Film

AMERICAN BEAUTY LTD
von Dieter Marcello
DE 1989 | 85 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 13
15.11.1989

Diskussion
Podium: Dieter Marcello
Moderation: Detlef Saurien
Protokoll: Michael Kwella

Protokoll

Detlef Saurien eröffnete das Gespräch mit der Frage nach den Produktionsbedingungen, da das Thema Arbeitswelt normalerweise doch nur mit Unterstützung des Fernsehens zu realisieren sei.

Dieter Marcello: Obwohl es sich bei diesem Film um seinen ersten handele, sei es ihm gelungen, von fünf verschiedenen Stellen Filmförderung zu erlangen; diese hätte zwei Drittel der Produktionskosten gedeckt. Mittel vom Fernsehen hätte er nicht erhalten, aber so habe ihm auch niemand in seine Konzeption hineinreden können. Sein Hauptproblem sei gewesen, Mitarbeiter zu finden, auf die er sich als filmischer Laie habe absolut verlassen und ihnen vertrauen können.

Seit dem Alter von 17 Jahren habe er den Wunsch gehabt, einen Film zu drehen; das vorliegende Thema sei dann der Anstoß gewesen, dies endlich zu tun – ausgelöst durch den Widerspruch der grandiosen Fresken im Automobilmuseum Detroit im Gegensatz zu einem kleinen Bild von Frida Kahle daneben: In ihm habe die Künstlerin die Zerstörung der Staat durch den Autoverkehr 50 Jahre vorher visionär dargestellt, während die Fresken nur verherrlichend seien.

Die Vorarbeiten für den Film hätten anderthalb Jahre gedauert, die Fertigstellung sei durch Probleme des Kopierwerks bei der monochromen Angleichung der SW-Sequenzen um ein halbes Jahr verzögert worden.

Ob sich das Verhältnis von Inszenierung und dokumentarischen Teilen in seiner Gewichtung während der Arbeit verändert habe?

Nein, denn das Strukturprinzip des Films sei immer schon seine grundlegende Filmidee gewesen: Archivmaterial zu verwenden und Spielteile bis auf Kostüm-, Schnitt- etc. Genauigkeit hin in Szene zu setzen, um in der Verbindung einen nahtlosen Fluß zu erreichen.

Ob dieser Film denn noch ein Dokumentarfilm sei?

Nein, Dieter Marcello sieht ihn ganz klar als Spielfilm. Gleichwohl gehe der Film in all seinen Facetten – Episoden, Personen – auf wahre Geschichten zurück, die teilweise mit seiner Familie zu tun hätten. Der Protagonist im aktuellen Teil solle übrigens ihn selbst darstellen.

Einem Zuschauer war die letztendliche Kategorisierung des Films egal – für ihn sei nur wichtig, wie die Mischung von Dokumentation und Fiktion ein Gespür davon vermittle, wie komplex und kompliziert Geschichte sei – und da fände er sehr spannend, welche Fantasie „American Beauty LTD.“ beim Zuschauer freisetze.

Dietrich Leder wollte dem nicht folgen. Er bemerkte, in der Auswahlkommission hätte es einen langen Streit bezüglich der Nominierung des Films gegeben.

Er selbst spüre einen wahnsinnigen Druck in jeder Episode, jedem Bild – den Druck von Dieter Marcello, erlebte Geschichte(n) in den Film zu packen. Das habe dazu geführt, daß die inszenierten Passagen wirkten wie die eines siebzehnjährigen, der gerne Filme machen möchte und – mit Verlaub – mit postpubertären Ausdrucksformen seine Vorstellungen von Sex, Frauen und Männern veräußere. Man würde dem Film anmerken, in der Brust des Machers hätten zwei, drei Seelen miteinander gerungen: dieses Jahrhundert darzustellen, dazu seine persönliche Geschichte und die Perspektive der Städte

Dieter Marcello: Vielleicht sei es ja ein Problem, seinen Film auf einem Dokumentarfilmfestival zu präsentieren, da die Anwesenden eine spezifische Erwartungshaltung hätten. Ansonsten hätte es den Druck für ihn tatsächlich gegeben, nur hätten für ihn nicht die einzelnen Fakten und Texte im Vordergrund gestanden – wie beim Spielfilm üblich könnten die einzelnen Facetten zurücktreten, von überragender Bedeutung sei der bleibende Gesamteindruck: was den einzelnen Menschen eigentlich in ihrer Zeit jeweils passiert sei.

Fosco Dubini: Grundsätzlich ließe sich bei filmischen Mischformen der Übergang zwischen inszenierten und dokumentarischen Teilen verschärfen oder abschwächen; Marcello sei den Weg des Abschwächens, des Angleichens gegangen. Nur sei das nicht immer gelungen, der Film würde in formalen Momenten immer wieder kippen – das koste Energie, sich als Zuschauer stets aufs Neue in die Fiktion hineinholen lassen zu müssen.

Dieter Marcello: U.a. um dieses Problem möglichst klein zu halten, habe er sich für den Schnitt fünf Monate Zeit gelassen. Seine Intention sei gewesen, in die Horizonte der Personen hineinzugehen. in ihnen zu bleiben – deshalb sei er um eine möglichst präzise Angleichung von Dokumentation und Inszenierung im historischen Teil bemüht gewesen.

Werner Ruzicka: Jetzt – im Gespräch – würden Geschichten hinter den Geschichten spürbar; er könne sich vorstellen, im privaten Austausch mit Dieter Marcello von ihm viel hören zu wollen und lernen zu können. Doch der Film hätte ihn kälter gelassen als dieses Reden. Die Idee des Films sei großartig, aber die Umsetzung im handwerklichen Detail fragwürdig. Das Buch wäre vermutlich gut zu lesen – nur beim Sehen hätte er sich stets eingebunden gefühlt in ein kristallines Konstrukt.

Dieter Marcello: Er glaube an sein filmisches Prinzip und daran, daß es funktioniere. Sicher sei sein Film wie jedes Erstlingswerk überladen, gleichwohl würde sich seine Botschaft – wie etwa in der Sequenz, wo er viele Bilder vom Verkehr zeige- subkutan vermitteln.-

Ein Zuschauer merkte an, während einer Sexszene hätten – untypischerweise – Zuschauer das Kino verlassen. Klar sei, der Film handele von Geschichten um Lebensbedingungen, von der historischen Verbindung von Privatem und Politik – dies gelte jedoch nicht für die Episode von heute, während im historischen Teil die Nacktheit ausgespart bliebe.

Dieter Marcello: Der aktuelle Teil würde sich vom historischen schon deswegen unterscheiden, weil nicht mehr die Protagonistin die Männer beschriebe, sondern er sich selbst. Für die Sexszene habe er sich entschieden, da die Sexführung des Denkens von Männern früher über Maschinen, grandiose Entwürfe für neue Techniken, Gewerkschaften, Gesellschaften etc. geleitet war – also eine nach außen gerichtete Veräußerung. Heute sei das jedoch anders. Beim nächsten Film würde er die Sexualität auch im historischen Teil berücksichtigen.