Film

ABDULLA YAKUPOGLU
von Hans-Dieter Grabe
DE 1986 | 45 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 10
07.11.1986

Diskussion
Podium: Hans-Dieter Grabe
Moderation: Pepe Danquart
Protokoll: Toni Weber

Protokoll

Pepe Danquart ließ Minuten der Stille auf der Diskussionsrunde anfangs lasten, weil er sich weigerte, moderat der Diskussion Stichworte vor zugeben. Schließlich wurde von einem Zuschauer die erste tastende Frage an Hans-Dieter Grabe gerichtet. Auffällig und unklar sei, daß Abdullah Yakupoglu, ohne daß Fragen an ihn gerichtet werden, durchgängig berichtet. Dieser Eindruck sei so nicht richtig, korrigierte Hans-Dieter Grabe. Er habe wohl Fragen gestellt, nur aufgrund der ausführlichen Antworten hätten im Film die Fragen gestört. Die Konkretheit der Antworten von Abdullah Yakupoglu seien ein Glücksfall für die Produktion gewesen und seien wohl in der Hoffnung von diesem begründet, durch den Film eine Wiederaufnahme seines Verfahrens zu begünstigen. Die Intention für die Erstellung des Films habe Abdullah Yakupoglu wohl nicht voll begriffen. Diese Ausführungen bedingten die Frage nach der Erklärung, die ihm gegeben worden war. Hans-Dieter Grabe formulierte daraufhin präziser seine Absichtserklärung, die er seinem Protagonisten gegeben habe. Er habe ihm gesagt, daß er vorhabe einen Film über die Hintergründe der Tat zu machen, die viele durch die Zeitungen nur als Fakt kennen.

Das Vertrauensverhältnis, das einem Zuschauer durch den Film erfahren haben wollte, grenzte Hans-Dieter Grabe ein. Der Hauptgrund für die Offenheit vor der Kamera von Abdullah Yakupoglu sei in der Hoffnung begründet, eine Wiederaufnahme seines Verfahrens zu erreichen. Die Reduktion auf diesen selbst erläuterte Hans-Dieter Grabe über die Realität der Familienmitglieder. Die Tochter, die mit Perihan das elterliche Haus verließ und heute mit einem deutschen Mann verheiratet sei, kann sich öffentlich nicht als Türkin zu erkennen geben, weil ihr Mann, Versicherungsvertreter in einem kleinen Ort, befürchtet, falls die Nationalität seiner Frau bekannt würde, ruiniert zu sein. Die Mutter, die Schwester, die mit einem Türken verehelicht ist, und der Bruder verweigerten sich. Obwohl Hans-Dieter Grabe anfangs ein „dokumentarisches Gemälde“ der Familie habe erstellen wollen, habe er es dann unterlassen, auch weil durch die Aussage der anderen er sich nicht stärker hätte der Wahrheit annähern können. Er habe den Aussagen von Abdullah Yakupoglu soweit vertraut, daß sie ohne Unterstützung durch andere, was er zwischenzeitlich geplant hatte, geglaubt werden. Da der Film nicht verurteile, so Pepe Danquart, benötige er keine weiteren Belege. Die Schlichtheit und die Kraft der Konzentration des Films würden ihm genügen.

Danach brachte Miriam Quinte von der Medienwerkstatt Freiburg das grundsätzliche Problem des Films in die Diskussion. Sie kritisierte, daß der Film ein zu großes Verständnis für den Täter, einen Dogmatiker des Korans, schaffen würde. Auch andere Zuschauer äußerten nun, ähnliche Erfahrungen beim Sehen des Films gemacht zu haben. Dieser Sicht des Films widersprach Bärbel Schröder. Es ginge nicht darum alles zu verstehen, letztlich über eine Subsumtion des Fremden unter die eigene Kultur, vielmehr gelinge dem Film doch, die Distanz der Kulturen aufzuzeigen. Daß hier kein Kommentar diese Distanz nivelliert, wurde positiv beurteilt. Energisch widersprach Miriam Quinte. Über das Verständnis für die andere Kultur schaffe der Film auch Verständnis für die Unterdrückung der Frauen. Zudem würde sie annehmen, daß Abdullah Yakupoglu nicht die türkische Kultur repräsentiere, sondern eher innerhalb dieser ein Reaktionär oder doch zumindest ein Konservativer sei, für den der Film Verständnis erzwinge. Auch Magret Köhler beurteilte den Film aus dieser Perspektive. Der Film produziere Sympathie für den Täter und das Opfer entschwinde dem Blick.

