Film

Robert Langner, Biographie
von Jochen Kuhn
DE 1988 | 32 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 13
18.11.1989

Diskussion
Podium: Jochen Kuhn
Moderation: Elke Müller
Protokoll: Toni Weber

Protokoll

Die Behauptung des Films, daß die kleinen Dinge des Lebens für eine Biographie wichtig sind, griff Elke Müller in der bewundernden Feststellung auf, daß sich jedes Bild oftmals nur durch einen kleinen Pinselstrich verändere. Beeindruckt fragte sie nach der Anzahl der Bilder, die der Film versammelt.

Jochen Kuhn war diese einfache Frage nicht einfach zu beantworten. Denn wenn der Zuschauer in seinem Film etwa 200 Bilder wahrnimmt, so bestehe der Film doch aus 24 Bildern pro Sekunde. Die Komplexität, die aus den vielen einzelnen Filmbilder ein Bild macht, war damit angedeutet. In Beantwortung der Frage nannte er zirka 30.000 Kamerastopps. Doch warum die Bilder einer permanenten Veränderungen unterzogen werden, war nicht beantwortet, so daß der Filmemacher weitergehende ästhetische Überlegungen, die seine Filmarbeiten leiten, nannte. Früher habe er gemalt und keine Filme gemacht. Damals hielt der Verkauf der Bilder mit der Produktion nicht Schritt, so daß ein großes Lager bald von Nöten gewesen wäre. Diese kokette Anmerkung diente jedoch nur der Einleitung dreier Begründungskomplexe:

Ihn interessiere der Prozeß des Herstellens mehr als das Ergebnis. Das Bewahren stehe im Gegensatz zum Zweifel, der auf Neues ausgehe.

Eine Spannung bestehe zwischen Bewahren und Weiterschreiben, insofern das Belassen immer auch eine Definition von Sehenswürdigem bedeute; wohingegen die Störung dieses Zustandes als Befreiung zu erleben sei.

Die Orte der Präsentation, hier das Museum, dort das Kino, seien auch mit Gefühlen verbunden: Das Museum mit Skrupel, das Kino mit Vergnügen.

Hier intervenierte Elke Müller, indem sie anmerkte, daß auch der Film bewahre. Dem widersprach Jochen Kuhn. Der Film reduziere den Anspruch auf Bewahrung dadurch selbst, daß die Bilder immer auch wieder von der Leinwand verschänden. Nochmals verwies er auf seinen Ausgangspunkt, der Malerei. Doch der eventuellen Annahme, daß er Trickfilme habe machen wollen, widersprach. Er sei zum Filmen gekommen, weil er gerne Spielfilme sehen. Er habe sich eine S8-Kamera besorgt, um selbst Filme zu machen.

Die zeitliche Festlegung der: Biographie ist durch das Aufkommen der Portraitfotografie und der Stimmung der Literatur jener Epoche, die ihn anspreche, bedingt. Zur Darstellung einer Biographie habe ihn das Buch von Morgenthaler angeregt, das zahlreiche Bildwerke psychisch Kranker veröffentliche, ohne deren Biographie angeben zu können. Sein Interesse an einer Biographie ergebe sich auch aus seiner widersprüchlichen Empfindung, daß wir alle Konservendosen seien, auch wenn wir Individuen seien. Aus diesem Gefühl heraus habe er die Biographie einer Null entwerfen wollen, und ohne es zu beabsichtigen, habe sich doch eine interessante Person ergeben.

Die Annahme, daß der sparsame Einsatz von Farbe sich mit der Intention verbinde, eine Null darzustellen, widerlegte Jochen Kuhn. Die reduzierte Farbgebung sei zum einen lediglich durch das Aussehen der alten Portraitfotographien bestimmt. Zum anderen ergebe sich der Farbeinsatz aus der ästhetischen Überlegung, die auch seine Malerei bestimme, daß der sparsame Einsatz die Wirkung erhöhe. Die Wahrnehmung von Farbe werde durch ihre sparsame Verwendung intensiviert, sowie auch die Wahrnehmung von Helligkeitswerten durch Dunkelheit gesteigert werde.

