Film

Frühstück für Feinde
von Jochen Baier, Norbert Kerkhey
DE 1987 | 94 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 12
11.11.1988

Diskussion
Podium: Jochen Baier, Norbert Kerkhey, Ludolph Weyer (Kamera)
Moderation: Bärbel Schröder
Protokoll: Anne Schiwek

Protokoll

Ausgiebig diskutiert wurde die Machart des Films, Dokumentarisches und Fiktionales zu montieren.

Ein Zuschauer bemängelte die lockere Verwendung so unterschiedlichen, brisanten Materials wie der Kriegsbilder aus Vietnam und einer inszenierten Hinrichtungsszene im Wald. Norbert Kerkhey: In Vietnam hat es den Anfang genommen, daß Unruheherde ausgeklammert und Menschen umgesiedelt wurden, um Ruhe wiederherzustellen. Dies hat eine Geschichte, die bis heute andauert; insofern haben die Materialien einen inneren historischen Zusammenhang.

Kritisiert wurde das unentschiedene Hin- und Herpendeln des Films zwischen Gags und ernsthaftem Anliegen, um gegen Ende ins bloß Gagige umzukippen. Dazu Baier: Wenn man Texte des BKA liest, kann man sich wegen des Beamtendeutschs „vor Lachen in die Hose machen.“ Gleichzeitig beschleicht einen der Horror, denn das „Ausgekotzte“ wird vom BKA in die Tat umgesetzt.

Die Brisanz des Stoffes verliere im fiktionalen Rahmen, der auf die Lachmuskeln drücke, an Schlagkraft – so eine Kritikerin. Dem hielt Baier entgegen, wenn die Machart zum Nachdenken anrege, sei es das Beste was passieren könne. Die Fiktion des Films ist die Realität der Verwaltungsbeamten, die alles in den Griff bekommen und unter Kontrolle halten wollen.

Einige Szenen innerhalb der Fiktion seien zu sehr ausinszeniert und gewinnen dadurch eine zu große Dominanz, meinte· ein Zuschauer, andere wiederum laufen zu abrupt ab. Die Filmteile sind so ungleichmäßig behandelt worden. Dieser Meinung wird beigepflichtet. Stellenweise ist der Film „brillant“, dann aber wieder „faul“ inszeniert, worden.

Nach Baier ist der Stoff rein dokumentarisch nicht handhabbar. Schon die Eingangsidee des Films muß inszeniert werden: In einer großen Stadt bricht das Chaos aus, weil nachts die Lichtversorgung zusammenbricht. Für Baier ist nur ein spielerischer Umgang mit Fakten möglich, wobei er nicht bestreitet, daß das BKA ganz real Menschen umgebracht hat. Für ihn ist entscheidend: Wie gehen wir mit der Totalität der Erfassung und Kontrolle um?

Einem Kritiker fehlte der verständliche Zugang zum Film, was auch damit zusammenhängt, daß die Regisseure mit den Fakten spielen und sie relativieren. Er führte ein Beispiel an. Zu den Kriegsbildern von Vietnam wird im Text gesagt: Hier fand der Krieg gar nicht statt, sondern in Heidelberg. Das ständige „Hin- und Herhüpfen“ zwischen den beiden Ebenen erzeugte bei ihm Konfusion.

Baier erläuterte zur Idee seines Films, er habe drei große Verwaltungsapparate darstellen wollen; das Bundeskriminalamt, die „Terrorismusverwaltung“ und einen internationalen Konzern. „Wenn dich alle haben wollen, kommst du an der Schnittstelle durch. Viele Jäger sind des Hasen Chance.“ Die RAF und die Staatsapparate sind aufeinander fixisert. Sie bekämpfen sich war gegenseitig, gleichen sich aber im Laufe der Zeit in ihrer psychischen Struktur immer mehr. So hat Gerold als Fahnder alten Schlages von der „Schweißnähe“ zu den RAF-Leuten gesprochen.

Dagegen wurde eingewandt, man könne die Terrorismusszene nicht einem Verwaltungsapparat gleichstellen. Das sei nie das Anliegen der RAF, gewesen, das sei falsch.

(Einige Diskussionssteilnehmer verließen in der Mitte der Diskussion den Raum, weil der nächste Film begann. Es wurde mit einer kleineren Besetzung weiterdiskutiert.)

Der Schluß des Films wurde von mehreren Seiten kritisiert. Die Schlußszene im Stau auf der Autobahn sei nach einem Filmzitat von Godard aufgelöst worden. „Laßt den Film lieber lapidar enden, einfach im Stau. Ihr macht an dieser Stelle Kino, das ihr nicht könnt.“ (Protest von den Filmemachern: die angesprochene Szene verläuft bei Godard anders.)

Eine Kritikerin setzte sich mit der gezeigten Vergewaltigung auseinander, in der „eine schöne Frau auf einem Sportwagen“ liegt. Das sei zu schön und lächerlich inszeniert. Und: „So sieht das nicht aus, so passiert das nicht.“ Die Kamera geht nur en passant über die Szene hinweg, aber jeder Zuschauer nimmt sie wahr. Das sei „frauenfeindlich“, ein anderer sprach von „Rotzigkeit“.

Vermutungen wurden angestellt, ob dem Film ein höheres Budget gut getan hätte. Da, wo der Film „Stil“ habe, fehle es deutlich sichtbar an Mitteln. So guckt man z.B. in der Buffet-Szene „zu sehr ins Leere“.

Dem widerspricht Baier. Ihm ist es lieber, mit wenig Geld eine Geschichte zu erzählen, die er erzählen kann. Der Film ist die zweite Arbeit des Teams.

Es gab aber auch positive Stimmen zum Film. Eine Zuschauerin. sah in ihm eine „hochinteressante“ Aufarbeitung der Geschichte seit 1968. Ihr sei deutlich geworden, daß es einen strukturellen Zusammenhang zwischen dem Vietnamkrieg und der Versteinerung in unseren modernen Städte gäbe. Durch die Verpackung dieser Idee in eine traditionelle Agenten- und Love-Story würde der Inhalt phantasievoll gebrochen werden. Bei den Diskussionen um Rheinhausen habe man nur die Aktivitäten der Betroffenen gesehen. Die vordergründige Dramatik sei aber ein Ablenkungsmanöver zur Verdeckung des wirklichen Dramas, daß unsere Städte zu riesigen „Verschiebebahnhöfen“ werden. Dieser Film habe einen „hohen Erkenntniswert“ für sie, weil er nicht in der gewohnten Moral steckenbleibe, wie schrecklich alles sei.

Ein anderer pflichtete ihr bei. Ihm hat der Film verdeutlicht, wie Menschen von Verwaltungsapparaten als Drahtzieher im Hintergrund zu bloßen Marionetten degradiert werden. „Wir haben immer noch Vietnam, nur sehen wir es nicht mehr. Denn wir leben in einem geordneten Chaos.“