Film

Was soll’n wir denn machen ohne den Tod
von Elfi Mikesch
DE 1980 | 105 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 4
22.09.1980

Diskussion
Podium: Elfi Mikesch
Moderation: Wilhelm Roth
Protokoll: Corinna Belz

Protokoll

Schwerpunkte der Diskussion:
1. Interesse der Duisburger Öffentlichkeit an der Filmwoche
2. Einsatz formaler Mittel (Auswahl der Musik, Off-Ton, Passagen, Auswahl des Filmmaterials)
3. Darstellung der alten Menschen im Film

zu 1.:
Am Anfang der Diskussion fragte ein Zuschauer nach der Öffentlichkeit, die die Filme in Duisburg erreichen. Der Film von Elfi Mikesch habe sicherlich ein sehr wichtiges Thema bearbeitet und daher sei es schade, daß er in Duisburg kein breites Kinopulikum fände. Wilhelm Rotherklärte daß in die Ankündigung der Filmwoche sehr viel Mühe investiert worden sei, aber offensichtlich wäre das Interesse an einem Dokumentarfilmprogramm generell nicht so stark. Daraufhin wurde der Vorschlag gemacht, die Filme künftig nach thematischen Schwerpunkten anzukündigen, um unter anderem die „Schwellenangst”, die sich mit einem Oberthema wie ‚Dokumentarische Filmformen’ verbindet, zu reduzieren.
Eine Zuschauerio bemerkte, daß es sicher auch eine Qualität der Filmwoche sei, den Charakter eines Arbeitstreffens zu haben. Hier verlaufe die Diskussion zu den Filmen – im Vergleich zu anderen Festivals – intensiver.

zu 2.:
Im weiteren Verlauf konzentrierte sich die Diskussion auf konkrete formale Merkmale des Films. Elfi Mikesch erklärte, daß dem Einsatz der Musik und der Entscheidung darüber, welche Szenen in schwarz-weiß oder in Farbe gedreht wurden, kein vorgefaßtes Schema zugrundelag. Sie habe die Auswahl entsprechend der Stimmung getroffen, wie sie sich ihr in der jeweiligen Aufnahmesituation vermittelte.
Die Folkloremusik, die einer Sequenz unterlegt ist, in der man eine türkische Reinmachefrau bei der Arbeit sieht, empfand ein Zuschauer als besonders. störend. Elfi Mikesch erzählte dazu, daß eben jene Frau sehr temperamentvoll und unbefangen gewesen sei. Sie habe dem Team ein Lied vorgesungen, das allerdings bei der Montage
– angesichts des ‚schwermütigen’ Themas
– zu ‚traurig’ erschien. Um die starke Anteilnahme der Frau an den Dreharbeiten dennoch in den Film aufzunehmen, habe sie dann diese türkische Musik ausgewählt: „Es ist so, daß sogar die Sachen, die nicht auftauchen im Film, dennoch im Film enthalten sind.”
Die langen Off-Ton Passagen, die Elfi Mikesch zum Teil bedauerte, weil die Gesprächssituationen auch im Bild sehr schön und intensiv hätten sein können, kamen durch im Augenblick nicht verfügbare Kamera oder in nächtlichen Gesprächen, bei denen die Kamera gestört hätte, zustande.
Auf die Frage, ob einzelne Szenen inszeniert wurden, antwortete Elfi Mikesch: „Es sind zwei Teile zusammengestoßen: Das, was ich vorgefunden habe und wie c“ mir dabei ergangen ist bzw. den anderen, die mitgearbeitet haben, um dann ein Uild zu machen von dem, wie wir es erlebt haben.“ In diesem Zusammenhang deutete >~uch ein Zuschauer die räumliche Orientierung der Kamera als den „Blick der Alten”.
Elfi Mikesch erklärte die Wahl der Kameraausschnitte und Bewegungen am Beispiel der Aufnahme des Treppenhauses: „Ich habe mir vorgestellt, wie es mir geht, wenn ich achtzig bin und diese Treppe runtersteige, und daß ich die dann nicht so erlebe wie jetzt.” Es sei bei diesem Film sicher auch wichtig gewesen, daß sie selber die Kamera gemacht habe, da durch ein möglichst kleines Team die Intimität der Gespräche mit den alten Menschen gewahrt blieb.

zu 3.:
Es kam die Kritik, daß der erste Teil des Films zuweilen an ‚absurdes Theater’ erinnert habe, während die zweite Hälfte als ‚näher den alten Menschen’, ‚genauer’ und ‚ehrlicher’ empfunden wurde. Elfi Mikesch sieht die ‚Brüchigkeit’ des Films. Darin liegt für sie ein fortschreitendes Moment des Arbeitsprozesses: „Für mich war das Wichtigste bei dem Film … , daß wir selbst eine Entwicklung durchgemacht haben während der Arbeit -also, daß man davon auch nicht frei ist, etwas falsch zu machen.”
Ursprüngliche Absicht war es, einen sozialkritischen Film zu machen über die Situation in einem privaten Altersheim. Dann aber verschob sich das Interesse mehr und mehr in Richtung der beiden alten Frauen. Zu der Frage, ob sich durch die Arbeit an dem Film ihre Haltung zum Altern verändert habe, verwies Elfi Mikesch auf die Montage: „Das Schneiden erfordert also zwei Monate Arbeit, und das ist dann praktisch das Resultat von der Erfahrung durch den Film.”
Besondere Aufmerksamkeit zog in der Diskussion eine Sequenz auf sich, in der die Pflegerin die beiden alten Damen eine Treppe hinunter in den Garten fUhrt.
Durch die unterlegte Musik erschien die Sequenz einem Zuschauer wie eine ‚Zirkusszene’, die ‚auf Kosten der alten Leute gehe’. Elfi Mikesch antwortete, sie habe in Bezug auf diese Darstellung überhaupt keine ‚moralischen Bedenken’, denn Humor und Komik seien genau das, was den alten Menschen abgesprochen werde, indem man sie immer so erlebe, als müßte man ‚weinen’ oder sie behandeln, als lebten sie schon ‚unter einer Glasglocke’. Der Kontrapunkt zwischen Musik und Bild baut ein Gegengewicht auf. Diese Montagetechnik wurde auch von einigen Zuschauern zustimmend kommentiert. Der Film habe in seiner Montage nie denunziativ eingesetzt, sondern die Aufnahmen ‚einfühlend’ montiert.
Mehrmals tauchte in dieser Diskussion die Frage nach den Voraussetzungen auf, was man tun könne, um die Isolation und Lieblosigkeit in Altenheimen zu durchbrechen, mehr Platz zu schaffen für Beziehungen, wie sie sich zum Beispiel in dem Film zwischen den beiden alten Frauen darstellt. Elfi Mikesch erwähnte noch, daß es ältere Leute mit dem Film schwerer haben. Eigentlich sei er mehr für junge Leute gedaeht, um ein Nachdenken und Verständnis für Altsein anzuregen. –