Film

„Ich würde hier nie weggehen“
von Ralph Grossmann, Günther Hörmann
DE 1979 | 50 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 3
1979

Diskussion
Protokoll: Uli Opitz

Protokoll

Der im Anschluß an Beate Roses Film diskutierte ICH WÜRDE HIER WEGGEHEN von Günther Hörmann und Ralph Grossmann weist zum vorher- gehenden eine inhaltliche Verbindung auf. Auch hier war es Absicht, einen erzählenden, ethnologischen Film herzustellen. Hörmann/Grossmann stellten ihre Produktionszusammenhänge dar: der vorgestellte Film muß zusammen mit einer Serie von 5 Filmen gesehen werden, die sich zwar alle mit dem Thema „Werftarbeit“ befassen, aber jeweils verschiedene Schwerpunkte setzen. Produziert wurden alle 5 Filme für die gewerkschaftliche Bildungsarbeit. Da Zweifel daran bestanden, in der Werft noch einmal filmen zu dürfen, wurde auf Filmmaterial von vor 2 Jahren zurückgegriffen, das in der Krisensituation von 1977 entstanden war. Aus der Schwerpunktsetzung der einzelnen Filme ergab sich, daß es hier nicht um eine vollständige Dokumentation des Landlebens gehen könne. Die Frage war anders akzentuiert: „Wie wird vor dem Hintergrund des Landlebens eine Krisensituation bewältigt?“ Es handelte sich darum, einen Einblick in alltägliche Situationen und Abläufe zu erhalten, die einen entscheidenden Hintergrund für das Verhalten in wirtschaftlichen und politischen Krisen bilden.

Hauptmerkmal dieses Films – formal gesehen – ist die angewandte Mischform dokumentarischer Film/Spielfilm. Dabei, so Hörmann/Grossmann, sei es darum gegangen, die ritualisierten Formen des Alltagslebens sowohl zu dokumentieren als auch darum, sie noch einmal, als Erkenntnisprozeß, durchzuspielen. Die Auswahl der Szenen, die inszeniert worden sind, geschah vor allem durch das dargestellte Ehepaar, den Werftarbeiter und dessen Ehefrau. Die angewandte Mischform erhalte ihre Berechtigung daraus, daß in der inszenatorischen Wiederholung eine Brechung der ritualisierten Formen des Alltagsiebens hervorgerufen werden kann.

Die Kritik an diesem Film konzentrierte sich auf das Verhältnis der Filmemacher zum dargestellten Ehepaar. Miteinge-schlossen war damit auch die Kritik an der Kameraführung. Das Ehepaar habe dem Zuschauer den Eindruck vermittelt, durch den Einsatz der Kamera in seiner Spontaneität stark behindert gewesen zu sein. Daraus hätte sich eine Art „cinema vérité“ ergeben, das keinen dokumentarischen Wert mehr besitze. Hörmann/ Grossmann vertraten demgegenüber die Position, daß die Kamera im dokumentarischen Film spürbar bleiben müsse, da das Verhältnis zu diesen Menschen abgefilmt worden sei, nicht die Menschen als isoliert davon handelnde Personen.

Dieses Verhältnis vermittelt sich auch über deren Reaktion auf den Einsatz der Kamera. Zusätzlich sei die als nicht spontan, als behindert kritisierte Darstellung die Darstellung dieser Wirklichkeit selbst, der Ritualisierung des Alltagslebens.

Anknüpfend daran wurde mehr Konsequenz gefordert: die Filmemacher hätten mit vor der Kamera stehen müssen, um zu verdeutlichen, daß das Ehepaar ihnen et- was mitteilt.

Weiter negativ für die Wirkung des Films wurde die Spürbarkeit der Kamera gewertet: dadurch, daß die beiden Eheleute auf die Kamera hingespielt hätten, ohne daß die dahinterstehenden Filmemacher für den Zuschauer sichtbar entstehe eine Verfahrensweise, in der die Menschen als Anschauungsmaterial denunziert würden. Anstatt daß sie etwas von sich erzählen, habe die Ansicht der Filmemacher festgestanden, war festgelegt worden, das Ehepaar habe nur noch „nachformuliert“ Dadurch werde das dokumentarische Verfahren zum Verfahren der doppelten Entfremdung der Menschen von ihren Verhältnissen.

Die Frage, inwieweit die formale Verarbeitung von dokumentarischem Film und Spielfilm unter Umständen zur Verhinderung des Dokumentarischen und zur Verhinderung von Erkenntnis geführt haben könnte, konnte aus Zeitmangel nicht diskutiert werden.