Film

In der Gnade der späten Geburt
von Hans-Rüdiger Minow
DE 1986 | 43 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 10
07.11.1986

Diskussion
Podium: Hans-Rüdiger Minow, Ludwig Metzger (Redaktion)
Moderation: Bärbel Schröder
Protokoll: Wolfgang Trostorf

Protokoll

Zunächst die Antworten Minows auf zwei Informationsfragen: Es gab den Versuch, die Ausstrahlung des Films per einstweiliger Verfügung zu verhindern, es gab Prozeßversuche der Gemeinde, des im Film erwähnten Polizisten und des Schuldirektors, die aber alle erfolglos blieben. Ein Versuch, den Film für Schulen zugänglich zu machen, wurde bislang nicht unternommen.

Die gesamte weitere Diskussion drehte sich um „das große Schweigen“ des FDP-Stadtrats und Schuldirektors Breidenbach. Werner Ruzicka sah in dieser Passage eine Metapher für das, woran auf den Duisburger Filmwochen immer gearbeitet werden soll, und wollte wissen, ob sie vorbereitet war, gesucht wurde. Minow verneinte, Breidenbach habe ihn zunächst nur in seiner Eigenschaft als Gemeinderat interessiert. Dessen Weigerung, sich mit der Vergangenheit zu befassen, führte zu der Idee, auch in der Schule nachzuforschen. Außerdem habe Metzger als Redakteur gefordert, Breidenbach ein weiteres Mal zu interviewen, nachdem seine Äußerungen im ersten Gespräch zu undeutlich blieben. Vom Ergebnis seien die Filmer völlig überrascht gewesen, sie hätten die Gesprächssituation als unerträglich empfunden. Minow wolle aber mit der langen, auch für den Zuschauer schwer erträglichen Sequenz keinesfalls eine Person an den Pranger stellen (Bärbel Schröder fragte danach). Vielmehr gehe es darum, einen Menschen zu zeigen, der sich seiner Verantwortung nicht stellt. Was der Zuschauer nicht weiß und auch nicht zu wissen brauche, ist der persönliche Hintergrund. Breidenbach habe sich nämlich bei seinem Vorgesetzten in der Schulbehörde erkundigt, wie er sich verhalten solle und die Auskunft, daß es nichts ausmache, wenn er wenig wisse, als Aufforderung zum Schweigen mißverstanden, die er dann treu befolgte. Jutta Uhl wies in diesem Zusammenhang auf die höfliche Umgangsweise mit den Befragten und darauf, daß die Schweigeszene schließlich auch nur ein Bild neben anderen sei, die in ihrer treffenden Aussage die Gefahr der Diffamierung einer Person ausschließen. Herr Viehahn gab zu bedenken, daß es andererseits den Tatsachen entspreche, wenn die Zuschauer Breidenbach als verlogen ansehen. Er habe nach der Ausstrahlung des Films im Fernsehen den Schuldirektor für die Abendschau interviewt, wobei er seine Ehre mit der Erklärung wiederherstellen zu können meinte, die Haken des Hakenkreuzes in der Schulklasse seien falschherum angebracht. Angela Haardt wandte sich wieder der mehr immanenten Interpretation zu, indem sie die Blicke Breidenbachs beschrieb: Sie zeigten zwar Beunruhigung, aber auch in einem leisen Anflug von Lächeln die Gewißheit, daß man ihm nichts anhaben könne, weil er schließlich mit seiner Haltung nicht alleine stehe. Minow grenzte sich von einer psychologischen Arbeitsweise ab, wie sie z.B. bei Heynowski und Scheumann zu finden sei. Die Haltung der Leute in Nümbrecht gegenüber den Worten Weizsäckers sei natürlich nur möglich, weil sie nicht alleine stehen. Dies aber beziehe sich auf die politischen Fakten, die Ereignisse in Bitburg und die Äußerungen Kohls, denen schließlich auch der Titel des Films entnommen ist.