählte der Regisseur eine Geschichte vom KGB. Sie hätten Monate vorher angefragt, man habe korrespondiert, doch am Drehtag., im April 1990, seien die Akten von Carola Neher nicht zur Verfügung gestanden, zwei Tage habe es dann gedauert bis die entsprechende Szene gedreht werden konnte. Zu dieser Zeit hätten sich im KGB noch zwei gleich starke Gruppen bekämpft, die eine sei für eine Öffnung, die andere dagegen gewesen, doch habe der Name „Deutsches Fernsehen“ und die Bekanntheit des Falls, wohl den Ausschlag gegeben. Ähnliche Schwierigkeiten hatten sie im Mai 1990 im DDR-Archiv. Klaus Kreimeier brachte das Gespräch auf die szenische Realisation, waren die Begegnungen vorher geprobt worden, wie wurde mit Georg Becker gearbeitet, der sich ja selbst darstellen musste und zeitweise auch wie ein Laiendarsteller gewirkt habe. Alle Szenen seien spontan gewesen, sie seien einfach so zu den Leuten hingegangen, es sei sogar vorgekommen, dass sie von den russischen Helfern in falsche Wohnungen geführt worden seien. Einer Teilnehmerin stiess die Szene mit dem Kinderheimleiter auf, der während der ganzen Szene so unmotiviert gegrinst habe. Dieser Mann sei einfach hilflos gewesen, er könne und wolle sich nicht erinnern, damals etwas falsch gemacht zu haben. Dass die Recherchen Klaus Beckers nach dem Mutter-Brief, der ihm vom Heimleiter vorenthalten worden war, so lange gedauert haben, zeige wie schwierig es auch heute noch sei, die Wahrheit zu finden. Besonders betroffen haben den Regisseur die katastrophalen Zustände im Waisenhaus wo die Kinder noch heute in Pantoffeln durch den Schneematsch gehen müssen.

Für den Protagonisten sei diese filmische Recherche sehr schwer gewesen Wolfgang Bergman hatte manchmal die Befürchtung ihn auf etwas gestossen zu haben, das nicht nur gut für ihn war. Gleichzeitig habe ihn der Film motiviert noch obsessioneller zu forschen, im Moment schreibe er ein Buch über die Geschichte seiner Eltern.

Weitere Fragen zu Form und Inhalt blieben aus. Diese Diskussion lieferte einmal mehr den Beweis, dass bei so virulenten Themen, die Art und die Qualität des Films in den Hintergrund treten. Dafür gab es viele Anschlussfragen zur Geschichte von Carola Neher und das Problem der Akteneinsicht.

Wie verhielten sich die deutschen Freunde und Bekannten, als sie von der Verhaftung der Frau erfuhren. Die Genossen im Exil, wie Becher und Kuballa hätten sich klar für die „Isolierung dieser Trotzkistin ausgesprochen. Von Bert Brecht existiere ein Brief, indem er sich zwar erkundige, was sie gemacht habe, gleichzeitig vermeide der bekannte Dramatiker aber eine eindeutige Stellungnahme oder gar ein Hilfsangebot. Noch heute sind die Recherchen in der ehemaligen DDR für den Sohn besonders schwierig.

Längere Zeit wurde deshalb auch über die Problematik der Stasi-Akten-Einsicht diskutiert. Der Regisseur erzählte, dass die Recycling-Papier-Preise gesunken seien, seit so viele Akten vernichtet wurden.