Film

Die Klöckner-Hütte im September
von Günther Hörmann
DE 1988 | 45 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 13
15.11.1989

Diskussion
Podium: Detlef Saurien (Beratung), Günther Hörmann
Moderation: Werner Ružička
Protokoll: Conny E. Voester

Protokoll

Wer hat es nicht bemerkt? Das Lied „So ein Tag, so wunderschön wie heute“ beginnt mit derselben Tonfolge wie die „Internationale“. In Günther Hörmanns Film hat Frank Wolff diese Assoziation bewußt in sein musikalisches Konzept eingearbeitet, das ansonsten eher Industriegeräusche nachahmt. Ganz gelungen ist dies nicht: Zumindest einen Zuschauer (bzw. Zuhörer) konnte das Cello nicht überzeugen.

Die einfachen Mittel hingegen, mit denen die Menschen ins Bild gesetzt sind, dort ihren Platz und ihre Zeit haben, so daß auf dem Gesicht Erinnerungsarbeit abzulesen ist, und wie Nachrichten durch den Sprecher im Studio als vemittelt sichtbar werden, wurde begeistert gelobt. Aus der Not habe er eine Tugend gemacht, meinte Günther Hörmann dazu: Für einen erkrankten Regisseurkollegen habe er den Film aus dem Stand heraus gedreht. Wenige bis keine Dokumente sind auffindbar gewesen, und der Kontakt zur Belegschaft war nicht besonders intensiv. Lediglich der Funktionärskreis hatte offenbar ein starkes Interesse an der Aufarbeitung seiner Geschichte; wohl in der Annahme, aktuelle interne Konflikte könnten durch einen außenstehenden Beobachter aufgebrochen werden.

Die Direktion der Klöckner-Hütte war sehr hilfsbereit, aus deren Archiv stammen die Briefe, die den Film einrahmen.

Eine Beschränkung auf den Arbeitskampf im Herbst 1969 war in zweierlei Hinsicht geboten: Zum einen entstand der Film im Rahmen einer mehrteiligen Serie der Bremer Redaktion über die „Unruhigen Zeiten“ 1967/68 und folglich in gegenseitiger Ergänzung. Daraus folgt, daß zum anderen dem Interesse an den Abgründen, die sich während der Recherche bei einzelnen Personen (und ehemaligen Funktionären) aufgetan haben, oder an den Spuren von „Wilden“ Streiks in der Geschichte der Arbeiterbewegung nicht nachgegangen werden konnte und sollte. Ganz abgesehen davon, daß Günther Hörmann für sich selbst diese Aufgabe nicht mehr in Angriff nehmen wollte (und will): „Das ist vorbei. Ich bin erschöpft.“

Mehrfach wurde Verwunderung darüber geäußert, daß es zu diesem Arbeitskampf kein Archivmaterial gibt. (Bei der DFFB sollen jetzt belichtete Filmrollen aufgefunden worden sein, zu denen allerdings kein Ton erhalten ist.) Eine Erklärung könnte darin zu finden sein, daß weder die IG Metall noch die Seite der Arbeitgeber ein Interesse daran hatten, diesen Streik NICHT in Vergessenheit geraten zu lassen. Einmal mehr also e.in Beispiel in der Geschichte dafür, wie Gewerkschafts- und Kapitalvertreter mit vereinten Kräften den spontenan Streik einer Belegschaft zerschlagen haben.

Daß die IG Metall den Streik gleichwohl getragen hat, geschah in der klar kalkulierenden Absicht, ihm damit auch seine Schärfe zu nehmen, denn das betriebssyndikalistische Modell kollidiert mit der zentralistischen Vorstellung der Gewerkschaft. Verblüffend dennoch, daß dieser Arbeitskampf orffenbar bei den Kollegen in Rheinhausen unbekannt geblieben ist und daß auch in der Geschichtsschreibung der außerparlamentarischen Linken kaum ein Hinweis darauf erhalten ist.

Vielleicht, so wurde gemutmaßt, liegt dies aber auch an daran, daß die Forderungen der Streikenden sich ausschließlich auf finanzielle Verbesserungen gerichtet haben. „Wir haben geglaubt, daß es um mehr geht als um Geld, aber wir waren wohl blind.“ (Zuschauer) Günther Hörmann konzidiert „ein bißchen Melancholie“, denn „es war auch für uns ein schmerzlicher Lernprozess, daß sich aus den Arbeitskämpfen Ende der 60er Jahre nicht etwas ähnliches entwickelt hat wie in der Weimarer Republik.“

Im Verhalten der IG-Metall Funktionäre während der Auseinandersetzungen erkannte ein Zuschauer Parallelen zu den Wende-Hälsen in der SED und fand darin den Film hochaktuell. Auf Reaktionen der offiziellen IG-Metaller auf den Film befragt, bemerkte Günther Hörmann, es sei ihnen egal.

Kritik wurde laut zur unverkennbaren ästhetischen Oberhöhung der Industrieanlagen („ästhetisch lecker“), die Günther Hörmann auch akzeptierte. Er hatte sich trotz Bauchschmerzen dafür entschlossen, seiner eigenen Faszination nachzugeben, denn in der Gegenüberstellung mit Aufnahmen von Produktionsanlagen, die automatisiert und per Computer organisiert sind, wird zugleich eine Veränderung der Produktionsweise deutlich, die ein weiteres Motiv für die Interesselosigkeit abgibt: in diesen neuen Verhältnissen ist es geradezu ausgeschlossen, daß ein solcher Arbeitskampf jemals wieder aktuell wird.