Film

Arkona, Rethra, Vineta
von Volker Koepp
DE 1990 | 122 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 14
15.11.1990

Diskussion
Podium: Volker Koepp
Moderation: Christa Blümlinger, Dietrich Leder
Protokoll: Judith Klinger

Protokoll

Ein Film über Geschichte, von der Geschichte eingeholt. Ein Film über versunkene Städte, der Ausgrabungen beschreibt und inzwischen seinerseits zum Dokument einer verschwindenden, vielleicht schon verschwundenen Verfassung geworden ist.

Der Hering als Modell der ( nicht funktionierenden ) Planwirtschaft, die Gruppe der Amateur-Archäologen als Exklave, innerhalb derer ein anderes, vielleicht freieres Reden möglich ist- „Arkona, Rethra, Vineta“ zeigt spezifische Ausprägungen der DDR-Gesellschaft, kommt dabei ohne explizite Thematisierung des größeren Zusammenhangs aus. Auch die Ereignisse im Herbst 1989 erscheinen innerhalb einer Kontinuität des Erzählens und Erklärens, in einem der Situation der Fischer entsprechenden, langsamen Rhythmus, der Veränderung abseits spektakulärer Tagespolitik sichtbar macht ( Dietrich Leder ). Vorweggenommen erscheint das heute in den Regionen der ehemaligen DDR aktuelle Thema der Identität; die ostelbischen Fischer wirken verhaftet, verwurzelt in ihrer Arbeit und der‘ Landschaft, fast resistent gegen die absehbaren Veränderungen ( Christa Blümlinger ).

Dies, so Volker Koepp, hängt mit der unmittelbaren Nähe zu den osteuropäischen Ländern zusammen, die Art der Arbeit vermittelt ein Gefühl der Selbstsicherheit. die Menschen verstehen sich hier in erster Linie als Pommern.

Auf der anderen Seite steht die Beschränkung der Bewegungsfreiheit durch unsichtbare Grenzen, die selbst das Meer zerschneiden, die Ratlosigkeit der Fischer. deren Heringe nicht einmal im Nachbarort verkauft werden, weil die Organisation von Verarbeitung und Transport nicht funktioniert : Die unvermeidliche Hoffnungslosigkeit vermittelt sich ganz direkt ( Werner Ruzicka ), die mythischen Städte bleiben unauffindbar.

Aber wie weit reichen die schon im Film sichtbaren Veränderungen wirklich ? Ein anderes Verhalten zur Kamera werde ab dem November spürbar, beobachtete Werner Ruzicka, neue Signale in der Körpersprache. Dies seien jedoch nur Nuancen gegenüber dem bleibenden Eindruck vom „unerschütterlichen Alltag der DDR-Provinz“ , meinte Klaus Kreimeier. Handelt es sich dabei um bloße Illusion ?

Bereits im Sommer des vergangenen Jahres sei allenthalben das Gefühl der Stagnation, die Erwartung eines Umschlags spürbar gewesen, sagte Volker Koepp,darüberhinaus eine Bereitschaft, bestimmte Dinge auszusprechen. Auch er selbst habe sich für diesen Film entschlossen, „den Weg über Andeutungen nicht mehr zu gehen“.

Dennoch werden bestimmte Fragen – wie z.B. die Frage an den Archäologen nach seinem Gefängnisaufenthalt, 1968 – erst im Herbst möglich. Analog zu den versunkenen Städten tauchen verschüttete Utopien aus dem Gedächtnis auf ( Fosco Dubini ).

Wird die verschwundene DDR in absehbarer Zeit als ebensolcher Fluchtpunkt der Sehnsucht, als mythischer Ort durch die Erinnerung geistern ( Werner Ruzicka )? Sentimentalität in Bezug auf die DDR sei wohl schwer möglich, meinte Volker Koepp, selbst wenn allerorts Entlassungen bevorstehen, wenn die Strandfischerei schon bald nicht mehr existieren wird. „Auf der anderen Seite war es das eigene Leben“. Die Geschwindigkeit des Geschichtsverlaufs, die die Alltagsrituale der DDR schon nach kurzer Zeit ins Unbegreifliche verschiebt dominiert die Wahrnehmung von „Arkona, Rethra, Vineta“. Ein Film, dessen Dokumentencharakter abzusehen ist und über den wohl aus diesem Grund nur zögernd und zurückhaltend gesprochen wurde.