Film

Erinnerung an Rheinhausen
von Klaus Helle, Rainer Komers
DE 1989 | 69 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 13
14.11.1989

Diskussion
Podium: Klaus Helle, Rainer Komers
Moderation: Werner Ružička
Protokoll: Toni Weber

Protokoll

Kontinuitäten der Duisburger Filmwoche ausweisend verwies Werner Ruzicka auf die letztjährige Diskussion: „Der inszenierte Streik: Rheinhausen und die Bilder“. Damals war Klaus Helle unter den Diskutanten auf dem Podium und war nach dem Filmvorhaben gefragt worden angesichts der Bildermenge des Fernsehens zu Rheinhausen.

Ausgangspunkt ihres Vorhabens war nicht das Medienereignis Rheinhausen, sondern ihr Interesse an den Vorkommnissen als Filmemacher aus dem Ruhrgebiet. Demzufolge wollten sie die Vorgänge dokumentieren über das Aktuelle hinaus. Das Medienereignis ‚Rheinhausen‘, dass sie überhaupt nicht vermutet hätten, schuf ihnen in Folge Probleme. Denn vor Ort waren sie umringt von Kameras; alles wurde von anderen festgehalten. Auch deshalb entschlossen sie sich, dort zu filmen, wo Situationen ohne Fernsehpräsenz waren und Menschen, die nichtschon in den Medien präsent waren, also keine Funktionsträger. Diese Einlassungen von Klaus Helle verweigerte Rainer Komers, für den der Einstieg in die Diskussion falsch gewählt worden war. Denn die Realität existiert auch ohne Kamera; sie ist nicht identisch mit der Subjektivität des Filmemachers. Wenn man dies nicht beachte, betreibe man lediglich eine Nabelschau und gelange letztlich zu falschen Einschätzungen. Nicht das Medienbild von Modrow, wie der Oberbürgermeister von Duisburg in seiner Eröffnungsansprache ausgeführt hatte, habe zu dessen Wahl geführt; vielmehr sei der Mensch Modrow gewählt worden.

Konkret auf den Film bezogen wurde von Irmgard Chlebik gelobt, dass der Film hervorragende Bilder aus dem Werk biete, dass die Darstellung der Arbeitsplätze die Gefährlichkeit und Schwere, aber auch die Monotonie der Arbeit sichtbar werden lasse. Doch trotz der schönen Bilder des Films, werde in ihm nicht gezeigt, dass der Arbeitskampf von der ganzen Bevölkerung getragen worden sei; es fehle die Darstellung der ‚breiten Bewegung‘. Bevor Theo Stegmann dem Film zusprach, dass er die Probleme der gewerkschaftlichen Strategie in den Sequenzen mit Steinkühler und dem Leiter der Vertrauensleutekörperschaft aufzeige, sagte er, dass man als Beteiligter mit keinem Film zufrieden sei. Diese Erfahrung habe man bereits mit dem Film von Klaus Wildenhahn gemacht. Besonders gefallen habe ihm hier der Schluss des Films, da er einen politischen Kick gebe.

Gegenüber der Kritik nicht alles gezeigt zu haben, die ‚breite Bewegung‘ nicht wiedergegeben zu haben, setzte Rainer Komers seine, d.i. die Subjektivität des Filmemachers. Er sei in Konflikten zuhause und auch wenn er das Harmoniebedürfnis in Rheinhausen gespürt hätte, sei es eben deshalb nicht dargestellt. Klaus Helle stellte nochmals klar, dass sie nicht den Rheinhausen-Film hätten drehen wollen und verwies auf die Komplexität der Realität, den über fünf Monate dauernden Kampf, der weder permanent von ihnen beobachtet worden wäre, noch in einer Stunde Film hätte dargestellt werden können. Nur die Summe aller Filme zu Rheinhausen könne die Phantasie und Emotionalität des Kampfes zeugen. Ihr Film wäre ein subjektiver Beitrag hierzu. Als dann der Film, seine Stimmung und Haltung, mit der Realität dahingehend gekoppelt wurde, dass behauptet wurde, dass der Oberschwang des Kampfes heute einer getrübten Stimmung in Rheinhausen gewichen sei, protestierte Theo Stegmann.

Werner Ruzicka fragte daraufhin, ob der Film eventuell eine neue Ordnung in die Erinnerung einschreibe, ob die Montage des Films oder Szenen des Films eine neue Art der Geschichtserinnerung organisieren.

Dass der Wildenhahn-Film kurz nach dem Kampf äußerst kritisch aufgenommen worden sei, dies begründete daraufhin Theo Stegmann mit der Erinnerungsweise. Die Erinnerung befördere auch wieder Emotionen hoch, bringe Schmerzliches hervor. Dem Einwand eines Zuschauers, dass der Film Außenstehenden zu wenig Informationen biete, über die Abläufe und auch über betriebswirtschaftliche Fakten, griff ein Rheinhäuser auf, um diese nachzutragen. Das Werk sei eines der modernsten im Europa. Andere wie das Mannesmann-Werk würden jetzt für 1 Mrd. DM modernisiert. Die Verlogenheit des Vorstandes zeige sich aber auch darin, dass dieser bei einer 70-75% Kapazitätsauslastung von einer 50%igen gesprochen habe. Beachten müsse man auch, dass heute 310.000 Tonnen bei einer Vollauslastung von 350.000 Tonnen von 3600 Mann produziert werden würden.

Doch Zahlen und konkrete Informationen sind nicht die einzigen Inhalte eines Films. Das Duisburger Motto sei „Bilder denken“. Gerade hier habe der Film seine Qualität. Wie er Steinkühler präsentiere, wie der Film die „Aktuelle Stunde“, deren Moderator und die Arbeitsweise des Fernsehens zeige, das seien Inhalte. Dadurch habe der Film seine Qualität für ein Nachdenken darüber, wo benützt worden sei und wo man nützlich gewesen sei. Diese Einlassungen griff Rainer Komers auf und verwarf mit denselben Argumenten die Kritik an fehlenden Fakten. Die Frage sei für ihn gewesen, wo die Menschen seien, denn bei den vielen Informationen der TV-Bilder seien öfters die Menschen untergegangen. Er verglich seine filmische Arbeit mit Gemälden, die ja auch keine Fakten böten und dennoch Realität beinhalten.

Werner Ruzicka hatte vom Podium aus bemerkt, dass der Hinweis auf die Bildinhalte des Films auch von denen einverständig bejaht worden sei, die vorab fehlende Informationen eingeklagt hätten. Doch seine positive Absetzung des Dokumentarfilms vom Fernsehen, das zu schnell sei, dass eben auch Fakten zum Vergessen bringe. Verleitete Rainer Komers zu einer vehementen Verteidigung der Fernsehleute. Schließlich wäre nur durch die entschiedene Haltung eines Fernsehredakteurs das Telefongespräch publik geworden und eben in der Berichterstattung über Rheinhausen seien die Redakteure an die Schmerzgrenze des Staates gegangen. Daher verbiete es sich, über das Fernsehen immer nur zu schimpfen. – breiter Applaus –

Der Einwand, dass der Film nicht aufzeigen würde, worum der Kampf gegangen sei, führte erneut zur Diskussion, ob der Film oberflächlich sei, zu wenige Fakten beinhalte. Diese Kritik vereinnahmte Werner Ruzicka in seinem Schlusswort mit dem Hinweis darauf, dass diese immer einen anderen, neuen Film meine, und Theo Stegmann zitierend, der Rheinhausen-Film müsse noch erstellt werden.