Film

Dazwischen
von Alexandra Pohlmeier
DE 1987 | 60 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 12
12.11.1988

Diskussion
Podium: Alexandra Pohlmeier, Peter von Strombeck (Ton)
Moderation: Dietrich Leder
Protokoll: Conny E. Voester

Protokoll

An der Diskussion haben sich auffallend viele und verschiedene Frauen beteiligt; anfangs dominierten Fragen nach dem Vorgehen, der Methode, später wurden mehr eigene Empfindungen, Erfahrungen und Eindrücke formuliert.

Als Ausgangsbedingung hat Alexandra Pohlmeier mit ihren Eltern vereinbart, einen Film über sie zu machen und dafür zwei Interviews zu führen. Das Gespräch mit ihrem Vater fand in Alexandra Pohlmeier’s Wohnung statt, das Gespräch mit ihrer Mutter bei der Mutter. „Daß sie mich so direkt ansprechen, hat sich erst im Lauf des Interviews entwickelt“. Die Mutter war skeptischer als der Vater und wollte das gesamte Material sehen, bevor sie ihre Einwilligung geben wollte, daß der Film so gezeigt werden kann. Mit dem fertigen Film ist sie zunächst überhaupt nicht einverstanden gewesen. eine Stelle wurde ganz rausgenommen und nach nochmaliger Sichtung gemeinsam mit Freunden und Beratern der Mutter hat sie öffentlichen Vorführungen zugestimmt mit der Einschränkung, daß der Film solange nicht in Bayern gezeigt wird wie sie noch berufstätig ist. Sie stört sich am meisten daran, was der Vater sagt: „Wie kann man nur sowas sagen?“.

Bei den hat Alexandra Pohlmeier die selben Fragen gestellt, gerade auch aufgrund ihrer Erfahrungen als Kind (mit denen sie kaum zurande kam) daß jedes Elternteil etwas anderes sagt und manche der Fragen danach wie es „denn nun wirklich war“ sind bis heute ungeklärt.

Von Anfang an wollte Alexandra Pohlmeier selbst im Film nicht vorkommen und nur durch die Gestaltung und mit den Miniaturen sich als Person einbringen. Die Miniaturen hat sie gedreht als der Rohschnitt fertig war.

Die Entscheidung für dieses Thema und damit dafür, ein „privates Thema öffentlich zu machen“ hat Alexandra Pohlmeier vor allem im Hinblick darauf getroffen, daß sie meint. mit einem Abschlußfilm an der Hochschule (für Film und Fernsehen in München) die Möglichkeit zu haben, die es nie wieder in der von ihr gewünschten Kompromißlosigkeit geben wird. Es erschien ihr darüberhinaus sinnvoll, dieses Thema bei einem Abschlußfilm auch als Abschluß eines biografischen Abschnitts zu wählen. Nachträglich hat sie festgestellt, daß das Publikum eigene Erfahrungen in Beziehung zum gezeigten setzt und damit die privaten Äusserungen, die es hört, verallgemeinert.

Das Verhältnis zu ihren Eltern hat sich durch die Arbeit insofern verändert. als sie in der Anfangszeit das Gefühl hatte „endlich mal all das gesagt zu haben, was ich schon immer mal sagen wollte und mir sonst keiner zuhört“, was sich jedoch im Lauf der Zeit dahingehend erübrigt hat, als sie „Distanz gewonnen hat“, denn sie empfindet ihre Eltern jetzt nicht nur als die eigenen Eltern sondern auch als „Erwachsene. die eben Problerne hatten und haben“.

Ein Zuschauer wendet sich vehement dagegen, „immer mehr privates öffentlich zu machen“ und meldet Bedenken an gegen den Film, der „den Personen nicht gerecht wird“ und „nichts aufarbeitet“. Dem entgegnet eine Zuschauerin, das „Private ist politisch“ und findet die Auseinandersetzung mit den Erfahrungen und Äusserungen anderer Menschen auch dann spannend, „wenn sie keine Berühmtheiten sind.“

Eine andere Zuschauerin bekennt, daß sie Schwierigkeiten mit dem Film hat, weil die Regisseurin in der Auseinandersetzung mit den Eltern „steckengeblieben“ und „einigen Spuren nicht gefolgt ist wie beispielsweise der Tatsache, daß es in den 50erJahren absolut ungewöhnlich war, daß eine Frau berufstätig war und schon früh ein festes Berufsziel vor Augen hatte.“ Sie hat irgendwann „einen Widerwillen gegen den Film entwickelt“, weil er ihr zu intim wurde und sie das Gefühl hatte „das geht mich nichts an“.

