Film

Konsonanz con Dissonanz
von Pia Landmann, Sabine Fröhlich
DE 1988 | 95 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 12
10.11.1988

Diskussion
Podium: Pia Landmann, Sabine Fröhlich
Moderation: Bärbel Schröder
Protokoll: Michael Kwella

Protokoll

Am Anfang stand die Frage nach der Arbeitsstruktur – ein Zuschauer hatte den Film trotz der Unterschiedlichkeit der angesprochenen Problemkreise als klar gegliedert und analytisch vorgehend erlebt.

Pia Landmann: Sie hätten mit einem Fragenkatalog gearbeitet, den sie jeweils den einzelnen gestellt hätten. Seien dabei interessante neue Aspekte aufgekommen, wären die in die weiteren Gespräche miteingeflossen.

Sie hätten sich für das {teilweise vom Publikum kritisierte) Aufgreifen mehrerer Kompositionen entschieden, da es sich um eine Konzert-Reihe gehandelt habe, sie sich zudem auf die verschiedenen Komponisten hätten einlassen wollen. Die Musik von Wagner (als ein Zuviel beanstandet) wäre nur am Rande gewürdigt worden, doch sei sie ihnen wichtig gewesen, da die anderen Kompositionen Bezug auf sie genommen hätten.

Ein Zuschauer empfand die Form des Films als chaotisch und willkürlich; von der Aneinanderreihung der gezeigten Personen her, von der Überlappung der Bilder und Töne. Ein Standpunkt der Filmemacherinnen zu dem Sujet sei ihm nicht deutlich geworden.

Sabine Fröhlich: Die Musik selbst sollte nur einen Teil des Films ausmachen; wichtig sei ihnen das Interaktions-Geflecht zwischen Komponisten, Dirigent und Orchester gewesen, insbesondere die Polaritäten, die zwischen den Personen entstanden seien. Das herauszuarbeiten sei ihre Haltung als Filmemacherinnen gewesen. Dietrich Leder attestierte dem Film Mosaik-Charakter und wollte wissen, ob die Vorüberlegungen für die gewählte Struktur daraus resultierten, daß klassische/konventionelle Erzählformen für einen Film über zeitgenössische Musik nicht taugten?

Landmann: Ja, das Konzept sei so von vorneherein klar gewesen, hätte lediglich eine Veränderung durch die unvorhergesehene Verfeindung zwischen Dirigent und Orchester erfahren.

Einige Zuschauer äußerten, der Film habe „ihnen neue Einsichten vermittelt, etwa Aufschlüsse über die Schwierigkeiten mit moderner Musik im allgemeinen oder über den Widerstand von Orchestern gegen sie. was sei das eigentlich für eine „Musik“, wenn das Orchester sie gar nicht spielen wolle, dennoch am Ende ein fertiges Produkt aufgeführt werde – eine Art Industrie-Musik?

Werner Ruzicka: Konsonanz con Dissonanz sei mehr als nur ein Film über Musik, sei gleichsam eine Parabel für die Wirklichkeit, da vergleichbare Polarisierungen überall im Leben zu finden seien. Kritisch sei jedoch anzumerken, daß die Portraits der Komponisten eher locker versammelt als organisiert erschienen. Landmann/Fröhlich: Ihr Anliegen sei hier in erster Linie gewesen, Unterschiede bei den Komponisten herauszuarbeiten; de facto seien sie vereinzelt.

Unmut wurde von verschiedenen Seiten über die Statements der Konzertbesucher zu. Schluß artikuliert; sie seien angehangen und überflüssig gewesen. Pia Landmann: Ursprünglich hätten sie die Besucher-Reaktionen weitaus mehr in den Film miteinbeziehen wollen; am Schneidetisch hätten sie sich dann für eine weitgehende Reduktion entschlossen, doch inzwischen stehe sie selbst mit diesem Rest auf Kriegsfuß.

Hingegen eine Zuschauerin: Solche Polarisierungen wie die im Film gezeigten könnten nicht gutgehen; ein Dirigent könne ein Ziel nicht gegen das Orchester durchsetzen – daß dies nicht geklappt habe, könne man den Besucher-Statements entnehmen, und insofern seien sie wichtig.

Harun Farocki wandte sich gegen die im Auditorium offenbar vorherrschende Einschätzung. nur durch Harmonie könne ein gutes Produkt entstehen – dies sei eine Wunschvortsellung. Er kenne es aus der Filmarbeit, daß manchmal Konflikte geradezu notwendig seien, damit aus ihnen eine produktive Spannung im „Ensemble“ erwachse.

Pia Landmann widersprach: Bei moderner Musik sei bereits der „Kampf um die Noten“ sehr ausgeprägt – wenn er dann auch noch gegeneinander geführt werde, sei es überaus problematisch. Zumal da die Musiker schon erheblich belastet seien. beispielsweise wenn sie ihre Geige wie ein Schlagzeug traktieren müßten. Sie würden sich dagegen wehren, eine neue Funktion zu bekommen.

Ruzicka stellte die Überlegung in den Raum, ob das ganze nicht möglicherweise doch eher eine (Freiburger) Provinzposse sei – vielleicht sowohl Klangkörper als auch Dirigent schlichtweg ungeeignet für diese Form der Musik wären, zumal institutionalisierte Apparate ohnehin ein fraglicher Platz für Avantgarde seien. Bertram Rotermund (Freiburg)/Pia Landmann: Eher fehle doch bei Musikern generell die Aufgeschlossenheit für die Moderne, schon auf den Musikhochschulen würde die Klassik dominieren, nicht einmal junge Musiker wollten sich mit dem Neuen auseinandersetzen.

Moniert wurde von anderer Stelle, daß im Film eine kritische Haltung gegenüber den Orchester-Musikern gefehlt habe. Landmann: Sie wären schon kritisch gewesen, doch auch parteilich für die Musiker, die ziemlich viel auszuhalten gehabt hätten. Schließlich müsse ein Dirigent in der Lage sein, positiv motivieren zu können.

Karl Heinz Stockhausen (der wegen Unzufriedenheit mit der Aufführung am Ende nicht auf die Bühne gekommen war) müsse akzeptieren, daß auf dem Weg Komponist – Dirigent – Orchester auch Einiges auf der Strecke bleibe. Oder er solle zur Vermeidung von Abweichungen seine Kompositionen selbst in synthetische Musik umsetzen.