Film

So frei wie der Löwe
von Fritz Baumann
DE 1983 | 90 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 8
08.11.1984

Diskussion
Podium: Fritz Baumann, Volker Tittel, Doris Wedemeier
Moderation: Brigitte Krause, Angela Haardt
Protokoll: Jochen Baier

Protokoll

Anspielend auf den schleppenden Diskussionsbeginn bemerkte Brigitte Krause, der Film sei vielleicht zu schön, um noch Diskussionen provozieren zu können. Der Film vereinige eigentlich alle „starken“ Eigenschaften – von einer ausgezeichneten Kamera über eine „tolle“ Montage bis zum Nahebringen von Menschen und Ideen …

Baumann berichtete zunächst kurz über die Arbeit an dem Film. Nach mehrjährigen Vorarbeiten sei es gelungen, ohne Förderungsmittel 3 Monate in Jamaica zu drehen. Die Kontakte zu den Protagonisten habe er noch aus seiner Zeit als Entwicklungshelfer vor 10 Jahren gehabt, andernfalls wäre es auch weitaus schwieriger gewesen, dort überhaupt zu drehen. Mißtrauen und Aggressionen gegen das weiße Team aus Babylon hätten sich durch die langjährige Bekanntschaft jedoch in Grenzen gehalten. Man habe sich, wie V. Tittel ergänzte, sehr viel Zeit gelassen und insgesamt über 10 Stunden Material abgedreht.

Die dadurch entstandene Ruhe im Film wurde allgemein positiv vermerkt. Hingegen fehle, wie eine Diskutantin monierte, der Frauenstandpunkt völlig. Es sei allerdings, wie Doris Wedemeier erwiderte, schwierig genug gewesen, überhaupt in Jamaica aufgenommen zu werden. Insbesondere die Rastafaris sähen überdies Frauen generell als „unrein“ an. Sie seien, wie die Filmmacher beteuerten, auch nicht glücklich über das Fehlen dieses Aspektes, aber es sei an die Frauen nicht heranzukommen.

Auf den kritischen Einwand, die Vermittlung der Rasta-Philosophie sei lediglich verbal geleistet, erklärte Baumann, es sei nicht Anliegen des Films, diese Philosophie, die nur unter Berücksichtigung ausgedehnter Hintergründe verständlich sei, zu vermitteln, sondern ein Lebensgefühl. Er habe sich auf die „Back to Africa“- Ansätze beschränkt, die man auch ohne Hintergrund verstehe.

Jarnaica sei aber, wie ein Diskussionsteilnehmer einwandte, ohne Hintergründe nicht zu verstehen, ebensowenig die Frage der Rückkehr nach Afrika, die zu einer sehr realen und starken Kontroverse in Jamaica geführt habe. Der Film spiegele insgesamt mehr die Bedürfnisse der Macher als die jamaicanische Realität. Er entwerfe ein Bild von Identität und Schönheit, aus dem gesell – schaftliehe Widersprüche ausgemerzt seien. Die vorgestellte schwarze Identität sei ein synthetisches Bild, das der Sehnsucht der Filmmacher entstamme.

Jeder, der Jamaica kenne, entgegnete Baumann, habe vermutlich einen eigenen Film im Kopf. Der Gefahr der Idealisierung habe er versucht, im Kommentar allerdings, ·zu begegnen. Freilich verdecken die schönen Bilder, aber – bitte schön – es sei dort eben auch schön.

Angela Haardt wandte ein, ein ähnlich gemachter Film über Deutschland hätte vermutlich helles Entsetzen hervorgerufen. Sie stimmte der Kritik, dieser Film offenbare die Sehnsuchtshaltung seiner Macher, die in der 3. Welt die heile Welt suchten, zu.

Weitere Diskussionsteilnehmer machten den Grund für diese Einschätzung in den „schönen Bildern“, für welche alle des Lobes voll waren, aus. Das Wort vom Palmenstrand machte die Runde und entwickelte sich zur eigenständigen Diskussionsmetapher: Die Frage wurde aufgeworfen, wie die Palmen gebrochen werden könnten. Walter Mossmann kam, nachdem die Filmmacher weitere Einzelheiten über die Produktion gegeben hatten, erneut auf die Palme zurück und bemerkte zur Wirkungsweise des Films, nicht die Palme sei das eigentliche Problem, sondern die Palme im Kopf des Europäers. Utopien wie die der Rastafaris könnten nicht vermittelt werden unter Auslassung einer Kritik des europäischen Blicks, der hinsichtlich der Südsee-Sehnsucht auf die Romantik zurückreiche. Viel wäre hier zu brechen gewesen.

Brigitte Krause hielt es jedoch nicht für die Aufgabe der Filmmacher allein, die Palmen zu brechen. Wie die Rastafari lebten, unter welchen Bedingungen sie ihr Brot verdienten, sei schließlich im Film zu sehen und zu hören. Es sei mithin auch die Aufgabe von Zuschauern, hinzusehen, auch hinter die Palmen.

Unter Hinweis auf den Boom der Alternativtouristen hielt es ein Diskutant freilich für die ausgemachte Pflicht der Filmemacher, die Probleme Jamaicas und das Verhältnis Europa – 3. Welt zu thematisieren. Jamaica werde auch kulturell – wie die Entwicklung der Reggae-Musik zeige –ausgebeutet.

Demgegenüber schilderte eine andere Diskussionsteilnehmerin ihre emotionale Reaktion auf den Film, der ihr durch sehr viele Details Einblicke gewährt habe, auf die sie sonst hätte verzichten müssen.