Film

Schah Matt
von Ulrich Tilgner, Thomas Giefer
DE 1981 | 90 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 5
1981

Diskussion
Podium: Thomas Giefer
Moderation: Jutta Uhl
Protokoll: Dietrich Leder

Protokoll

Thomas Kiefer erläuterte zunächst die Produktionsbedingungen des Films. Er sei nach dem Sturz des Schah-Regime das erste Mal in den Iran gefahren. Anlass war die Neugier was aus dem Sieg des Antiimperialistischen Kampfes werden würde. Die Neugier beruhte auch auf der Tatsache, daß ich das Bewusstsein der Studentenbewegung auch und gerade in der Auseinandersetzung mit der Politik des Schahs heraus gebildet hatte. (Kiefer hatte einen ersten Film über die Ereignisse des 2. Juni 1967 gedreht, Material aus dem damaligen Film leitete Schah Matt ein.) Er sei denn in den letzten drei Jahren fünfmal in den Iran geflogen, das letzte Mal war er im Mai 1981 dort, weitere Arbeitsmöglichkeiten werden jetzt nicht mehr bestehen.

Der Film sei dadurch finanziert worden, daß Gefahr gemeinsam mit dem Fernsehen Korrespondenten Tilgner aktuelle Magazinbeiträge für das Fernsehen im Iran gedreht habe. Schah Matt sei aus dem „Abfallmaterial“ dieser Fernsehberichterstattung montiert worden, obwohl er sich zu leicht gegen diese wende.

Die additive Form des Films – das neue Material sei an das jeweils vorhandene geschnitten worden – sei auch im Kommentar beibehalten worden. „Heute sind wir klüger, doch ich weigere mich, meine Sicht von damals zu übertünchen.“ (Giefer) Das nachfolgende Gespräch konzentriert sich auf zwei Aspekte. Einmal knüpften die Teilnehmer an die Bemerkung von Giefer an Dustin Finn die fernsehe Sprache anhafte. Dann wurde über die Folgen gestritten, in der die subjektiven Widersprüche des Filmemachers, was die Analyse der Vorgänge betrifft, für mich dargestellt werden.

Unter den Zuschauern, die das Bildmaterial wie die Überfülle der Informationen des Films kritisierten, waren einige, die den Film lobten. Die Dynamik der Revolution sei selten in einer solch intensiven Form bildlich erfaßt worden. Später wurde noch betont, daß die Stärke des Films vor allem darin bestehe, daß mit ihm Abschied von jener Film-Konjunktur genommen wurde, nach der modisch jeweils aktuelle Revolutionsfilme gedreht würden: erst Chile, dann Portugal, dann Nicaragua etc.

Giefer habe sich darauf eingelassen, die Ereignisse über mehrere Jahre zu verfolgen, sei nicht an der glanzvollen Oberfläche geblieben. Außerdem wäre der Film durchaus erfolgreich von in der Bundesrepublik lebenden Iranern zur politischen Information eingesetzt worden. Die anderen Diskussionsteilnehmer kritisierten den Film durchweg, warfen ihm Mängel und fehlende Konsequenz vor.

Beispielsweise würde man bei der Fülle der Informationen nichts über die Menschen erfahren, die in diesem Land leben und die Revolution getragen haben. Diese seien Stichwortgeber fi.ir eine Geschichtsschreibung geworden, die nach einem herkömmlichen Politikverständnis vorgenommen worden wäre. Es sei sicherlich schwierig, mit einzelnen Menschen ins Gespräch zu kommen. Doch die immer wieder aufgenommenen Gruppeninterviews würden den einzelnen Menschen nicht gerecht, entsprächen dem Farnsehstandard. Wichtige Bereiche seien nicht thematisiert worden, etwa die Rolle der Frauen. „Es ist vieles angerissen worden, aber nichts wurde ausführlich dargestellt. Die intensive Auseinandersetzung mit dem Thema hat sich im Film nur an wenigen Stellen mitgeteilt.“

Die Form des „Gegen-Features“, das im Stil der Fernsehberichterstattung Gegen-Information, Aufklärung gegen die Desinformation der bürgerlichen Medien liefern wolle, war sehr umstritten. Mehrfach wurde betont, daß nicht nur der Kommentar, der stets nur Ergebnisse und sichere Interpretationen ausgesprochen hätte, sondern auch die Aufnahmeweise im Iran selber fehlerhaft gewesen wäre. Die heftigste Kritik, die sich auch gegen die „verständnistriefende Diskussion“ richtete, nannte den Film »schlicht verantwortungslos“, da er die Geschichte verkürze, stets ausweiche, wenn es um die Kritik an den heutigen Verhältnissen gehe.

Ein Zuschauer wies darauf hin, daß das rationale Anliegen des Films – die Informationsvermittlung – das emotionale, den Bezug zur eigenen Biographie herzustellen, aufgehoben habe. Letzteres sei nur noch in jenen Kommentarpassagen aufzufinden, die Giefer selbst gesprochen habe, hier sei in der Stimme etwas von dem spürbar, was der Film zu Beginn versprochen habe. Giefer, der betonte, daß er trotz aller Selbst- und Fremdkritik überzeugt sei, daß der Film seine Informationsaufgabe erfülle, differenzierte noch einmal sein Vermittlungsinteresse: Primär wolle er mit dem Film über die (hierzulande diffamierte) Revolution des Iran informieren. Hinter diesem Interesse hätte der Wunsch, die eigene Haltung dem Gegenstand gegenüber zu thematisieren, zurückstehen müssen.

Während mehrere Zuschauer darauf insistierten, daß in einem solchen Informationsfilm durchaus auch Fragen offen bleiben dürften, daß das eigene Verwirrtsein zum Ausdruck kommen müsse, daß die analytische Unsicherheit aufgezeigt werde, verwies Giefer darauf, daß ein Film gerade nicht ein fertiges Ergebnis vorweise, sondern dic Schwierigkeiten, zu einem solchen Ergebnis zu gelangen, demonstriere. Während Giefer damit darauf anspielte, daß der Film in seinen Teilen jeweils unterschiedlich zu den Vorgängen Stellung nehme, von einer Haltung der Sympathie zu einer des Protestes gelange, verlangten die Zuschauer gerade von ihm, daß er genau das thematisiere. Gerade was Giefer wolle, daß sich die Abfolge der Einzeleindrücke nicht zu einer schlüssig erscheinenden Analyse verbinde, erschien den Zuschauern nicht erreicht. Ein Grund dieser unterschiedlichen Einschätzung mochte darin bestehen, daß sich für den montierenden Giefer die Widersprüche der Einzeleindrücke aufdrängten, während sie dem Zuschauer durch die Linearität der Erzählung verschwanden.

Thomas Giefer erzählte noch, daß er den Film dem ehemaligen Staatspräsidenten Banisadr in Paris vorgeführt habe und dieser nicht so sehr darüber erfreut gewe. sen sei, daß seine widersprüchliche Geschichte so überdeutlich wird. Banisadr wäre ein Film lieber gewesen, in dem sein jetziger Standpunkt propagiert worden wäre