Film

Image und Umsatz oder Wie kann man einen Schuh darstellen
von Harun Farocki
DE 1989 | 54 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 13
15.11.1989

Diskussion
Podium: Harun Farocki
Moderation: Sabine Fröhlich
Protokoll: Reinhard Lüke

Protokoll

Die Moderatorin eröffnete die Diskussion mit dem Statement, daß ihr das Divergieren zwischen Gebrauchs- und Verkaufswert des Objektes ‚Schuh‘ im Verlauf des Films immer deutlicher geworden sei. Harun Farocki sprach in diesem Zusammenhang von einer Asymmetrie, sofern die Leute in der Agentur diesen eigentlich ja auch magischen Gegenstand schon fast wie Müll behandelten. Am Ende stehe dieser Schuh quasi als gegenständliches Mahnmal des ganzen Treibens ziemlich verlassen in der Gegend herum. Aber letztendlich sei die Tatsache, daß es sich um gerade diesen corpus delicti handle, relativ zufällig. Schließlich habe er die Dreharbeiten bei einer ganz anderen, völlig dem ‚Zeitgeist‘ a la ‚Wiener‘ und ‚Tempo‘ verfallenen Agentur begonnen, die dann allerdings pleite gegangen sei.

Banach habe er sich jedoch bewußt eine konventionelle ‚Durchschnittsagentur‘ ausgesucht, um zu sehen, wie diese Mixtur aus Fachjargon und Phrasen aus deren Mündern klinge. Hinsichtlich des Objektes sei ihm nur wichtig gewesen, daß es sich um einen kleinen, überschaubaren Gegenstand und nicht etwa um einen Gebäudekomplex gehandelt habe.

Viele Fragen kreisten im Anschluß (scheinbar unvermeidlich) um das Thema der ‚Authentizität‘ der Bilder. ‚Haben sich die Leute von der Anwesenheit der Kamera beeinflussen lassen? Haben die auch nach Feierabend so geredet?‘ etc.

Der Effekt, so Farocki, sei nach seiner Einschätzung unterschiedlich gewesen. Bei den Werbe-Leuten kleiner als bei denen in der Schuhfabrik. Gleichzeitig habe aber deren Geschäftsführer die Kamera in hohem Maße zur Selbstinszenierung genutzt Desgleichen sei natürlich auch klar, daß die Agenturmitarbeiter einiges ‚nachgestellt‘ hätten. So beispielsweise das ‚brainstorming‘, an dessen Ende die geniale Idee 1Pinsel• stand, bis hin zur Aufbietung eines Dummerlings. der dann einen abwegigen Vorschlag habe machen müssen. Farocki erläuterte seine Intention hinsichtlich des Films dahingehend, daß es ihm in erster Linie darum gegangen sei, Werbung als ein geschlossenes, quasi-religiöses System kenntlich zu machen, das eigentlich nur mit enormem Aufwand immer dieselben Codes kopiere und reproduziere. Ein großes Palaver, das noch jede Wohngemeinschafts-Debatte übertreffe. Zugleich sei sie jedoch Bestandteil eines umfassenden Gestaltungstotalitarismus, an dem wir schließlich alle partizipierten. Ein Zuschauer sah eine große Diskrepanz zwischen der Art, wie Farocki jetzt auf dem Podium Werbung analysiere, und der Form, wie sie im Film zu sehen sei. Dort habe er die Kamera quasi als eine Panzerglasscheibe zwischen sich und den Akteuren benutzt, statt Bezug zu ihnen aufzunehmen. Durch diese Arbeitsweise vermittle der Film den Eindruck einer Denunziation, die einer wirklichen Auseinandersetzung mit der Thematik eher aus dem Wege gehe. Farocki verteidigte: seine distanzierte Form der Herangehensweise mit dem Hinweis, daß es wenig Sinn habe, innerhalb des Films beispielsweise mit den Beteiligten über Sinn und Zweck ihres Tuns zu debattieren oder vielleicht mit dem Geschäftsführer einen Workshop über innerbetriebliche Menschenführung zu veranstalten. Grundsätzlich sehe er in dieser distanzierten, kommentarlosen Form ein filmisches Äquivalent zum literarischen Genre der Erzählung, die es auch gestatte, den Prozeß der Vermarktung einer Ware nicht, wie von einem Zuschauer angeregt wurde, bis an sein Ende (öffentliche Präsentation, Käuferreaktionen, etc.) zu dokumentieren, sondern an einer bestimmten Stelle abzubrechen. Zum Verhältnis solcher Arbeiten zu seinen Essay-Filmen befragt, äußerte Farocki, daß er beide Formen als alternativ ansehe. Er habe von Zeit zu Zeit Lust, sich der Konkretion fremder, relativ geschlossener Bereiche in dieser Form auszusetzen, wobei er als Autor auch nicht in dem Maße beteiligt sei, wie bei seinen Essayfilmen. Ein Zuschauer, der den Film zwar für grundsätzlich gelungen hielt, sah jedoch in dem Vertrauen auf die zurückhaltenden, unkommentierten Bilder des Geschehens die Gefahr eines Umkippens in eine gewisse Affirmativität. Möglicherweise könnte sogar die Agentur auf die Idee kommen, der Film sei quasi eine PR-Arbeit für sie. Dem wurde jedoch von anderen Diskussionsteilnehmern mit dem Hinweis widersprochen, daß ein solcher PR-Film ja wohl entschieden anders aussähe. In Farockis Arbeit machten sich diese Leute doch in hohem Maße selbst lächerlich. Dabei wurde von anderer Seite jedoch auch die Frage gestellt, ob diese Lächerlichkeit nur aus einem spezifischen Fachjargon resultiere, der letztlich doch auch nur die Anpassung der Werbebranche an bestimmte ökonomische Gegebenheiten sei. Müsse nicht unser eigenes Treiben hier ähnlich grotesk und lächerlich wirken? Farocki zum Effekt der Lächerlichkeit: Ihm sei es nicht darum zu tun gewesen, Werbung nur ironisch zu karikieren. Einem Schuh ‚eine Seele einhauchen‘ sei unter dem Aspekt der Funktionsweise von Werbung eben nicht nur lächerlich. Ein Zuschauer stellte einen Bezug zur Diskussion anläßlich des Films DIE MACHT LIEGT WOANDERS her, da Farockis Arbeit Werbung als Modell eines hochgradig arbeitsteiligen Prozesses veranschauliche, der keine Machtkonstellationen mehr erkennen lasse und an dessen Ende quasi ein Nullprodukt ohne identifizierbare Autorschaft stehe. Auf die Frage, ob sein Film nicht etwas zu lang geraten sei, räumte Farocki ein, daß er in diesem Punkt vielleicht Zugeständnisse an seinen Redakteur („länger, mehr“) gemacht habe und sinnierte zum Abschluß – augenzwinkernd – über die Frage, ob das alte 45Min-Schema nicht auch sein Gutes gehabt habe.