Film

Im Glanze dieses Glückes
von Johann Feindt, Helga Reidemeister
DE 1990 | 85 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 14
14.11.1990

Diskussion
Podium: Johann Feindt, Tarmara Trampe (Filmemacherin), Helga Reidemeister
Moderation: Werner Ružička
Protokoll: Eva Hohenberger

Protokoll

Zur Gruppe der Filmemacher und zur Entstehung des Projekts

Die Gruppe bildete sich anläßlich der Berliner Filmfestspiele zusammen mit Filmemachern aus der DDR, um eine Alltagschronik des Zusammenwachsens beider deutscher Staaten zu erstellen. Für diesen Film galt: die Federführung und den Schnitt übernahm Helga Reidemeister, die anderen machten Beiträge. die wieder von allen diskutiert wurden. Der Film wurde im Februar und März 1990 gedreht und reflektiert auch die Verschiedenartigkeit der Filmemacher. Er ist sehr an die Zeit seiner Entstehung gebunden, da er durchdrungen ist von Wertigkeiten, von Gefühlen wie Wut und Zorn, die sich in der Zwischenzeit durchaus geändert haben.

Zur allgemeinen Struktur des Films

Die Emotionen, die die Montage geleitet haben, sind erkennbar. Es stellt sich die Frage, ob es auch andere Versuche gab, das Material zu organisieren. So sieht der Film ziemlich willkürlich organisiert aus, als solle die eigene Ratlosigkeit angesichts der Situation veröffentlicht werden, er sieht aber nicht so aus, als ob die Filmemacher etwas hätten wissen oder erkennen wollen.

Der Film hätte unter diesen Produktionsbedingungen entweder die Form von Tagebuchblättern haben können oder er hätte die unterschiedlichen Perspektiven der einzelnen Filmemacher deutlicher herausstellen sollen. So wirkt er nur stimmungsgeladen und teilweise effektvoll, aber nicht ernsthaft montiert (z.B. in der Szene mit den Bananen und dem Blick durch die Klappen in die Zellen).

Gefragt wurde auch nach dem Blick der „Westler“ auf die Menschen im Osten, der in der Bestätigung von Klischees scheinbar physischen Ekel ausgelöst habe.

Die Filmemacher sehen ihren Film durchaus nicht unkritisch. Sie äußern. zu ihm ein historisches Verhältnis zu haben. Helga Reiderneister findet es eigentlich unfair, den „gesamtdeutschen Michel, vom Buckeln gezeichnet“ jetzt in der DDR zu erfahren. weil man den Westmichel zu leicht darüber vergißt.

Johann Feindt meint, der Film wäre mit mehr Abstand sicher besser geworden. Er zeuge von Ratlosigkeit, was man aber stärker hätte thematisieren können.

Zu einzelnen Szenen

Den meisten Zuschauern war die Gesprächsszene zwischen Tarnara Trampe und dem Stasi-Psychologen als positiv im Kopf geblieben. Tamara Trampe erzählte die Vorgeschichte: der Psychologe war nach einer Lesung von Jürgen Fuchs aufgestanden und hatte beklagt, daß mit ihm keiner reden wolle. So sei das Gespräch nicht auf die Struktur des Stasi hinausgelaufen, sondern ein Dialogversuch gewesen.

Ein richtiger Dialog sei das Gespräch nun zwar nicht gewesen. meinten einige Zuschauer, aber trotzdem sei die Szene sehr intensiv, weil sie die Zwänge auf beiden Seiten zeige. Dadurch, daß auch die Interviewerin sich der Kamera stelle. werden die verschiedenen Arten, „Verstrickt“ zu sein, schichtweise herausgearbeitet. Dieses Gespräch sei auch die einzige Stelle des Films gewesen, wo die Unterschiedlichkeit der Perspektive zwischen Ost- und Westdeutschen klar gewesen sei.

Die Szene mit der Lehrerin löst die Frage aus, ob sie auch als Kritik an den neuen Inhalten zu verstehen sei, die die Lehrerin jetzt den Schülern vermitteln soll. Helga Reidermeister gab Schwierigkeiten mit dieser Szene zu. Man hätte den neuen Unterricht länger beobachten müssen, um deutlich zu machen, daß die Lehrerin sich einerseits Mühe gibt, den „Anschluß“ nicht zu verpassen, daß sie aber die Vergangenheit nicht verleugnen kann, was sich in der Vergeblichkeit ihrer Bemühens zeigt. Unter den Filmemachern hat es Ober das Verhalten der Kinder, die sich betroffen zeigen, verschiedene Meinungen gegeben; sie seien betroffen wegen der Lehrerin (Feindt), über das Verschwinden der DDR (Reidemeister).

Kaum ein Zuschauer hatte verstanden, daß die Szene mit dem Lambada von eben dieser Schulklasse einstudiert und aufgeführt worden war. Auf die Frage, warum von den Tänzern nur die Unterkörper zu sehen seien, antwortete Johann Feindt: 11mich interessiert als älter werdender Mensch die untere Hälfte immer mehr“.

Kritik löste auch die Szene auf dem Dorfplatz aus, in der das Vorführen eines vermeintlichen Stasi-Spitzels „Jagdinstinkte“ beim Zuschauer auslöse. Der Verdächtige werde ebenso vorgeführt wie der Mann, der ihn am liebsten gleich erschießen möchte. Solche Szenen stellen mehr Probleme als sie lösen.

Helga Reidemeister rekonstruierte die Situation: die Sequenz war als Kritik an der CDU geplant, nur ihr Stand sollte gefilmt werden. Als eine Frau aus dem Fenster den Mann als Spitzel bezeichnete, wurde der gefilmt und gefragt. Obwohl die Szene das Geplante nicht mehr zeigen kann, wurde sie belassen, um die Lynchjustiz- Stimmung wiederzugeben, die überall anzutreffen gewesen sei.

Es blieb dabei, die Szene ist problematisch, ebenso die Auswahl der Personen insgesamt. Nicht nur kommt lediglich eine Frau zu Wort (3 waren aus „technischen“ Gründen wieder rausgeflogen), sondern sind die anderen alle ehemalige Parteimitglieder, die etwas gegen das „dumpfe Volk“ gestellt werden.

Fazit der Gruppe: nicht unbedingt weitere Gruppenfilme, die Gruppe aber als Diskussionsforum erhalten.