Die Frage nach dem Einsatz von Video zwang den Filmemacher nochmals auf den Produktionsvorgang einzugehen. Daß er bislang nicht mit Video arbeite, obwohl er auch dies angehen wolle, um sich der neuen technischen Möglichkeiten zu versichern, begründete er mit seiner Arbeitsweise, die auf Konzentration hin ausgerichtet sei. Der Film sei in einem Drehverhältnis von 1:1 erstellt, ohne Montage. Die einzelnen S8-Rollen seien einfach aneinandergekoppelt, was man sehen könne: durch den leichten Verschub der Kamera, der beim Einlegen einer neuen Kassette sich ergebe. Der eigentliche Schaffensprozeß, das Timing und auch der Fortlauf der Bilder, fände vor der Kamera statt. Sein größtes Problem sei daher das antizipierende Denken, denn er müsse wissen, ohne daß er schon die Bilder dafür habe, wohin er kommen wolle. Die Bildideen ergeben sich für ihn aus den Flecken, d.h. aus einer Mischung von intentionaler Bildvorstellung und dem, was der Fleck will, was auch seine Auswahl begründe. Beim Malen der Bilder zähle er mit, d.h. bei 24 Bildern wissen er, daß er 1 Minute Film habe. Doch bei laufender Kamera gebe es dieses Zählen nicht mehr; nur das Ohr kontrolliere den Kameralauf. In „Robert Langner“ sei der längste feststehende Bildzustand 8 Sekunden. Fotos habe er lediglich über Berlin besessen. Diese habe er abgemalt und als Dia abgefilmt.

Da die Figur Langner erst als Null vorgeführt werde, und am Ende als Schauspieler ohne Publikum präsentiert werde, wurde gefragt, ob der Film ein bestimmtes Künstlerbewußtsein ausstelle. Diesen Eindruck wies Jochen Kuhn in Gänze zurück, denn weder sei Langner am Anfang eine Null, auch wenn der Text dies evoziere, gäben die Bilder doch präzisere Informationen, noch wäre der Film ein Plädoyer für einen Künstler ohne Publikum. Dem widerspreche schon allein die Veröffentlichung des Films. Zu bedenken sei vielmehr, daß jeder der sein Medium liebt, dieses auch hasse. Ein Schauspieler folglich beizeiten das Theater, d.i. das Publikum hasse.

Als die Diskussion auf die Produktion zusprechen kam, wurde erneut dieser Punkt Künstler/Publikum berührt. Filme dieser Art fänden kein Massenpublikum befand der Filmemacher, dennoch bedürfe er eines Publikums, was ihm suggeriere, daß die Arbeit nicht umsonst sei. Um ein größeres Publikum zu erreichen als bislang über Kommunale Kinos und ähnliche Foren, bedürfe es eines professionellen Vertriebs. Bislang mache er alles selbst. Die Produktion könne er auch weiterhin selbst abwickeln, da sie kaum ein Kostenmanagement verlange, sondern vor allem auf Arbeitszeit beruhe. „Robert Langner“ sei in 9-10 Monaten entstanden bei Arbeitstagen von 6-8 Stunden. Die geringen Produktionskosten habe er bislang von der kulturellen Filmförderung Hamburgs erhalten.

Dem Einwand von Claire Doutriaux, daß sie mehrfach versucht habe, seine Filme für La Sept zu erwerben, was ihm ein größeres Publikum und langfristig mehr Geld geboten hätte, begegnete Jochen Kuhn mit dem Hinweis auf die Rückzahlbarkeit der Fördermittel. Jedoch gab er zu erkennen, in absehbarer Zeit mit La Sept zu verhandeln.

Da seine Filme wegen ihrer Länge kaum ins Kino gelangen und auch andere Präsentationsorte selten finden, freute er sich, daß sein Film auf diesem Dokumentarfilm-Forum diskutiert worden ist.