Film

Zwischen den Bildern
von Hans Helmut Prinzler, Heide Breitel
DE 1981 | 60 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 5
1981

Diskussion
Podium: Hans Helmut Prinzler, Heide Breitel
Moderation: Angela Haardt
Protokoll: Corinna Belz

Protokoll

Eingangs berichtete Hans Helmut Prinzler über die thematischen Schwerpunkte des dreiteiligen Filmprojekts, das im Auftrag des ZDF von der Stiftung Deutsche Kinemathek, Berlin, produziert wurde, Der erste Film der Reihe befaßt sich mit dem Erzählkino am Beispiel der Montage von Western. Der zweite Film von Zwischen den Bildern, der in Duisburg gezeigt wurde, untersucht Montageprinzipien des mit dokumentarischem Material arbeitenden Films. Im dritten Film, von Helmut Herbst, werden die Filmemacher Jean-Marie Straub, Daniéle Huillet, Werner Nekes, Klaus Wyborny und Alexander Kluge vorgestellt. Obwohl die Länge der Filme jeweils 60 Minuten, entgegen der zunächst vorgesehenen 45 Minuten beträgt, erschien es den Filmemachern problematisch, in einer relativ kurzen Zeit einen Gang durch die filmgeschichtliche Entwicklung der Montage zu machen. Verkürzungen, Formulierungen von Thesen, eine Zuspitzung des Materials an Hand von Beispielen sei daher notwendig gewesen. In der Diskussion ergaben sich zwei Themenschwerpunkte:
1) Kritik an einer dualistisch ideologischen Auffassung der Filmgeschichte
2) Beliebigkeit der Bilder und gesellschaftliche Haltung der Filmemacher.

Zu 1)
Die Kritik mehrerer Zuschauer, der Film zeige ein dualistisches Bild der Filmgeschichte, konstruiere eine Zweiteilung symphonisch faschistoider Schnittechnik einerseits und einer demokratisch die gezeigten Menschen achtenden Montage andererseits, wurde ausgiebig an einzelnen Beispielen diskutiert. In der Auswahl der in Zwischen den Bildern. Teil 2: Montage im dokumentarischen Film gezeigten Ausschnitte aus den Filmen Berlin. Die Sinfonie der Grqßstadt (1927) von Walther Ruttmann und Spanish Earth (USA 1937) von Joris Ivens sah Peter Krieg eine Fälschung der Filmgeschichte, da eine Gegenüberstellung, die exemplarisch zwei Richtungen in der Montage-Geschichte konstatieren wolle, Filme von Ivens, wie z. B. Zuidersee (NL 1931-33) oder Das Lied der Ströme (DDR 1954), die einem durchaus symphonischen Montage-Prinzip folgen, einfach unter den Tisch fallen lasse.

Ein anderer Zuschauer, der sich dieser Kritik ansehloß, verwies darauf, daß es gerade zu dem Thema „Spanischer Bürgerkrieg“ mehrere Filme von linken Dokumentaristen gäbe, die ein symphonisches Organisa tionspri nzip für ihr Material entwickelt hätten. Eine rein formale Unterscheidung der Ausschnitte aus deutschen Wochenschauen, die glorifizierend eine Flußüberquerung an der russischen Front zeigen, und dem Film von Joris Ivens sei problematisch, da die Sequenz von der Eroberung eines Brückenkopfes aus Spanish Earth ähnlich aufgebaut sei. Ein weiteres Beispiel sei der Film Granada, Granada, o mein Granada … (UdSSR 1967) von Roman Katmen, der, obwohl erst fertiggestellt nach dem Sieg der Faschisten in Spanien, so arrangiert sei, daß man an den Sieg der Republik glauben müsse. Ein weiteres Argument, daß sich gegen eine Konstruktion von zwei Linien richtete, die die Filmgeschichte in „das Gute (dokumentarisch) und das Böse (symphonisch)“ teilen wolle, erinnerte an die Tradition der russischen Futuristen und an den Dokumentarfilmer Dsiga Wertow, der in gewisser Hinsicht ein Symphoniker gewesen sei, das heißt jemand, der mit seinem Material argumentiert. Auch die Argumentation des Films, die die Dada-Bewegung in einen Zusammenhang mit der Ästhetik von Berlin. Die Sinfonie der Großstadt bis hin zur gegenwärtigen Fernseh-Feature-Ästhetik bringe, sei unzulässig.

In bezug auf die Konfrontation eines Ausschnittes aus einem Kulturfilm der fünfziger Jahre und einer Sequenz aus einem Film von Peter Nestler, beide über Arbeit in der Stahlindustrie, bezweifelte ein Zuschauer das Funktionieren dieses Vergleichs; da ein Unterschied in der filmischen Darstellung von Arbeit in der kommentarlosen Gegenüberstellung lediglich behauptet würde; dies gelte auch für die Beispiele aus Spanish Earth und der deutschen Wochenschau, beides seien letztlich „Schlachtensymphonien“. Der eigentliche Unterschied aber läge nicht in der formalen Bearbeitung des Materials, sondern in der gesellschaftlich-politischen Haltung des Machers.

