Film

Duisburg – knapp verfilmt
von Robert Bosshard, Friedhelm Schrooten
DE 1984 | 55 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 8
09.11.1984

Diskussion
Podium: Robert Bosshard, Friedhelm Schrooten
Moderation: Werner Ružička, Angela Haardt
Protokoll: Toni Weber

Protokoll

Die ersten Reaktionen, die geäußert wurden, beschrieben einen Film, der satirisch und parodistisch Dokumentarfilmarbeit darstellt.

Man fühle sich in dem Film zu Hause, weil er in seiner Montage die alltägliche, beliebige und beiläufige Wahrnehmung wiedergebe. Der Rhythmus der Montage und der Text sei der eigentliche Film, nicht die beliebigen Bilder wurde gelobt. Einen typischen S8-Film meinte man zu sehen, selbstironisch, verwackelte Bilder, unerträglicher Ton. Kritisiert wurde innerhalb dieser Rezeption des Films, daß dieses filmische Pamphlet seine Ideen zu stark ausreizen würde. Wenn auch Werner Ruzicka mehrmals versuchte dieser lustvollen Aufnahme des Films mißtrauisch Gegenfragen zu stellen, so war doch keiner bereit gegen eine Parodie sich zu wenden, sich mit dem parodierten Gegenstand des Films zu identifizieren. Es fehlten einfach Oberzeugte Dokumentarfilmer.

Doch als Robert Bosshard ironisch und launig zu erkennen gab, daß die Autoren keine Parodie beabsichtigt hatten, vielmehr Widerspruch herausfordern hätten wollen, gab es Sekunden der Ratlosigkeit. Natürlich hätten sie bewußt das Medium S8-Film verwendet, wegen der geringen Kosten. Der Film habe sie DM 300.- gekostet, weshalb sie auch nicht in das Lamento fehlender Subventionen einstimmen. Aber auch, weil sie den S8-Film nicht als kleines 16mm-Medium verstehen, sondern vielmehr dessen Professionalisierung ansteuern. Sie wollen zukünftig diese Technik noch weiter ausreizen, etwa so, daß sie sich während der Dreharbeiten die leichte Kamera zuwerfen. Die Montage soll hierbei weniger Schnittmontage sein, denn ein Montieren auf der Straße, beim Dreh. Der Ton laufe während der Dreharbeiten mit S8-Film verstehen sie als ein Skizzeninstrument, sie wollen keine Ölbilder anfertigen.

Bezogen auf den Film widersprach er den Annahmen des Publikums. Keines der Bilder sei beliebig, der Film müßte eigentlich 20 Stunden dauern, er sei viel zu kurz. D.h. sie sind bewußt mit Zeit umgegangen, haben jedes Bild genau ausgewählt, um Stereotypen zu vermeiden. Der Ton sei während der Dreharbeiten entstanden und nur ein Teil der Musik sei beim Anschauen des Films von Friedhelm Schrooten, der Musiker ist, dazugekommen.

Nach diesen Ausführungen und Werner Ruzickas Aufforderungen kontrovers zu diskutieren, fühlte sich Walter Mossmann unter Druck gesetzt, die Provokation ernst zu nehmen.

Als dann Robert Bosshard noch behauptete, daß hinter dieser Arbeit der politische Anspruch stehe, für die theoretische Auseinandersetzung um die Zukunft des Ruhrgebiets Anregung zu sein, widersprach das Publikum mit seiner Filmwahrnehmung.

Entsprechend dem Anspruch haben sich die Autoren neuralgische Punkte der Stadt herausgesucht und diese mit der Kamera aufgesucht; da sie die Absicht hatten diese Aufnahmen bei politischen Veranstaltungen zu zeigen. So sei das erste Kapitel des Films zu Walsum die Darstellung des „Urschlamms der Industrie“ und keine launige Sequenz in Hundeperspektive. Das zweite Kapitel zu Rahm und die weiteren zu Hüttenheim, Hochfeld, usw. ebenfalls Erkundungen der Stadt entsprechend der Intention.

Daß die einzelnen Teile des Films den Zuschauer einluden, unter wechselnden Perspektiven, Hund oder Einbrecher bei der Darstellung des Villenviertels Rahm wahrzunehmen, steht so konträr zur Intention.

Robert Bosshard konnte da nur noch von „versauter“ Wahrnehmung sprechen. Der Film solle zwar launig und lustvoll gesehen werden, aber nicht zu Lasten der politischen Aussage.

Als dann noch eingewendet wurde, daß der Film Trostlosigkeit ausstrahle, nicht über die Abbildung von Elementen der Stadt und ihrer Umgebung hinausgehe und letztlich lediglich eine pubertäre Verweigerungshaltung in S8 dokumentiere, war das ganze Mißverständnis offengelegt.

Robert Bosshard fühlte sich hierdurch genötigt, deutlich zu machen, daß er ein ganz anderes Verhältnis zum Ruhrgebiet und zu Duisburg habe; er erlebe sie als die spannenste Stadt. Gerade die Architektur dieser Stadt fasziniere ihn und er erlebe auch die Offenheit der Leute, durch die er sich aufgenommen fühle.

Doch diese Bekenntnisse riefen vehementen Widerspruch hervor. Der Film zeige nur Kulisse, keine Verbindung von Menschen und Architektur. Diese Filmwahrnehmung, derzufolge der Film lediglich eine voyeurhafte Annäherung an die Region, ihre faktische Kaputtheit erkennen lasse, wurde von mehreren bestätigt. Daß der Film eine Stadt ohne Menschen zeige, ließ Walter Mossmann vermuten, daß sich die Filmemacher bewußt von den Dokumentarfilmern, denen es um die Begegnung mit und um das Kennenlernen von Menschen gehe, haben absetzen wollen. Eine ganz andere Begründung gab Robert Bosshard für diese Darstellung. Die Autoren hätten schon vor, auch die Stadtväter zu filmen, nur wollten sie vorher erfahren, wie die Zuschauer auf ihren respektvollen Umgang mit Gebäuden und Umgebung reagieren, um zu wissen, wie sie Personen respektvoll zeigen können.

Die Rezeption des Films durch das Filmwochen-Publikum schränkte Robert Bosshard ein, weil der Film vielmehr für politische Veranstaltungen bestimmt sei. Doch man müsse nun schauen, wie die filmischen Mittel in dem Rahmen weiterzuführen sind, damit nicht die falsche Alternative zwischen lustvoller Rezeption und Pflicht gegenüber der Aussage entsteht.

 © Duisburger Filmwoche
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