Als völlig konträr dazu beschreibt ein Zuschauer seine Erfahrungen während der Vorführung, bei der er „emotional wie selten hier mitgegangen“ ist und es – ketzerisch formuliert – spannender fand als „wenn jemand aus meinem Freundeskreis die eigene Geschichte erzählt“. Er hat während des Films einen Positionswandel vollzogen, der dem Vater schließlich konzidiert, daß er „wohl einiges klarer sieht“. Der Zuschauer vermißt jedoch die „eigene Position der Regisseurin“, denn der Filmtitel „Dazwischen“ deute schließlich darauf hin, daß diese Position „dazwischen“ beschrieben werde. Die Miniaturen findet er am wenigsten gelungen, zu platt und symbolträchtig (wie beispielsweise das startende Flugzeug nach der Scheidung) und manchmal einfach blöd.

Es sei zwar ihre Position „dazwischen“ gewesen. die sie eingenommen habe, den Film habe sie jedoch über ihre Eltern machen wollen, entgegnet Alexandra Pohlmeier. Sie habe auch auf Teile verzichtet, die die Kindheit der beiden während des Krieges beschreiben.

Sie habe den richtigen Ton gefunden, lobt eine Zuschauerin; der Film sei bar jeglicher Sentimentalität und vermittle eine allgemein gültige Aussage darüber „wie absurd es eben ist, wenn sich die Eltern scheiden lassen und was das Kind dabei erleidet“ ohne direkt über dieses Leiden zu sprechen. Als Zuschauerin habe sie während des Films einen Erkenntnisweg zurückgelegt, anfangs auch gelacht über die kleinen Widersprüche, dann aber die Vielschichtigkeit kapiert.

Die Vielschichtigkeit ist auch für eine andere Zuschauerin ein positives Merkmal des Films, der sie ansonsten sehr stark dazu animiert hat, sich mit der Mutter zu identifizieren, weil sie ähnlich wie sie versucht hat, in jener Zeit Beruf und Kind unter einen Hut zu kriegen. Sie – wie auch eine weitere Zuschauerin, die sich später zu Wort meldet – findet es auch gut, daß sich Alexandra Pohlmeier „raushält“.

Eine weitere Zuschauerin vermißt hingegen Anhaltspunkte, die außerhalb dessen liegen, daß „da jemand einen Prozess von Selbsterfahrung gemacht hat“. „Man wird zu Sympathie und Antipathie verführt und empfindet dies als Einschränkung.“

Die zweimalige Verwendung des Fotos vom Vater „im Wochenbett“ wird als mögliches Beispiel dafür angeführt, daß die Regisseurin und wie sie interpretiert. Ein Zuschauer erinnert sich, daß beim zweiten Mal der „Umschlagpunkt der Sympathie war“ und die Regisseurin hier explizit die Äusserungen der Mutter kommentiert, ja sogar widerlegt.

„Wenn es als eine Wertung empfunden wird, hätte ich es lieber nicht gemacht“ entgegnet daraufhin die Regisseurin. Alexandra Pohlmeier betont noch einmal, daß sie versucht habe, sich jeder Art von Kommentar zu enthalten, wobei ihr klar sei, daß „es gefärbt ist“. Sie habe mit diesem Foto vor allem filmisch experimentieren wollen, ob der Zuschauer es wiedererkennt.

Wie sich die Distanz oder Nähe zum Material während der Arbeit damit und mit den Eltern entwickelt habe, will jemand dann wissen. Alexandra Pohlmeier weist dann darauf hin, daß sie den Film nicht allein gemacht hat und Peter von Stromberg berichtet, daß sie stets als Gruppe von drei Personen anwesend waren (was besonders wichtig bei den Interviews war, denn dadurch konnten sich die Eltern schon während des Gesprächs entschließen, was sie einer größeren als der Familien-öffentlichkeit erzählen wollten). „Zuhören, das war das Wichtigste bei der Arbeit“, meint er – und damit nicht nur die Interviews.