Film

Alleingang zu zweit
von Michael Miensopust
DE 1987 | 90 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 12
1988

Diskussion
Podium: Michael Miensopust, Rolf Schroeter (Darsteller)
Moderation: Werner Ružička
Protokoll: Anne Schiwek

Protokoll

Der Regisseur über den Film:

Für M. Miensopust sieht die Entwicklung der Beziehung zwischen dem Zivi und dem Behinderten im Mittelpunkt seines Films, der eine Verarbeitung seiner eigenen Erfahrungen mit dem Zivildienst ist. Zusammen mit Rolf hat er das Drehbuch geschrieben. Die Rolle des Frank hat ein Freund des Regisseurs übernommen, ein Schauspielschüler. Zuerst bat Miensopust einen Dokumentarfilm machen wollen, ist aber immer mehr zu improvisierten Spielhandlungen übergegangen. In der Auswahl von Franke Rolle hat er sich weniger von seinem eigenen Typ leiten lassen, sondern hat die Personen mehrerer Zivis bei Rolf in dieser einen Rolle vereinigen wollen. – Vor dem Schnitt lagen zehn Stunden abgedrehtes Material vor.

Der Regisseur über seinen Zivildienst bei Rolf:

1984 hat Miensopust nach einer Schauspielausbildung zwanzig Monate Zivildienst in Rolfs (Film-)wohnung gemacht. Das sei für ihn durch die ungewohnte Festlegung ein sehr großer Einschnitt in seinem Leben gewesen. Anfangs habe er nur eine dienstliche Beziehung zu Rolf gehabt, habe aber bald gemerkt. daß das Problem weniger die Intimität oder für ihn fremde Gerüche in der Wohnung seien. sondern die Beziehung zu Rolf, die erst nach einer heftigen Auseinandersetzung an Intensität gewann.

Rolf über sein Leben und seine Erfahrungen mit Zivis:

Rolf macht täglich sechs Stunden Schreibarbeiten im Büro einer Schule für Geistigbehinderte. Dieser für ihn sehr wichtige Aspekt seines Lebens und auch die Darstellung seines großen Freundeskreises seien im Film zu kurz gekommen.

Die Zivis, die er sich selbst aussucht, besuchen leider erst nach 3 – 4 Monaten eine Zivildienstschule, wo sie Grundlegendes über spastisch Gelähmte erfahren. Seit neun Jahren wird er von Zivis betreut, was ihm einen Heimaufenthalt erspart; z.Zt. haben zwei Zivis seine Pflege übernommen. Das Verhältnis zu ihnen im Film sei nicht zu positiv oder „idyllisch“ dargestellt, wie von einem Zuschauer kritisiert wird. In der Regel gestalteten sich ihre Beziehungen sehr positiv, mit drei Zivis sei er heute noch befreundet. Schwierig allerdings sei für ihn seine „pädagogische“ Rolle, da er es mit sehr jungen Menschen zu tun habe, die erst ihr Elternhaus verlassen hätten und sehr isoliert seien.

Zuschauerstimmen:

Die Dramaturgie des Films wird unterschiedlich beurteilt.

Es wird kritisiert, daß der Film erst in der zweiten Hälfte nach dem Streit zwischen Rolf und Frank Spannung entwickele. Zu lange blieben die beiden in einem dienstlichen Verhältnis zueinander befangen. Miensopust hält dem entgegen, im allgemeinen würden (Film-)Geschichten zu schnell erzählt werden. Er habe zwar während der Dreharbeiten noch sehr wenig über seine Rolle als Regisseur reflektiert, aber selbst im Rückblick kämen Ihm die Szenen nicht zu lang vor. Dem wird aus dem Publikum beigepflichtet; der Filmrhythmus entspräche dem langsamen Prozeß des Sich-Annäherns der beiden Hauptdarsteller. Problematisch sei weniger die filmische Auflösung, als vielmehr die fehlende Präsenz Franke zu Beginn des Films. Ein Zuschauer berichtet aus seinen eigenen Zivildiensterfahrungen; er sei anfangs mit seiner Person auch nicht präsent gewesen, weil er so sehr mit sich selbst beschäftigt war.

Bemängelt wird, daß zu viele Szenen im Bad spielten. Der Regisseur verweist auf organisatorische Gründe; er sei während der Dreharbeiten nach Salzburg engagiert worden und hätte so für weitere Szenen keine Zeit mehr gehabt.

Die genaue Alltagsbeschreibung sei gelungen – so ein Zuschauer – und die Thematisierung der Sexualität sei sehr mutig. Wir „Normalen“ hätten im Kopf das Bild, Behinderte könnten uns nichts geben, das sei aber eher unser Problem, nichts annehmen zu können. Wichtig sei ein würdevoller Umgang miteinander.

Werner Ruzicka schloß die Diskussion mit einem Hinweis auf das Motto der Filmwoche. Der Film von M. Miensopust habe auf humane Weise gezeigt. daß die Zeit für eine positive Beziehung zwischen Behinderten und Gesunden arbeitet.