Andere Zuschauer waren mit dieser eindeutigen Beurteilung nicht einverstanden. Es wurde geäußert, daß Abdullah Yakupoglu durchaus sich nicht unwidersprüchlich präsentiere bzw. der Film ihn zeige, was eine klare Parteinahme verbiete. Auch daß der Film nicht nur den Vater zeige, sondern gleichfalls das Problem von Perihan, zwischen den Anforderungen der zwei Kulturen entscheiden zu müssen, ohne Hilfestellung zu erhalten, letztlich auf sich gestellt sei. Bärbel Schröder versuchte nach diesen Äußerungen nochmals gegen die Sicht des Films zu argumentieren, die im Vater entweder einen Schuldigen oder einen zu Bemitleidenden sieht, wohingegen er zu allererst eine tragische Figur sei. Diese Intervention wurde zur Seite geschoben mit der Behauptung, durch den Film könne man zur Ansicht verleitet werden, in der Tochter die Schuldige für dieses Drama zu sehen. Weil sie nur über Fotos präsent werde, ansonsten aber der Vater den Film bestimme, lege der Film nahe, die Tochter zu verurteilen, weil sie nicht geheiratet habe. Dieser Wahrnehmung des Films setzte Klaus Wildenhahn entgegen, daß er eben diese Fotos sehr wirkungsvoll gefunden habe. Er beschrieb sie als der „stumme Anwalt“ der Tochter. Diese Wahrnehmung wurde ebenfalls unterstützt. Perihan sei einem vertraut.

Hans-Dieter Grabe, der den Anmerkungen und der Kritik der Zuschauer bislang konzentriert zugehört hatte, versuchte bedächtig die von ihm intendierte Wirkung des Films zu beschreiben. Der Film sei sicherlich eine Gratwanderung. Er habe beabsichtigt, weder die Tat zu entschuldigen, noch sie zu verurteilen. Seine Hoffnung sei gewesen, daß man Abdullah Yakupoglu zuhöre, um etwas über die türkische Kultur zu erfahren; über sie habe er etwas vermitteln wollen.

Daraufhin wurde der Inhalt des Films nochmals als die Tragik des Aufeinandertreffens zweier Kulturen beschrieben, die Abdullah Yakupoglu nicht entschuldige.

Nochmals nach dem Beweggrund für den Film befragt, führte Hans-Dieter Grabe breiter aus, daß dieses Projekt einige Jahre alt sei. Vor Jahren habe er in der Zeitung gelesen, daß ein türkisches Mädchen den Vater ermordet hat, um der eigenen Ermordung durch den Vater zu entgehen. Mit dieser Frau habe er jahrelang korrespondiert und vorgehabt, nach deren Entlassung aus dem Gefängnis mit ihr einen Film zu machen. Zum Zeitpunkt ihrer Entlassung sei er durch eine Zeitungsnotiz auf den Fall von Abdullah Yakupoglu gestoßen. Daraufhin habe er beide in einem Film zusammenführen wollen. Diesem Projekt habe sich dann aber die junge Frau aus Furcht vor der väterlichen Familie entsagt. 

Miriam Qunite hielt an ihrer Betrachtung des Films fest und versuchte, über den Hinweis auf die Struktur von Vergewaltigungsprozessen ihre Sichtweise des Films zu verdeutlichen. In den Prozessen werde über die gesellschaftliche Bedingtheit der Tat für den Täter versucht, Verständnis zu erzielen. Nur, so widersprach Bärbel Schröder, in diesem Film sei die Problematik des Urteils der Darstellung des Täters vorgängig.