Prinz Lahr antwortete auf diese Kritik, daß es nicht die Absicht des Films gewesen sei, Eine einfache Teilung in „gute und schlechte“ Montagetechniken zu behaupten. Allerdings sein Heidebreite und eher der Ansicht, daß es diese beiden Bewegungen der symphonischen und der dokumentarischen Montagetechnik gäbe. Vor allem aber sei es ihnen wichtig gewesen, Eine Förderung der Aufmerksamkeit für Bilder und ihrer Montage zu erreichen, eine Aufmerksamkeit für das Verhältnis, in das einzelne Bilder durch die Montage gebracht werden, für Bewegungsabläufe, die sie konstruieren, für das Verhältnis von Bildern und Musik. Gerade der Ausschnitt aus Peter Nestlers Film sei aus diesem Grunde nicht weiter kommentiert worden, da man der Ansicht war, dass der Zuschauer den unterschied in der filmischen Darstellung von Arbeit selbst sehen kann, da sich Nestler auf die arbeitenden Menschen konzentriert hat, während der Kulturfilm vorwiegend Einstellungen von Maschinen und Produktionsabläufen rhythmisch montiert. Die parteiliche Haltung der Autoren von Zwischen den Bildern… Drücke sich gerade in der deutlichen Setzung der von Ihnen gewählten „Gegenbeispiele“ aus.

Zu 2)
Daran anknüpfend meinte Jutta Uhl, dass die eigentliche Fragestellung des Films dahin gehe, ob es eine Filmform gäbe, die weniger für ideologische Interessen missbrauchbar sei. Am Beispiel der NS-Wochenschau zeige sich, daß das Material in einer stringenten Linie organisiert sei, die dem Zuschauer den Zwang auf erlegen, in eine bestimmte Richtung zu denken. Die Frage wäre also, wie viele Subjektivität ein Film den Zuschauer zugestehen, ob er ihm die Möglichkeit lasse, „in den Bildern spazieren zu gehen“. Eine vergleichbare Beliebigkeit der Bilder von ihr, so ketzerisch das auch klingen mag, auch bei den „Lagerleben“-Bildern aus Riefenstahls Triumph des Willens (1935) und den Film der Traum von einer Sache (1981) auf.

Dietrich Leder wies daraufhin, daß die im Film gezeigte „Fernsehwand“, die die Beliebigkeit der Fernsehbilder belegen soll, eher ein „rhetorischer Trick“ als ein Argument sei. Durch die Analyse eines einzelnen Features wäre man dem Montage-Prinzip, das auf eine Ästhetisierung des Materials hinauslaufe und vorhandene Widersprüche einebne, auf den Grund gekommen, Karl Saurer hingegen war der Ansicht, daß die Konstruktion einer Fernsehwand jenem Bild entspräche, das die Programmstruktur in den Köpfen der Zuschauer hinterlasse.

Die Frage einer Zuschauerin, wie man das Verhältnis von linken und rechten Propaganda-Filmen beurteilen solle, wenn aus den Montage-Prinzipien keine formalen Unterschiede zu ersehen seien, wurde von den Diskussionsteilnehmern nicht weiter aufgegriffen, da die Begriffe „linke und rechte Filme“ in diesem Sinne nicht genauer definiert werden konnten. In Bezug auf den thematischen Aufbau des Films erläuterte Hans Helmut Prinzler, daß es unmöglich sei, Montage rein formal zu analysieren, Die Absicht des Films gehe dahin, die Filme, ihre Schnitttechnik im Verhältnis zu der Entstehungszeit zu sehen und einen thematischen Ansatz zu finden.

Auf die Kritik einer Zuschauerin, der Film lasse die politische Haltung der Autoren nicht deutlich werden, entgegnete Heide Breitel, daß dies gerade in dem Interview mit Joris Ivens zum Ausdruck komme, das mit der Frage eingeleitet werde, welches Ziel der Film Spanish Earth gehabt habe.

Klaus Helle erkannte für den Film Zwischen den Bildern. Montage im dokumentarischen Film das Prinzip, das Helen van Dongen in ihren Interviews erläutert: wir müssen daran denken, daß es nicht unser Ziel ist, den Publikum zu sagen, was wir denken, sondern ihm zu zeigen, was wir in den Sinn entdeckt haben als die Realität. Für Klaus Wilhelm war der Film insofern eine „kolossale Provokation“, als er ein sehr deutsches Problem angehe. In der Auseinandersetzung mit der deutschen Tradition des „symphonischen Films“, mit Rottmann angefangen, habe sich für ihn eine dokumentarische Methode entwickelt, die er in dem Interview in zwischen den Bildern. Montage in dokumentarischen Film erläutere; sie sei für ihn heute in diesem Land die Methode, die den Menschen am nächsten und am wenigsten korrumpierbar sei.